Mit dem Rollstuhl auf die Läntahütte
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Mit dem Rollstuhl auf die Läntahütte Zwischen Erde und Himmel

Körperbehinderten Menschen einen Ausflug in die Berge ermöglichen: Das hat sich Procap zusammen mit dem SAC und der Schweizerischen Gesellschaft für Muskelkranke zum Ziel gesetzt. Auch wenn die Ausflüge mit hohem Aufwand verbunden sind – die Freude der Körperbehinderten macht die Mühe wett, wie der Bericht eines Teilnehmers der letztjährigen Wanderung zur Läntahütte zeigt.

Auf einem wilden Bergweg im Valsertal will ich an einem der bisher heissesten Tage des Sommers zur Läntahütte wandern oder – ehrlicher gesagt – mich hin-wandern lassen. Der Traum, den ich schon seit meiner Kindheit habe, beginnt da, wo der Valser Rhein in den Zervreila-Stausee fliesst. Aber schon die Fahrt im Allradbus vom Restaurant Zervreila bis zur Staumauer ist ein Abenteuer. Kurz hinter unserem Kleinbus folgt ein Pick-up mit einem Anhänger voller Material und etlichen freiwilligen Helfern auf der Ladefläche. Würden wir hier nicht am Fusse des Zervreilahorns aussteigen, liesse dieser illustere Tross wohl eher eine Wüstensafari vermuten.

Sonja und Esther werden auf die schwereren älteren Modelle « gebettet », während Fredy, mit 81 Jahren unser ältester Berggänger, seinen weissen Stock vor seinem « