Herbstsaison 2002 in Nepal und Tibet. Erstbesteigungen von neu geöffneten Gipfeln
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Herbstsaison 2002 in Nepal und Tibet. Erstbesteigungen von neu geöffneten Gipfeln

Erstbesteigungen von neu geöffneten Gipfeln

Herbstsaison 2002 in Nepal und Tibet

Fünf Expeditionen verzeichneten Erstbesteigungen von Sechstausendern, die von den nepalesischen Behörden im Frühling 2001 geöffnet wurden. Am Everest verscholl der Profi-Snowboarder Marc Siffredi bei seinem Versuch, vom Gipfel abzufahren. Ansonsten ging es im Herbst 2002 in den Bergen Nepals und Tibets eher ruhig zu und her. 1

Marc « Marco » Siffredi, der bekannte 23-jährige Profi-Snowboarder aus Chamonix, kam im Herbst 2002 an den Everest, um die zwei Couloirs auf der Nordseite des Berges zu befahren. Bereits im Jahr davor war er über die Normalroute der Nordseite abgefahren. Siffredi erreichte den Gipfel mit drei Sherpas am 8. September über den Nordgrat. Bei perfekten Wetter- und Schneeverhältnissen nahm der junge Franzose die Abfahrt über das Hornbein-und das « Japaner»-Couloir in Angriff. Seine Spur konnte mit Feldstechern bis 8600 m nachvollzogen werden. Ab diesem Punkt wurde bis heute von ihm nichts mehr gesehen.

Viel Schnee an Acht- und Siebentausendern Im vergangenen Herbst gab es an den Bergen Nepals grosse Schneefälle. Sie erschwerten das Bergsteigen und vereitelten vieles. So musste zum Beispiel der bekannte russische Höhenbergsteiger Valeri Babanov sein Vorhaben, einen Pfeiler in der Südwand des Nuptse – des bekannten Everest-«Trabanten » – erst-zubegehen, aufgeben. Am Dhaulagiri, dem siebthöchsten Berg der Welt, war von fünf Expeditionen nur ein einziges kleines Team erfolgreich: Der Ukrainer Vladislav Terzyul und der Russe Vladimir Pestrikov sassen das schlechte Wetter buchstäblich aus und erreichten den Gipfel schliesslich ohne Flaschensauerstoff und ohne Hilfe von Sherpas. Dabei gereichte ihnen vielleicht ihre Herkunft zum Vorteil. Die zwei erklärten jedenfalls, es sei in ihren Ländern so schwierig, Geld für eine solche Expedition aufzutreiben, dass sie gezwungen seien, möglichst lange am Berg auszuharren und jede noch so kleine Chance zu packen. Ob das auch für « westliche » Bergsteiger ein Vorbild für das Üben in Geduld sein könnte?

Verschiedene Erstbesteigungen Seit Mai 2001 hat die nepalesische Regierung 125 Berge « geöffnet », d.h., dass jetzt Besteigungsbewilligungen für diese Gipfel erhältlich sind. Nepal, das eine schwierige Zeit der politischen Unruhen und damit verbunden einen touristischen Einbruch erlebt, versucht dadurch, mehr Bergsteiger zu einem Besuch des Landes anzuregen. Ein Viertausender und fünf Sechstausender, alle in den Regionen Kangchenjunga, Everest und Mustang ( nördliches Annapurnagebiet ), wurden im vergangenen Sommer und Herbst von kleinen Teams aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Japan und Slowenien erstbegangen.

Die verschiedenen Routen an den Gipfeln von Lonak, 4785 m, Pandra, 6850 m, Danga, 6355 m, Peak 41 – « the real Mera Peak » –, 6649 m, Numri, 6677 m, und Arniko Chuli, 6039 m, zeigen, dass es in Nepal für unternehmungslustige Bergsteigerinnen und Bergsteiger noch eine ganze Palette von Möglichkeiten gibt, die von leichten Aufstiegen bis zu schweren kombinierten Routen reicht. Nicht erfolgreich waren die Schweizer Ueli Steck, Erhard Loretan und Chantal Oudine am Jannu, dem hohen Siebentausender in der Kangchen-junga-Region, dessen Nordwand eines der grössten noch ungelösten Probleme im Himalaya-Bergsteigen darstellt. Das

1 Der Beitrag basiert auf einem ausführlichen Bericht von Elizabeth Hawley, Kathmandu.

Nahe des Cho Oyu erheben sich markante Berge an der Grenze zwischen Tibet und Nepal. Sie wurden zum Teil – wie viele andere Berge in Nepal – von den nepalesischen Behörden neu zugänglich gemacht. Beim Anmarsch zum Basislager des Cho Oyu in Tibet. Der Einschnitt im Hintergrund ist der Nangpa La, seit jeher wichtiger Grenzpass zwischen Tibet und dem Khumbu-(Everest-)-Gebiet Nepals. Der Pass ist geschlossen, wird aber für den kleinen Grenzverkehr und auch von Flüchtlingen benutzt.

Foto: Christine Kopp DIE ALPEN 3/2003

kleine Team blitzte an der berüchtigten 3000-Meter-Wand wegen der ungünstigen Schneeverhältnisse ab.

Überraschungen anderer Art Eine amerikanische Expedition, die den ebenfalls neu geöffneten Nangpai Gosum I, 7312 m, nahe des Cho Oyu an der nepalesisch-tibetischen Grenze, anging, wurde von einer Patrouille der chinesischen Grenzpolizei überrascht und buchstäblich von ihrem Ziel vertrieben. Die Soldaten waren offenbar auf der Suche nach einer Gruppe von Flüchtlingen aus Amdo in Osttibet, die über den Nangpa La, einen wichtigen Grenzpass zwischen Nepal und Tibet, wegwollten. Die amerikanischen Bergsteiger gelangten völlig unerwartet vor das Visier der Patrouille. Einer der Bergsteiger, Jeff Lamoureux, erzählte danach, der Angriff der Soldaten sei beängstigender gewesen als alle Klettereien, die er je gemacht habe.

Auch in Ostnepal, in der Region des Kangchenjunga, wurden verschiedene Expeditionen von Zwischenfällen behelligt. Dabei war nicht klar, ob sie von Maoisten oder von so genannten « Khao-badi » 2 aufgehalten wurden. In einigen Fällen wurden den Bergsteigern Geldbeträge abgeknöpft, zu Beeinträchtigungen an Leib und Leben kam es aber nirgends. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Situation in Nepal zunehmend stabilisiert. In den meisten Regionen ist das Trekken und Expeditionsbergsteigen kein Problem – die Zusammenarbeit mit seriösen Veranstaltern im Ausland bzw. mit bekannten Agenturen im Land selbst und eine gewissenhafte Vorbereitung empfehlen sich aber in jedem Fall. a

Christine Kopp, Unterseen 2 Khaobadi sind Diebesbanden, die die politisch unruhige Situation ausnützen und sich als Maoisten ausgeben. Vgl. auch ALPEN, 9/2002, S. 38 Vladislav Terzyul und der Russe Vladimir Pestrikov erreichten schliesslich ohne Sauerstoff und ohne Sherpas den Gipfel.

Am Dhaulagiri, 8167 m, dem siebthöchsten Berg der Welt, war von fünf Expeditionen nur ein einziges kleines Team erfolgreich. Der Ukrainer Fo to :K ur t S te rc hi Foto: Kurt Sterchiist ine Kopp Der Aufstieg zur Cabane d' Arpittettaz bietet eine wunderbare Sicht auf das Zinalrothorn.

INMITTEN EINES MAJESTÄTI

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