Ich fahre in meinem Leben zweigleisig
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Ich fahre in meinem Leben zweigleisig Niclaus Saxer (61 Jahre), SAC Piz Sol

Der Lokomotiv­führer und Hüttenwart ist seit mehr als 40 Jahren bei der Sektion Piz Sol.

Die hohe Schule ist die Gebirgsbahn, nicht die Flachbahn. Darum war es für mich vor mehr als 40 Jahren klar, dass ich nach meiner Ausbildung zum Schlosser bei der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik in Winterthur als Lokomotivführer zur Rhätischen Bahn (RhB) wollte. Ich kam nach Landquart, nicht weit weg von Sargans, dem Städtchen meiner Kindheit. Noch heute arbeite ich bei der RhB und wohne in Malans, umgeben von vertrauten Bergen.

Obwohl ich ein passionierter Bähnler bin, fahre ich in meinem Leben zweigleisig. Ende der 90er-Jahre entschied ich, nur noch 80% bei der RhB zu arbeiten, später sogar nur 50%. Die restliche Zeit widme ich der Enderlinhütte. Ich habe eine familiäre Bindung zu dieser SAC-Hütte. Mein Vater bewartete sie von 1936 bis 1976. Die Bergunterkunft am Weg von Maienfeld auf den Falknis prägte meine Kindheit. Für mich war die Enderlinhütte ein zweites Zuhause.

Mir ist es wichtig, dass sich auch die Gäste in der Hütte zu Hause fühlen. Wenn wenig Leute da sind, verwöhne ich sie manchmal sogar mit Piccata. Auch wenn wenige Routen von der Enderlinhütte ausgehen, ist die Auslastung mit 450 Besuchern pro Jahr doch gut. Wir merken die zunehmende Beliebtheit des Bergwanderns und damit verbunden des Prättigauer Höhenweges. Zugenommen haben aber auch die Berggänger mit mangelhafter Ausrüstung. Es zeigt sich vor allem bei den Schuhen. Ich mache sie darauf aufmerksam. Entscheiden, ob sie weitergehen, müssen sie selbst.

Manchmal ist der Kontrast zwischen meinen zwei Arbeitswelten fast brutal. Am Morgen bewirtest du noch die Gäste in der Hütte, und am Nachmittag um drei Uhr stehst du bereits wieder in einer RhB-Lokomotive. Doch dort geniesse ich dann doch die Macht der Technik, das konzentrierte Arbeiten und die Landschaft. Besonders schätze ich die Runde von Landquart ins Unterengadin, durch den Albula und wieder zurück sowie den Nostalgiezug. Schlimm ist nur, wenn ein Tier oder gar ein Mensch auf die Schiene läuft. Am heikelsten ist es bezüglich des Wildes im Unterengadin und in der Chlus bei Malans.

Einmal fragte mich ein Kollege, ob sein deutscher Freund bei mir im Führerstand mitfahren dürfe. Heute ist der Berliner alljährlicher Gast in der Enderlinhütte und hilft mir beim Warten. Und alle paar Jahre, wenn ich wieder mal genug habe von Calanda und Co, gehe ich jeweils für zwei Wochen nach Berlin zu meinem «Hüttenwartsgehilfen».

Auf der Hütte schätze ich sowohl die Geselligkeit wie auch die ruhigeren Stunden. Für meine obligatorischen Prüfungen als Lokführer habe ich auf der Hütte immer am besten gelernt. Ich lese viel. Speziell angetan hat es mir die Geschichte der Walser. Ich versuche immer noch, herauszufinden, ob mein Name walserische oder romanische Wurzeln hat.

Als Hüttenwart wird man stark beansprucht, da bleibt einem nicht allzu viel Zeit für eigene Bergtouren. Ich unternehme zwar Schneeschuhtouren und Wanderungen, bin aber kein grosser Alpinist. Gipfel wie den Ringelspitz, den Calanda, die Schesaplana und natürlich den Falknis habe ich jedoch bestiegen. Ich bin aber nie für Bergtouren extra ins Berner Oberland oder ins Wallis gereist.

Bei der Bahn dauert es nicht mehr lange bis zu meiner Pensionierung, auf der Hütte hoffe ich jedoch noch auf viele gute Tage. Zudem möchte ich einmal nach Norwegen wandern gehen. Dort hast du wie im Churer Rheintal Höhendifferenzen von 2000 Metern. Du startest aber vom Meer aus. Das möchte ich einmal erleben.

SAC-Mitglieder im Porträt

35 SAC-Mitglieder wurden für Helvetia Club, das Jubiläumsbuch zum 150-Jahr-Jubiläum des SAC, fotografiert. «Die Alpen» haben sieben davon ausgewählt, um sie auch in Worten zu porträtieren.

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