Frauen in grosser Höhe. Medizinische Ratschläge
Medizinische Ratschläge
Frauen in grosser Höhe
Eine internationale Expertinnengruppe 1 hat versucht, wissenschaftlich fundierte Antworten auf Fragen von Frauen zu geben, die einen Aufenthalt in grosser Höhe oder eine längere Reise ausserhalb des Touristenstroms planen. Die Angaben basieren sowohl auf wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch auf pragmatischen Erfahrungswerten von Wissen-schafterinnen und/oder erfahrenen Bergsteigerinnen. 2
Bei den Untersuchungen zu Höhenkrankheit und Höhenadaptation gibt es für Männer und Frauen sowohl übereinstimmende als auch abweichende Erfah- 1 Die Expertinnengruppe bestand aus Dominique Jean ( F ), Conxita Leal ( E ), Susi Kriemler ( CH ), He-leen Meijer ( NL ), Lorna G. Moore ( USA ) 2 Dieser Beitrag basiert auf dem Internationalen Konsensuspapier der Medizinischen Kommission der UIAA ( Union Internationale des Associations Alpines ) Frauen im Aufstieg zum Skyang Kangri, 7455 m. Im Hintergrund der K2 von Osten Besinnliche Ruhe im Basislager des K2 mit Blick auf den Chogolisa, 7654 m rungswerte. Die Expertinnengruppe selber hat für ihre Empfehlungen die Frauen in zwei Gruppen unterteilt, und zwar nach dem Kriterium, ob eine Schwangerschaft vorliegt oder nicht.
Nicht schwangere Frauen
Höhenkrankheiten und Höhen- adaptation Die akute Bergkrankheit kommt bei Frauen und Männern gleich häufig vor. Das Höhenlungenödem scheint bei Frauen weniger häufig aufzutreten. Dafür zeigen sie in der Höhe mehr Schwellungen an Händen, Füssen und im Gesicht, was ein Anzeichen einer akuten Höhenkrankheit sein kann. Der Mens-truationszyklus der Frau scheint das Auftreten einer akuten Höhenkrankheit nicht zu beeinflussen. Die Akklimatisation an grosse Höhen kann bei Frau und Mann als gleich gut bezeichnet werden. Hingegen gibt es keine wissenschaftlichen Angaben zur Frage, ob Frauen und Männer für das Höhenhirnödem gleich anfällig sind.
Menstruation und Empfängnis-verhütung Auf Expeditionen verändert sich der Menstruationszyklus der Frau häufig. Vermutlich spielen da jedoch die Reise mit all ihren Begleitumständen wie veränderter Hygiene, Kälte, Gewichtsverlust usw. als körperliche Stresssituation eine grössere Rolle als die Höhe an sich. Am häufigsten bleibt die Menstruationsblu-tung ganz oder teilweise weg, oder der Zyklus wird unregelmässig. Die Wirksamkeit der pharmakologischen und mechanischen Verhütungsmittel wird durch die Höhe nicht beeinflusst. Es gibt jedoch einige Punkte zu beachten: Die « Antibaby-Pille » erleichtert oder erschwert die Akklimatisation an die Höhe nicht. Theoretisch kann die klassische Pille zusammen mit Wasserverlust ( Dehydratation ), Kälte und längerem Höhenaufenthalt die Bildung von Blut-gerinnseln ( Thrombosen ) begünstigen. Es gibt jedoch keine wissenschaftlich fundierten Berichte darüber. Aus diesem Grund empfiehlt die Expertinnengruppe, Pillen der so genannt zweiten Generation mit ungefähr 30 Mikrogramm Östrogen zur Empfängnisverhütung in grosser Höhe zu verwenden. Es scheint auch, dass die Pille der dritten Generation mit nur 20 Mikrogramm Östrogen in Sachen Blutgerinnung ungünstiger ist als die erwähnte der zweiten Generation. Die unregelmässigen Ess- und Schlafenszeiten auf Expeditionen erschweren unter Umständen die regelmässige Einnahme der Pille, was die Sicherheit der Verhütung vermindert. Auf langen Reisen in Gegenden grosser Höhe können Antibiotika nötig werden, beispielsweise bei fiebri-gem Durchfall. Viele Antibiotika wie Breitspektrum-Penizilline und Tetracyc-line schwächen jedoch die Sicherheit der Pille ab. Deshalb wird empfohlen, während der Einnahme dieser Antibiotika Frauenpower unterwegs zum Skyang Kangri auf ca. 7300 m über China Das leidige Problem mit der Ausscheidung...
