Eisklettern.
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Eisklettern.

In der Zwischenzeit änderten sich nicht nur meine klettertechnischen Fähigkeiten, sondern auch die Lust, Neues auszuprobieren und mich in neuen Grenzsituationen kennen zu lernen. Und genau an diesem Punkt musste ich gründlich in mich gehen, bevor ich dem Vorschlag zum Eisfallklettern zustimmte. Wollte ich etwas Abenteuerliches erleben oder ganz einfach wieder einmal aus der Halle raus und in der Natur klettern? Wollte ich auch zum Insider-Club gehören, der schon am Eis geklettert ist, oder reizte mich das Erlebnis, unter fachkundiger Führung und mit richtigem Material eine scheinbar unüberwindbare Eiswand hochzuklettern? Im Wissen um die potenziellen Gefahren des Eiskletterns war mir schnell klar, dass letztere Motivation die tragende und auch die einzige sein kann, wenn ein solcher Tag zum prägenden Erlebnis und nicht zur Tragödie werden soll.

Die Berichte diesbezüglicher Erfahrungen von Kolleginnen und Kollegen wurden am Eis so stark relativiert, wie das der Fall sein wird, wenn sich jemand auf Grund meines Berichts zum Eisklettern entscheidet. Die permanente Anstrengung unterdrückte zwar meine Hungergefühle, vermochte aber nicht meinen Körper zu erwärmen. Zu nah war man ständig an der kalten Eisfläche, zu oft kamen Hände und Beine immerwieder mit der kalten Masse in Berührung. Zu lange waren auch die Wartezeiten im Nachstieg.

Wenn Hermann, unser Bergführer, im Vorstieg das Eis säuberte oder wenn beim Setzen der Eisgeräte Schneestaub auf uns niederrieselte, klangen mir immer Eveline Binsacks Worte in einer Passage der Eigernordwand-Live-Besteigung im Ohr: «Wäh, gruusig!» Mehr wuchtig als «gruusig» waren die Aufprallgeräusche einiger Eisschollen am Helm. Froh war ich um all die hoch entwickelten technischen Hilfsmittel und um unseren Bergführer, die uns die nötige Sicherheit verliehen und dadurch diesen Tag zu einem besonderen Erlebnis machten. Da waren dann der schmelzende Schneestaub im Nacken und die kalten Zehen schnell vergessen.

Die Frage, ob ich bald einmal selber im Vorstieg klettern möchte, beantworte ich mit Zurückhaltung bzw. mit der klaren Überzeugung, dass Sicherheit am Fels längst nicht Gewähr für sicheres Vorklettern im Eis bietet. Blättert man allerdings zurzeit die Programme der verschiedenen Bergsteigerschulen durch, so enthält praktisch jede eine Rubrik Eisklettern. Es boomt, ist aber unter den richtigen Bedingungen (Wetter, Eisbeschaffenheit, Gruppengrösse) nicht bloss eine trendige Erfahrung, sondern ein unvergleichliches Wintererlebnis.

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