Hat die Patrouille des Glaciers noch Platz in den Bergen?
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Hat die Patrouille des Glaciers noch Platz in den Bergen?

Die 21. Patrouille des Glaciers (PDG) wird vom 17. bis zum 21. April 2018 ausgetragen. Mehr als 5000 Teilnehmende werden sich auf der legendären Hochalpinroute messen, die Zermatt und Verbier via Arolla verbindet. Ist die PDG ein unverzichtbares Rennen für jeden selbstbewussten Bergsteiger oder ein schädliches und sinnloses Massenphänomen? «Die Alpen» eröffnen die Diskussion. Martine Brocard hat zwei Stimmen eingeholt.

«Die Patrouille des Glaciers ist ein besonderer Anlass, der tief in der Gesellschaft verankert ist. Die Mehrheit der Sportler ist nicht wegen der Stoppuhr dabei, sondern wegen des Teamgeistes in der Seilschaft. Das Rennen ist für sie das Sahnehäubchen einer gelungenen ­Saison. Es ist geprägt von Freundschaft, denn eine ­Patrouille schweisst einen fürs Leben zusammen, auch wenn das Seil nicht mehr da ist.

Die PDG ist ein schönes Beispiel für den Zusammenhalt des Landes, ein wichtiger Wert in unserer zunehmend individualistischen und wett­bewerbsorientierten Gesellschaft. Man muss einmal die Solidarität zwischen den Teilnehmern, Zuschauern, Zivilisten, Militärangehörigenund den unzähligen Frei­willigen während des gesamten Rennens gesehen haben!

Die PDG ist nicht zuletzt auch einer der letzten ­grossen Traditionsanlässe des Landes, der Zivilisten und Militärangehörige mischt. Für unser Land und die Armee ist das eine besondere Visitenkarte. Die zivilen Teilnehmer haben die Möglichkeit, ­unsere Präzisions­arbeit bei der Organisation und Vorbereitung des Rennens zu beobachten. Und unsere europäischen Nachbarn sind immer wieder beeindruckt, dass ein solcher Einsatz von ­einer Milizarmee geleistet werden kann. Angehörige des Berufsmilitärs kann man bei der PDG an den Fingern abzählen.

Der Anlass führt auch zu ­einer sehr fruchtbaren ­Zusammenarbeit mit zivilen Instanzen wie der Rega, Air Zermatt oder Air Glaciers, den kantonalen Notfall­organisationen sowie den Lawinenhundeführern und den Bergführern. Ausserdem arbeiten wir eng mit der Walliser Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere sowie mit Swiss Climate zusammen, um die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Die PDG verursacht praktisch keine zusätzlichen Kosten für den Steuerzahler. Es ist wichtig, zu verstehen, dass die meisten teilnehmenden Soldaten zugleich einen Wiederholungskurs machen, den sie sowieso hätten absolvieren müssen. Die Ausrüstung, die benutzt wird (Seil, Klettergurt usw.), fällt viel beschei­dener aus als in einem klassischen Wiederholungskurs, in dem schwere Fahrzeuge, Waffen und Munition zum Einsatz kommen. Des Weiteren werden die Hubschrauber, die während des Rennens eingesetzt werden, auch für den Warentransport benutzt.

Ich glaube nicht, dass es wegen der PDG mehr Todes­fälle in den Bergen gibt. Die Teilnehmer sind besser vorbereitet, als man gemeinhin annimmt, und es ist ihnen bewusst, dass die ­Armee nur während des Rennens für die Sicherheit sorgt. Und auch wenn die Begeisterung von Jahr zu Jahr zunimmt, setzen wir Grenzen, um die Sicherheit der Teilnehmer zu garantieren und die Aufnahmekapazität der Infrastruktur und der Berge zu respektieren.»

 

«Die Patrouille des Glaciers bedeutet eine inakzeptable Verharmlosung des Hochgebirges. Zu ­Beginn war die Teilnehmerzahl noch erträglich, und man konnte wirklich vom Bergsteigen sprechen. Aber jetzt hat die Armee eine Route präpariert, auf der die Teilnehmer schnellst­möglich von Zermatt nach Verbier kommen … Was hat das für einen Sinn? Die meisten Wettkämpfer sind eigentlich keine Bergsteiger, sondern Leute, die Menschenmengen ­mögen. Ich habe das nie verstanden. Diese Über­bevölkerung ist nicht gut für die Natur. Kommen Sie selbst nach Arolla schauen! Zwei Wochen vor und zwei Wochen nach der Patrouille kreisen sieben Helikopter von morgens bis abends in den Bergen herum, um die 70 Tonnen Material zu transportieren, die für das Rennen nötig sind. Das stört nicht nur die Tierwelt, ­sondern auch die Dorfbewohner. Für den Tourismus ist es auch nicht dienlich, denn die Menschen kommen nach Arolla, um die Ruhe, den Frieden und die Harmonie mit der Natur zu geniessen.

Ich schäme mich, dass Bergführer bei der Pa­trouille mitmachen. Meiner Meinung nach zeigen sie ­damit keinen Res­pekt vor der Natur. Die Hochalpen sind die einzigen Gebiete in der Schweiz, die noch wild geblieben sind. Die Bergführer sollten sie schützen, statt zu ihrer Verharmlosung beizutragen.

Darüber hinaus zwingt die PDG die Teilnehmer dazu, im Hochgebirge in unzureichender Ausrüstung zu ­trainieren, weil die gleichen Bedingungen wie beim Rennen herrschen sollen, wo sie nichts brauchen, da es ja oben ein Krankenhaus gibt! Auf diese Weise sind zwei Personen 2014 beim Pigne d’Arolla verschwunden. Wahrscheinlich wurden sie wegen eines plötzlichen Wetterumschwungs Opfer der Kälte.

Ich finde, jeder sollte in ­unseren Bergen machen können, was er will, aber in kleinen Gruppen. Man muss dort keine Massenevents organisieren. Ich appelliere dafür, dass man die PDG ­redimensioniert. Angefangen damit, dass die Armee bei der Organisation ausgeschlossen wird. Was hat das Rennen denn überhaupt mit Landesverteidigung zu tun? Das Militär sucht sich Aufgaben, die ihm ein positives öffentliches Echo versprechen, weil es ein wenig überflüssig geworden ist, und die PDG bietet sich als ideales Kommunikationsfeld an.

Meine Lösung? Eine PDG, die über den ganzen Winter eine nicht gesicherte ­Rennstrecke bietet, die mit elektronischen Markie­rungen versehen wird, um zu beweisen, dass die Teams sie durchlaufen haben. Auf diese Weise würde der Event wieder hochalpin, die Teilnehmer würden die Strecke mit angepasster Ausrüstung absolvieren und wieder anfangen, Verantwortung zu übernehmen. Natürlich gäbe es ein ­Unfallrisiko, aber das ist nun einmal ein Teil der ­Realität in den Bergen.»

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