«Ich sage gerne, was ich denke»
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«Ich sage gerne, was ich denke» Interview mit Françoise Jaquet, Vizepräsidentin des Zentralvorstands

Françoise Jaquet ist seit 2010 im Zentralvorstand (ZV). Die 55-jährige Freiburgerin ist Leiterin des Ressorts Bergsport & Jugend. Sie blickt auf zwei Jahre im ZV zurück und spricht über ihre Erwartungen für die Zukunft.

«Die Alpen»: Wie sind Sie in den Zentralvorstand gekommen?

Françoise Jaquet: Man hat mich gefragt, sicher nicht zuletzt, weil ich mich an den Präsidenten- oder Delegiertenversammlungen jeweils zu Wort gemeldet hatte. Ich äussere meine Meinung. Vielleicht wurde ich auch gefragt, weil ich eine Frau bin, dazu aus der Romandie und erst noch zweisprachig.

Und warum haben Sie zugesagt?

Die Romandie und die Frauen zu vertreten, ist mir eine Herzensangelegenheit. Und kritisieren ist schon recht, aber man muss sich auch engagieren, um etwas zu verändern! Man opfert zwar Zeit, aber menschlich profitiert man enorm.

In welcher Sprache verhandelt der Zentralvorstand?

Jeder spricht in seiner Sprache. Ich rede allerdings lieber deutsch, um sicherzugehen, dass man mich auch versteht. Wir sind zwei Französischsprechende, sechs weitere sind Deutschschweizer, eine Frau ist Rätoromanin.

Was hat Sie bis jetzt am meisten geprägt?

Trotz häufig unterschiedlicher Meinungen gewinnt letztlich stets die Kollegialität. Daneben ist sicher die Umwelt das Thema, das seit meinem Eintritt in den ZV am meisten Diskussionen ausgelöst hat. Zuvor kannte ich die Schwierigkeit gar nicht, in die man gerät, wenn man die Natur schützen und gleichzeitig den freien Zugang zu den Bergen gewährleisten will. Wir sind keine Umweltschutzorganisation, aber wir können nicht nach vorne schauen, ohne uns zu fragen, welche Auswirkungen die Ausübung unseres Sports hat.

Was halten Sie davon, dass die Diskussion über das Heliskiing verschoben wurde?

Als ich im ZV anfing, waren die Diskussionen um das Heliskiing schon lange im Gang. Und sie wurden sehr emotional geführt. Viele fanden, dass der SAC zu viel Energie damit verbrauchte, ausschliesslich über die Landeplätze zu reden, statt dass er vom Sport in den Bergen generell sprach. Ich denke, dass die Parteien die richtige Entscheidung getroffen haben, das Thema vorläufig beiseitezuschieben und darüber mit kühlem Kopf nachzudenken, nachdem sie die Richtlinien ausgearbeitet haben.

Welches waren in den letzten Jahren die Schwerpunkte im Ressort Bergsport & Jugend?

Es sind die Jugendprojekte, welche am meisten Raum eingenommen haben. Das Projekt Leistungsbergsteigen für die 17- bis 21-Jährigen oder die «Snowdays» zum Beispiel. Vorgesehen ist 2013 auch ein Lager für Jugendliche im Tessin. Unser Hauptziel ist es, die Jugendlichen, die heute die Qual der Wahl haben, was die sportlichen Aktivitäten betrifft, zu motivieren und sie für Umweltfragen zu sensibilisieren. Wenn sie einmal in der JO sind, packt sie häufig die Leidenschaft. Aber man muss wissen, wie man mit ihnen umgeht und sie im SAC hält. Die auf der Ebene ZV durchgeführten Projekte können den Sektionen bei dieser schwierigen Aufgabe helfen.

Der Leistungssport ist bei manchen verpönt. Wie kann er gerechtfertigt werden?

Man wirft uns vor, zu viel Geld auszugeben für so wenig Leute. Aber es ist unser Schaufenster, unser imagebildender Auftritt als Sportverband. Was die Wettkämpfe (Klettern und Skitouren) betrifft, ist es schwierig für die Sektionen, solche Veranstaltungen zu organisieren. Hier kann der Zentralverband einspringen und das Angebot der Sektionen ergänzen. Das Projekt Leistungsbergsteigen zielt in die gleiche Richtung, es erlaubt es, mithilfe von jungen Leaderfiguren die Leidenschaft an andere weiterzugeben. Es ist eine langfristige Investition.

Die 2011 publizierte Mitgliederbefragung zeigte, dass die Gegner des SAC-Engagements in Sachen Wettkampfsport jünger sind. Was schliessen Sie daraus?

Das ist richtig, diejenigen Mitglieder, die gegen den Wettkampfsport sind, waren mehrheitlich unter 50 Jahre alt. Dieses Resultat hat uns im ZV sehr erstaunt. Aber das Abstimmungsergebnis in der Präsidentenversammlung im Juni 2011 hat schliesslich gezeigt, dass eine Mehrheit der Sektionen zu den Regionalzentren steht.

Was sagen Sie dazu, dass es die Ausbildungskurse nur für Frauen ab 2013 nicht mehr geben wird?

Das Prinzip, Aktivitäten ausschliesslich für Frauen anzubieten, passt mir nicht. Ausserdem war die Nachfrage gering, deshalb wurden die Kurse auch abgeschafft. Es ist ein Armutszeugnis, wenn man die Frauen von den Männern trennt. Es geht darum, den Frauen zu zeigen, dass sie die Fähigkeit haben, mit den Männern zusammen Bergsport zu betreiben.

Wie sehen Sie die Zukunft des SAC?

Man muss in der gleichen Richtung wie bisher weitermachen. Wie das Jahr 2011 gezeigt hat, wird das Ehrenamt in der Zukunft eine der grossen Herausforderungen des SAC sein. Die Gesellschaft verändert sich, das Freizeitangebot wird immer vielfältiger, und man ist immer weniger bereit, sich Zeit zu nehmen, um sie unentgeltlich einer Vereinigung zur Verfügung zu stellen. Ausserdem wird alles immer komplexer und mehr kontrolliert, zum Beispiel die Buchhaltung muss immer professioneller geführt werden.

Was halten Sie davon, gewisse Aufgaben in den Sektionen zu professionalisieren?

Ich hoffe, dass man dies weitgehend vermeiden kann. Mit der Professionalisierung verlieren die Liebe zu den Bergen und der Kameradschaftsgeist ein wenig von ihrem Charme. Aber die Aufgaben in den grossen Sektionen werden in der Tat schwieriger. Die Frage kann sich für gewisse Funktionen stellen, wie zum Beispiel für das Sekretariat oder die Rechnungsführung.

Wie könnte man die Professionalisierung vermeiden?

Für die grossen Sektionen ist das wahrscheinlich nicht zu vermeiden. Ab einer gewissen Anzahl Mitglieder drängt sich eine professionelle Organisation auf. Gleichzeitig geht die Geselligkeit verloren. Suchen Sie ein Mitglied für eine Funktion, wenn sich die Leute nicht mehr kennen, weil es keine Geselligkeit mehr gibt! Ich habe schon in Bulletins von Sektionen Inserate gesehen, mit denen Mitarbeiter gesucht wurden. Aber die Leute ziehen es vor, wenn man sie direkt anspricht.

Vor ihrem Abschied aus dem ZV hatte Catherine Borel ihre Hoffnung ausgedrückt, dass der nächste Präsident ein Romand wäre, und wenn möglich eine Frau. Wird man auf Sie zählen können?

Die Chance besteht. Wir haben im ZV darüber gesprochen, aber noch ist nichts definitiv entschieden.

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