Hunde im Schafspelz
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Hunde im Schafspelz Verhaltenstipps für Begegnungen mit Herdenschutzhunden

Sie sehen ein bisschen aus wie Schafe, schlagen aber selbst Wölfe und Bären lautstark in die Flucht: Eine Begegnung mit einem Herdenschutzhund kann für Touristen furchteinflössend sein. Schwere Zwischenfälle gibt es aber nur sehr selten.

Das Jahr 2009 ist den Schweizer Schafbauern in schlechter Erinnerung geblieben: 340 ihrer Tiere wurden damals von Wölfen gerissen. Dass die Zahlen seither wieder rückläufig sind, dürfte auch ein Verdienst der mittlerweile 200 Herdenschutzhunde sein. Dies belegen Vergleiche von beschützten und unbeschützten Gebieten.

Die Hunde der Rasse Maremmano-Abruzzese verteidigen die Schafe während der Sommermonate auf Alpweiden. Doch mit dem Schutz kommen auch neue Gefahren. Von einer unliebsamen Begegnung weiss Fabienne Corpataux aus dem fribourgischen Marly zu erzählen. Sie ist eine von vier Personen, die im letzten Jahr von einem Herdenschutzhund verletzt worden sind.

Plötzlich kamen die Hunde

Anfang Juli war sie auf dem Schafarnisch in den Freiburger Voralpen unterwegs, als sie auf einem Wanderweg eine Schafherde durchqueren wollte. Corpataux realisierte nicht, dass die Tiere von Herdenschutzhunden bewacht wurden. «Ich hatte die Hinweistafeln zwar gesehen», sagt sie, «ich habe diese aber nicht bewusst wahrgenommen.»

Als sie inmitten der Herde stand, tauchten plötzlich zwei Herdenschutzhunde auf. Der eine schnappte nach ihr und biss sie in den Oberschenkel. Danach liessen die Hunde von ihr ab – weil sie zurückgepfiffen wurden: «Zum Glück war jemand in der Nähe. Ich weiss nicht, was sonst hätte passieren können.» Die Verletzung sei nicht weiter schlimm gewesen, und grundsätzlich habe sie viel Verständnis für den Einsatz von Schutzhunden, sagt Corpataux. Dennoch: «Ich war sehr überrascht, dass einem auf einem Wanderweg so etwas passieren kann.»

Tiere können heftig reagieren

Beim Kompetenzzentrum Agridea ist man sich der Problematik bewusst. Agridea ist vom Bund beauftragt, die Ausbildung der Hunde und deren Einsätze zu koordinieren. Hier treffen die Meldungen von Zwischenfällen ein. «Ein Nullrisiko kann es nicht geben», sagt Felix Hahn, der zuständige Fachstellenleiter. Allein deshalb, weil man nie wissen könne, was vor der eigenen Begegnung mit einem Hund bereits vorgefallen sei.

Problematisch könne es werden, wenn der Hund vorher von anderen Wanderern mit Stöcken bedroht worden sei, oder wenn es Konflikte mit anderen Hunden gegeben habe. In solchen Fällen könne es sein, dass das Tier besonders heftig reagiere. «Im geschilderten Fall wurden die Hunde von der Anwesenheit der Frau ganz einfach überrascht», erklärt Hahn den Angriff auf Corpataux. Um solchen Zwischenfällen entgegenzuwirken, lasse man den Hunden während ihrer Ausbildung eine möglichst breite Sozialisierung zukommen, so Hahn. Die Hunde sollen so viele Situationen kennenlernen, um möglichst gelassen auf Wanderer oder Biker reagieren zu können.

Hahn appelliert an die Eigenverantwortung der Wanderer: «Wer sich an die elementaren Verhaltensregeln hält und Hinweistafeln beachtet, für den stellen die Hunde keine Gefährdung dar. Es gilt insbesondere, Hunde und Herde möglichst wenig zu stören.» Wer sich unsicher fühle oder Angst habe, umgehe die betroffenen Gebieten am besten. Im Zweifelsfall rät Hahn den Wanderern zur Umkehr.

Doch was, wenn eine Umkehr nicht möglich ist, weil es vielleicht schon kurz vor dem Eindunkeln ist oder ein Gewitter droht?

Hahn sagt: «Man versucht, auf offiziellen Wanderwegen ein möglichst problemloses Passieren von Herden zu gewährleisten.» Das beinhalte verschiedene Massnahmen. Möglich seien unter anderem Auszäunungen von Wegen oder verstärkte menschliche Präsenz, beispielsweise durch Hilfshirten oder Zivildienstleistende. «In Einzelfällen wird aus Rücksicht auf die Wanderer sogar komplett auf den Einsatz von Herdenschutzhunden verzichtet», erklärt er weiter.

Wichtigste Verhaltensregeln

•Ruhig bleiben, Provokationen und schnelle Bewegungen vermeiden.

•Die Herde umgehen, ohne sie zu ­stören.

•Keine eigenen Hunde mitnehmen. Ist der Hund dennoch dabei: an die Leine. nehmen. Ein fremder Hund darf auf keinen Fall zur oder gar in die Herde rennen.

•Zutrauliche Schutzhunde weder streicheln noch füttern.

•Schutzhunde, die einem nachlaufen, ignorieren. Der Hund kehrt von selber zu seiner Herde zurück.

Quelle: agridea.ch

Unter www.herdenschutzschweiz.ch findet man weitere Informationen und eine Übersicht, in welchen Gebieten Herdenschutzhunde im Einsatz sind. Eine Karte mit allen von Herdenschutzhunden bewachten Alpen findet sich auf

www.protectiondestroupeauxch/faq-was-tun/um-zu-wissen-wo-es-schutzhunde-hat/

Umgang mit Herdenschutz-hunden lernen

Agridea bietet im 2015 drei Exkursionen an, bei denen Begegnungen mit Herdenschutzhunden geübt werden können.

•4.7, Alp Culm da Sterls/GR, Treffpunkt Flims

•11.7., Alpage de la Savolayre, Rossinière VD

•18.7., Alp Wildestei/BE, Treffpunkt Erlenback

Eine weitere Exkursion wird exklusiv für SAC-Tourenleiter angeboten:

4.7.2015, Pizol/GR, Treffpunkt Valens

Infos und Anmeldung unter agridea.ch.

Herdenschutzhunde sind keine Hütehunde

Für den Herdenschutz mit Hunden wurde in der Schweiz in den letzten Jahren vermehrt eine gesetzliche Grundlage auf Bundesebene geschaffen. Ohne diese wäre der Einsatz der Hunde gar nicht möglich: In vielen Kantonen und Gemeinden ist es nämlich verboten, Hunde im öffentlichen Raum unbeaufsichtigt zu lassen. Mit einer Revision der Jagdverordnung wurde auf Anfang 2014 die rechtliche Absicherung des Herdenschutzes weiter gestärkt.

Territorialverhalten vs. Führung

Herdenschutzhunde schützen die Herde durch ihr Territorialverhalten, arbeiten selbstständig und stehen meist nicht unter direkter Kontrolle des Menschen. Deshalb sind Herdenschutzhunde von Hütehunden klar zu unterscheiden: Der Hütehund dient nicht zum Schutz, sondern vielmehr zur Führung und zum Zusammenhalt der Herde.

Unterschiedliche Hunderassen

Als Herdenschutzhunde werden meist Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde oder Pyrenäenberghunde eingesetzt, als Hütehunde Border Collies, Bergamasker und viele andere Rassen.

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