Gehirnerschütterungen nie auf die leichte Schulter nehmen
Sie ist nicht auf Anhieb zu erkennen und wird deshalb auch nach leichten Stürzen häufig unterschätzt: die Gehirnerschütterung. Nicht erkannt oder falsch behandelt kann sie langwierige Spätfolgen haben.
«Er ist ausgerutscht und mit dem Kopf rückwärts auf dem Boden aufgeschlagen.» So haben seine Kollegen den Unfall später beschrieben. Jonas war ein wenig benommen, musste sich zuerst sammeln, hatte eine kleine Gedächtnislücke, konnte sich dann aber wieder aufrichten und die Tour beenden. Erst später, auf der Hütte, klagte er über Kopfschmerzen und leichte Übelkeit. Ein zufällig anwesender Arzt verordnete dem jungen Alpinisten dringend fünf Tage absolute Bettruhe.
Der Fall von Jonas sei klassisch: «Hirnverletzungen – eben auch Gehirnerschütterungen – werden oft unterschätzt», sagt Bergretter Martin Walliser, leitender Arzt auf der Unfallchirurgie des Kantonsspitals Glarus.
Auch kurze Bewusstlosigkeit ist gefährlich
Der SUVA werden jedes Jahr über 6000 Fälle von Schädel-Hirn-Traumata gemeldet. Die meisten davon, also rund 75%, sind Beeinträchtigungen des Gehirns ohne strukturellen Gehirnschaden oder eben Gehirnerschütterungen. Bei rund einem Viertel der Fälle wird eine Gehirnprellung oder gar eine Verletzung von Blutgefässen mit drohender Hirnblutung diagnostiziert. Der erste wichtige Hinweis auf schwerere Verletzungen ist laut Martin Walliser, wenn ein Opfer nach einem Aufprall kurz das Bewusstsein verloren und orientierungslos gewirkt hat und wenn es später über Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit klagt oder sogar erbricht. Um eine schwere Verletzung und Blutung im Innern des Hirns auszuschliessen, sei dann eine rasche ärztliche Untersuchung immer angezeigt. Wichtig: Auch bei einer kurzen Bewusstlosigkeit droht Erstickungsgefahr. Es gilt daher, sofort die Atemwege freizumachen. Der Bewusstlose gehört in die Seitenlage und muss bis zum Eintreffen eines Arztes überwacht werden.
Die Augen als Fenster zum Hirn schonen
Aber eben: Drei Viertel der Verletzten werden nicht ohnmächtig. Und oft nehmen sie den Schlag auf den Kopf auf die leichte Schulter.
Martin Walliser weist darauf hin, dass schon die Folgen einer leichten Hirnerschütterung nicht selten noch lange spürbar sind. Müdigkeit, Kopfweh, Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen, aber auch Konzentrationsstörungen können immer wieder auftreten, wenn sich Verletzte am Anfang nicht schonen. «Um dauerhafte Konzentrationsstörungen und chronische Kopfschmerzen zu verhindern, muss der Verletzte in den ersten Tagen nach einer Gehirnerschütterung den ‹Input über die Augen› wie zum Beispiel über Fernseher, Computer oder Handy möglichst klein halten», sagt Walliser. Forscher des Berner Inselspitals haben herausgefunden, dass bereits ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma (SHT) zu Störungen des Hirnstoffwechsels und zu Mikroblutungen und Durchblutungsstörungen führt. Dies beeinträchtigt die Kurz- und Langzeit-Funktionstüchtigkeit der Hirnzellen.