Fotos: Ar chiv Urs W iget und sieben Tage danach eine zusätzliche Verhütungsmethode anzuwenden. Um die Menstruationsblutung auf Expeditionen zu verhindern oder mindestens stark zu vermindern, kann die Pille während mehrerer Monate ohne Unterbruch eingenommen werden – ohne « Pillen-pause » vom 21. bis 28. Tag. In den ersten zwei, drei Monaten können kleinere Blutungen trotzdem auftreten, die den Ver-hütungsschutz in keiner Weise reduzieren. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien zur Pille, die nur Progesteron enthält ( so genannte Minipille ) und auch nicht zu den Verhütungsmitteln in Pflaster- ( « Östrogen-Patches » ) oder Ringform. Eisenstoffwechsel Ein Eisenmangel kann die Akklimatisation in sehr grossen Höhen stören. Eine Blutuntersuchung vor einem längeren Höhenaufenthalt ist deshalb ratsam. Bei Blutarmut oder so genanntem Ferritin-mangel sollten vor und während der Expedition Eisenpräparate eingenommen werden. Es braucht mindestens drei Monate, um die Eisenspeicher zu füllen.
Reisen/Höhe in der Schwangerschaft
Reisen im Allgemeinen Wer schwanger auf Reisen geht, muss daran denken, dass es oft schwierig ist, fachspezifischen Rat in Bezug auf Gynäkologie/Geburtshilfe zu erhalten. Gewisse Infektionskrankheiten wie Malaria, Hepatitis E oder Durchfall können während der Schwangerschaft einen schwereren Verlauf nehmen und auch zur Erkrankung des ungeborenen Kindes führen. Viele Medikamente, die zur Vorbeugung von Tropen- und Reise-krankheiten – Antimalariamittel, Quino-lone, Sulfonamide – eingenommen werden, dürfen in der Schwangerschaft nicht verwendet werden, da sie das Kind im Mutterleib schädigen können. Sowohl die Schwangerschaft als auch die grosse Höhe stimulieren die Atmung, wodurch dem Körper mehr Wasser entzogen wird. Deshalb muss auf eine genügende Flüssigkeitsaufnahme geachtet werden.
Höhenkrankheiten Die Schwangerschaft hat keinen Einfluss auf die Anfälligkeit der akuten Bergkrankheit. Tritt sie jedoch auf, kann sie das Kind gefährden. Einige Medikamente wie Azetazolamid oder Diamox®, die als Akklimatisationshilfen eingenommen werden, sind im ersten Drittel der Schwangerschaft verboten. Plastikbeutel mit grosser Öffnung Das kleine Mädchen von Seite 25 Jahre später in grossen Höhen hoch über dem Goodwin-Austin-Gletscher: rechts der Beginn des Abruzzi-Sporns des K2, links der Broad Peak Klettern ist im ersten Trimester einer normalen Schwangerschaft unproblematisch. Klettergurte dürfen aber nicht auf den Bauch drücken. In Kletterfelsen auf der Krim, Ukraine Fotos: Ar chiv Urs W iget Komplikationen für Mutter und/oder ungeborenes Kind Die meisten wissenschaftlichen Studien zu diesem Problemkreis wurden an Müttern gemacht, die in der Höhe leben. Über das Verhalten der ungeborenen Kinder und ihrer Mütter, die im Tiefland leben und sich kurzfristig, also Tage bis Wochen, in grössere Höhen begeben, ist wesentlich weniger bekannt. Diese Tatsache muss bei den folgenden Aussagen und Ratschlägen berücksichtigt werden. Frauen, die schon einmal in der Frühschwangerschaft ein Kind verloren haben, sollten sich während einer neuen Schwangerschaft nicht grossen Höhen aussetzen. Kurze Aufenthalte – Stunden bis Tage – in Höhen bis 2500 m für Mütter mit bis anhin komplikationslos verlaufener Schwangerschaft und ohne bekannte Risikofaktoren in der zweiten Schwangerschaftshälfte sind unproblematisch. Es gibt keine Angaben zum Risiko in grösseren Höhen. Mütter mit Risikofaktoren für Fehl-geburten, Wachstumsstörungen des Kindes, Bluthochdruck, Blutarmut, Herz- und Lungenkrankheiten sowie starke Raucherinnen sollten hingegen auch kurze Höhenaufenthalte über 2500 m meiden. Man weiss, dass bei Müttern, die längere Zeit – Wochen bis Monate – über 2500 m leben, die Anfälligkeit für Schwangerschaftskomplikationen ansteigt. Deshalb empfiehlt die Expertinnengruppe, dass sich werdende Mütter während eines längeren Höhenaufenthaltes häufigen fachspezifischen Untersuchungen unterziehen, um sich anbahnende Komplikationen früh genug erfassen zu können. Weil körperliche Anstrengung in der Höhe theoretisch zu vorzeitiger Wehentätigkeit und zu Sauerstoffmangel beim Kind führen kann, wird werdenden Müttern empfohlen, sich in Höhen über 2500 m während zweier bis dreier Tage nicht anzustrengen und für grössere körperliche Aktivität eine ausreichende Akklimatisationsphase – zwei bis drei Wochen – einzuplanen. Klettern und Skifahren Es gibt keine spezifischen Studien zu diesen Fragen. Die Expertinnen nehmen jedoch an, dass Klettern und Skifahren im ersten Trimester einer normalen Schwangerschaft unproblematisch sind. Der Klettergurt darf aber auch bei Stürzen nicht auf den Bauch drücken. Später muss beachtet werden, dass die Gewichtszunahme, die grössere Überdehnbarkeit der Gelenkbänder und die Verlagerung des Körperschwerpunktes zu Unfällen mit potenzieller Gefährdung des ungeborenen Kindes führen können.
