Hermann Steuri – vielseitig mit Eleganz
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Hermann Steuri – vielseitig mit Eleganz

Er ging beim Dolomitenkletterer Angelo Dimai in die Lehre, war einer der besten Bergsteiger der Schweiz in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts, hatte Leni Riefenstahl am Seil, fuhr schnell und schön um die Slalomstangen, feierte Erfolge als Skitrainer, verkörperte für viele jüngere Bergführer und Gäste den vollkommenen Bergführer und lernte noch im Alter golfen. Am 17. August 2001 ist Hermann Steuri in Grindelwald im 92. Lebensjahr gestorben.

Hermann ( Mändel ) Steuri hat – wie sein Vater Fritz, Bergführer und u.a. Erstbegeher des Mittellegigrats – Spuren hinterlassen. Als der 1909 geborene Mändel nach der dritten Begehung der Matter-horn-Nordwand im Juli 1935 ( und der ersten ohne Biwak ) dem Vater telefo-nierte und ihm von den Touren rund um Zermatt erzählte und zuletzt sagte, dass er mit einem Gast durch die Nordwand des Matterhorns geklettert sei, wurde es ganz still am Telefon. Auf Vaters Frage, ob das notwendig gewesen sei, antwortete er: « Auch ein Lehrbub hat das Recht, eine Meisterprüfung zu machen. » Vater antwortete nur: « Los, muesch ufpasse. So verliersch du diner Chunde. » Hermann Steuri verlor sie nicht.

König der Kingwand Mit einer Neutour ist der Name Hermann Steuri unlösbar verknotet: Kingwand. So nennt man die Nordostwand der Kingspitze in den Engelhörnern, eine 500 m hohe, schlanke Wand aus plattigem, abwärts geschichtetem Kalk. Hermann Steuri legte dort die beiden ersten Routen: 1936 die östliche Route, zwei Jahre später eine direkte. Während die erste Route kaum Wiederholer fand, ist die zweite ein Klassiker geworden. Auch wenn inzwischen dort noch ein paar moderne Freikletterrouten eröffnet worden sind, die Kingwand hat nichts von ihrem Nimbus verloren. « In der mittleren Wandhälfte lang andauernde Schwierigkeiten », warnt die letzte Auflage des Engelhorn-Führers. Schwierigkeit V,AO oder VI. Drei Stellen sind im Schwierigkeitsgrad 6, wenn man sich nicht an den Haken hält. Und sie waren es ganz bestimmt, als Steuri und seine beiden Seilgefährten Mäusi Lüthy und Hans Haidegger in nur fünf Stunden hochkletterten. Viel Seil für einen eventuellen Rückzug und ein paar Haken nahm Steuri mit in die Wand. « Insgesamt sechs Haken habe ich geschlagen. » Heute stecken allein in der Schlüsselseillänge der klassischen Wandroute sechs Haken. Und alle Standplätze sind mit grossen Ringbohrhaken ausgerüstet. Auch Steuri hat Haken einzementiert: Abseilhaken in der Lütschinenschlucht bei Grindelwald, seinem Trainingsgelände.

Warum nicht die Eigernordwand? Ja, warum hat der Steuri Mändel eigentlich die Wand der Wände vor seiner Haustüre nicht gemacht? Hätte er doch technisch und geistig das Zeug dazu gehabt, die Eigernordwand als Erster zu durchsteigen. Die Arbeit als Bergführer; die Sorge, vielleicht den guten Ruf zu verlieren; der Vater, der eine solche Besteigung gar nicht gern gesehen hätte, waren Hindernisse. Die Nordostwand des Eigers hat er durchstiegen, mit dem Zigarrenfabrikanten Hediger und dem Bruder Fritz Steuri als dritte Seilschaft, doch die eigentliche Nordwand nicht. Am 9. Juli 1936, wenige Tage vor dem Hinterstoisser-Kurz-Drama in der Eigernordwand, glückte ihm die erste Begehung der Nordwestwand des Ochs oder Klein Fiescherhorns – der linke, fast senkrechte, eisig-felsige Teil der Fiescherwand, die von Grindelwald so gut sichtbar ist – mit Mäusi Lüthy, die er beim Skifahren kennen gelernt hatte, als er die Damen für die damaligen Schweizer Da-menskirennen in Grindelwald trainierte. In den Dolomiten waren sie zusammen, Preussriss an der Kleinen Zinne, Schleierkante in der Palagruppe; in den Aiguilles von Chamonix, die Grépon-Ostwand. Ins Führerbuch von Hermann schrieb sie: « Einen besseren Führer und Kameraden für die Berge weiss ich nicht. »

