Hannibal war nie im Wallis
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Hannibal war nie im Wallis Neue Funde in Frankreich

In einem Moor auf fast 2900 Metern stiessen Forscher auf Überreste von Pferdemist. Was unspektakulär klingt, könnte die Lösung für eines der grossen Rätsel der Geschichte sein: Hannibals Überquerung der Alpen.

Für Hannibal war es eine Ruhmestat, für seine Soldaten eine kalte Hölle. Mit 30 000 Mann, 15 000 Pferden und 37 Kriegselefanten überquerte der nordafrikanische Feldherr 218 v. Ch. die Alpen, um dem verhassten Erzfeind Rom in den Rücken zu fallen.

Das Bild von Hannibal und seinen Elefanten auf den verschneiten Alpenpässen brannte sich in die Gehirne von Generationen von Historikern. Unklar war jedoch, wo Hannibal die Alpen überschritten hatte.

Viele Regionen beanspruchten die geschichtsträchtige Überschreitung für sich, darunter der Mont Cenis und der Petit-Saint-Bernard in Frankreich und der Grand-Saint-Bernard in der Schweiz. Nun hat das Rätsel eine Lösung, und Schuld daran ist ein Haufen Mist. Pferdemist, um genau zu sein.

Antike Darmflora

Ein Forscherteam um den kanadischen Geografen William Mahaney untersuchte unweit des Col de la Traversette (2947 m) ein Moor nach Pollen und Mikroorganismen, die sich im sauren ­Boden erhalten hatten. Der schmale, ­steile Pass im Monviso-Massiv war erst in den 1950er-Jahren als mögliche Route Hannibals ins Gespräch gekommen. Es blieb eine Aussenseiterhypothese.

Doch in 40 Zentimetern Tiefe entdeckten Mahaney und sein Team eine Schicht, wie man sie in alpinen Mooren sonst nicht findet: verdichtet, zerwühlt – wie ein Reitweg bei Regenwetter. Damit nicht genug. In der Schicht fanden sich auffallend viele Überreste von Clostridien, Bakterien, die typisch für Pferdemist sind. Eine Laboranalyse zeigte: Die Ablagerungen sind rund 2200 Jahre alt – das würde passen. Tränkte Hannibal hier seine Pferde?

Der steile Weg über den Pass würde zu den Beschreibungen antiker Historiker passen. Doch noch sind Mahaneys Forschungskollegen nicht restlos überzeugt. Denn die Radiokarbondatierung ergibt nur einen ungefähren Zeitraum, kein eindeutiges Datum. Und Hannibal war nicht der Einzige, der die Alpen überquerte: Im 17 Jahre dauernden Zweiten Punischen Krieg folgten mehrere Heerführer seinem Beispiel, darunter sein Bruder Hasdrubal.

Hoffen auf Bandwurmeier

Dass eine so grosse Armee wie jene Hannibals den schmalen Pass überqueren konnte, noch dazu mit Elefanten, sei angesichts der Topografie kaum vorstellbar, kritisiert etwa der britische Alpinarchäologe Patrick Hunt. Er vermutet den Übergang nach wie vor weiter nördlich, über den Col Clapier oder den unmittelbar benachbarten Col de Savine-Coche.

Mahaney und sein Team brauchen also weitere Beweise. Ihre Hoffnung liegt nun auf einem mikroskopisch kleinen Ei, das in den Proben gefunden wurde. Es stammt von einem Bandwurm, der nur bei Pferden vorkommt. Der Mikrobiologe Chris Allen versucht nun, die DNA des Eis zu entschlüsseln. Sie kann Aufschluss über die Herkunft der Pferde geben. Stammen sie aus Nordafrika, ist das Rätsel um Hannibals Alpenüberquerung wohl gelöst. Wenn nicht, bleibt Mahaney noch eine Hoffnung: im Moorboden ein Ei eines Elefantenbandwurms zu finden.

Literatur

W. C. Mahaney et al, «Biostratigraphic Evidence Relating to the Age-Old Question of Hannibal’s Invasion of Italy, II: Chemical Biomarkers and Microbial ­Signatures», inArcheometry,März 2016 (online)

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