Praktische Tipps für bergsteigende Frauen
Kleider und Klettergurte sollten ein einfach zu bedienendes Öffnungssystem haben, um auch in grosser Kälte und bei Wind rasch die Notdurft verrichten zu können. Verschliessbare Plastikbeutel oder Flaschen mit grosser Öffnung erleichtern und erlauben das Urinieren im Zelt. Im Fachhandel gibt es auch Plastik-systeme, mit denen Frauen stehend ihre Blase entleeren können. Einige erfahrene Höhenbergsteigerinnen rasieren sich ihr Schamhaar aus hygienischen Gründen. Auf längeren Expeditionen sollten Frauen sich darauf vorbereiten, eventuell auftretende Blasenentzündungen oder Ähnliches selber behandeln zu können. Das Kondom ist immer noch der beste Schutz vor Geschlechtskrankheiten. a Susi Kriemler Wiget und Urs Wiget, Uitikon 3 3 Übersetzung und Adaptation des Konsensus-papiers Kleider sollten eine gut platzierte Öffnung haben.
Es gibt Systeme, die es Frauen erlauben, auch im Stehen ihre Blase zu entleeren. Diese Systeme sind allerdings etwas gewöhnungsbedürftig.
Alpinismus, Berg- u.a. Sportarten
Alpinismo e altri sport di montagna
Alpinisme et autres sports de montagne
Begegnung mit dem Damen-Swiss-Team
Skialpinismus ist auch ein Frauensport!
Die Westschweiz hat eine ganze Reihe starker Skialpinistinnen, allen voran die fünffache Weltmeisterin und neue Schweizer Meisterin Cristina Favre-Moretti. Begegnung mit dem Damen-Swiss-Team an den Schweizer Meisterschaften auf dem Stoos/SZ.
« Was mir am Skialpinismus besonders gefällt ?» Mit einem strahlenden Lachen wiederholt die fünffache Weltmeisterin Cristina Favre die Frage, denkt kurz nach und strahlt erneut über das ganze Gesicht. « Es ist einfach ein schöner Sport. Zusammen mit Kameradinnen die Natur, die Berge, den Schnee, den Wind und die Sonne erleben macht glücklich. » Während die neue Schweizer Meisterin auf dem Stoos/SZ auf die Siegerehrung wartet, sagt sie, was man der zierlichen, gebürtigen Tessinerin ansieht: « Skialpinismus gibt gute Laune und eine gute Figur. Unser Sport braucht sehr viele Kalorien. » Warum betreiben die anderen Swiss-Team-Frauen den in Sachen Technik und Ausdauer recht anspruchsvollen Sport Skialpinismus? Die Freiburgerin-nen Jeanine Bapst und Laetitia Currat und die Unterwalliserin Andrea Zimmermann sind sich einig: « Die wechselnden Anforderungen faszinieren uns. Alpines Skifahren ist ebenso gefragt wie Felle kleben, schnell bergan steigen, ausdauernd sein und im Teamwettkampf die Verfassung der Kollegin spüren. All die Erlebnisse in der Natur, zusammen mit den Kolleginnen, machen unseren Sport einzigartig. » Fast dieselben Antworten erhält man auch von den befragten Volksläuferinnen, die einen Sport ausüben, in dem der Frauenanteil in den meisten Rennen noch gering ist.