Prominenz im Führerbuch « Madonna di Campiglio Sept. 1935. Leni Riefenstahl. » Steuri hatte die deutsche Schauspielerin und Filmregisseurin auf dem Jungfraujoch kennen gelernt. Leni Riefenstahl bat Hermann Steuri, mit ihr in die Dolomiten klettern zu gehen, denn sie brauchte das Klettern für den

Fo to :K ur t S te rc hi Kingspitze Nordostwand: im unteren Teil der klassischen von Hermann Steuri eröffneten Route DIE ALPEN 11/2001

Film. Drei Sommer lang kletterte Steuri mit Leni Riefenstahl. Und er war ihr privater Trainer auf der Zugspitze, als die deutschen Skifahrerinnen für die Winter-olympiade in Garmisch-Partenkirchen trainierten, was zu Protesten von Seiten des Mannschaftsführers der deutschen Olympia-Damen führte, denn Steuri könnte spionieren.

In Grindelwald gründete Steuri eine eigene Skischule für Fortgeschrittene, weil er sich nicht an die offizielle Ski-schuldoktrin halten konnte. In manchem Winter führte er seine Gäste von Grindelwald nach St. Moritz und andere Touristen vom Engadin zurück ins Oberland. Mit seinen Kunden zog er im Frühling über Chamonix und die Dau-phiné-Alpen nach Nizza hinunter. Als Steuri 1930 einen Gast in die Dolomiten für eine Abfahrt von der Marmolada begleitete und dort für einige vorbereitende Klettertouren in Cortina d' Ampezzo einen guten Bergführer suchte, fand er Angelo Dimai – « der machte aus mir einen Kletterer ». Fast jeden Tag kletterte Steuri mit Dimai, dem Erstbegeher der Nordwand der Grossen Zinne. Zum Abschluss ging man durch die Südwand der Marmolada. Steuri und sein Gast liessen Ski und Skischuhe hinauftragen, was bei Dimai Kopfschütteln auslöste. Dimai schickte die beiden voraus, da er schneller sein werde. « Dimai schüttelte immer nur den Kopf. Und oben meinte er, er sei schneller unten als wir, wir sollten nur vorausfahren. Aber als wir unten waren, sass er immer noch auf dem Gipfel. Er konnte ja nicht wissen, dass wir beide Rennläufer waren. » Hermann Steuri freute sich noch Jahrzehnte später über diese elegante Rückkehr vom Gipfel. a

Daniel Anker, Bern Fo to :K ur t S te rc hi Fo to :Da niel Anke r Fo to :Da niel Anke r Foto: Daniel Anker Von seinem Balkon aus sah Mändel Steuri das Klein Fiescherhorn, wo ihm 1936 die Erstbegehung der Nordwestwand glückte, wenige Tage vor dem Hinterstoisser-Kurz-Drama am Eiger. Hermann Steuri verkörperte für viele jüngere Berufskollegen und Gäste den vollkommenen Bergführer.

Hermann Steuri, der König der Kingwand, legte zwei Routen in die Nordostwand der Kingspitze, von denen die direkte zu einem Klassiker wurde.

Steuri Mändel war einer der besten Bergsteiger der Schweiz in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts.

DIE ALPEN 11/2001

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