Absolute Topleistungen
Doch die Frauen holen auf. Auch auf Skitouren begegnet man gelegentlich Skialpinistinnen. Sie fallen mit ihrer Technik, ihrer Wettkampfbekleidung und ihrem Lauftempo auf. Bei Topver-hältnissen schaffen die schnellen Frauen zwischen 800 und 1000 Höhenmeter Aufstieg pro Stunde. Die absolute Bestmarke der Weltmeisterin Cristina Favre liegt sogar bei 1200 Höhenmetern pro Stunde. Wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Tourengänger etwa 300 Höhenmeter absolviert, versteht man, dass es den Überholten ab und zu fast den Atem verschlägt. « Es gibt die unterschiedlichsten Reaktionen », erzählt Andrea Zimmermann. Die Anwältin hat schon erlebt, dass ihr das Vertrautsein mit den Bergen abgesprochen und der Gruss verwehrt wurden. « Auch im Wett-kampfdress beobachte ich die Natur und begegne ihr respektvoll », betont die 28-Jährige. Sie und ihre Teamkolleginnen sind sich gewohnt, ihre moderne, superleichte und robuste Ausrüstung selber instandzuhalten, Ski zu wachsen, Steigfelle zu pflegen und kleinere Material-defekte zu beheben. Dass nun auch Tourenmaterial speziell für Frauen auf den Markt kommt, werten die Skialpinistinnen ebenso positiv wie die Tatsache, dass seit wenigen Jahren die Siegerpreise für Frauen und Männer gleichwertig sind.
Fotos: Ruth Oehrli Skialpinistinnen kann Schneetreiben nichts anhaben: ( v. l. hinten ) Gabrielle Magnenat, Marie Troillet, Laetitia Currat, Catherine Mabillard, Séverine Pont und ( vorne ) Andrea Zimmermann und Jeanine Bapst Die beiden Nachwuchsläufe-rinnen Emilie Gex-Fabry und Laetitia Currat an der Schweizer Meisterschaft auf dem Stoos/SZ
Das ideale Alter
« Skialpinismus ist ein Sport für jede Alterskategorie. » Davon sind alle Team-frauen überzeugt. « Sind die jungen Frauen auf den kürzeren Rennen im Vorteil, zeigen die älteren auf den längeren Rennen ihre Stärke. Dazu kommt die langjährige Erfahrung, die im Skialpinismus enorm hilfreich ist », erklärt die 38-jährige Jeanine Bapst, die auf jeden Fall Rennen bestreiten will, « so lange ich Kraft und Freude habe. » Auch die 42-jährigen Zwillingsschwestern Cristina Favre-Moretti und Isabella Crettenand-Moretti denken nicht ans Aufhören. Seit ihrer Kindheit betreiben sie erfolgreich mehrere Ausdauersportarten, und ihre Namen finden sich immer wieder auf Siegerlisten von Mountainbike-Rennen sowie Strassen- und Bergläufen. Cristina absolvierte bereits vor acht Jahren aus Liebe zu ihrem zukünftigen Mann die legendäre Patrouille des Glaciers. « Das war ein grossartiges Erlebnis. Seither bin ich von diesem Sport begeistert. » Ihre Faszination sprang nach etlichen Jahren auch auf ihre Zwillingsschwester über. Seit zwei Jahren ist Isabella Crettenand in der Ski-alpinismusszene aktiv. Nun laufen die beiden in dieser Saison bei Teamwett-kämpfen erstmals gemeinsam.
Die Anerkennung
Zum Swiss-Team gehören heute neun Frauen aus der Romandie. Welche Wünsche haben sie? « Manchmal hätten wir gerne ein bisschen mehr Anerkennung von der Männerwelt », so eine Stimme. Noch immer gebe es Männer, die Mühe hätten, wenn sie von Frauen überholt würden. Vor allem aber wünschen sich die Sportlerinnen, dass noch viel mehr Frauen in diesen wunderbaren Sport einstiegen, denn « Skialpinismus bedeutet Lebensqualität und Lebensglück ». Diesem Motto wird auch am Strubelcup nachgelebt, einem ausschliesslich für Frauen organisierten Skitourenrennen im Berner Oberland. « Den allermeisten Teilnehmerinnen geht es ums Erlebnis und nicht um Bestzeiten », erklärt Barbara Wäfler, Hüttenwartin der Lämmerenhütte und Organisatorin des Strubel-cups. Am 24. April 2005 findet das Rennen zum fünften Mal statt. Die Zweierteams steigen von der Lämmerenhütte westlich des Gemmipasses zum Wildstrubel auf und fahren zum Steghorn ab. Zurück am Ziel ist vor allem das Feiern des Sieges über sich selbst angesagt. a Ruth Oehrli, Gstaad 1 1 Ranglisten, Rennkalender und weitere Infos unter www.cssa.ch Der Strubelcup ist ein reines Frauenrennen. Die fünffache Weltmeisterin Cristina Favre-Moretti wurde auf dem Stoos auch Schweizer Meisterin. Ihr Lachen spricht für sich.
Die Zwillingsschwestern Cristina Favre-Moretti und Isabella Crettenand-Moretti, 42-jährig, sind im Tessin aufgewachsen.
Foto: zvg
Von Hütten und Biwaks
Rifugi e bivacchi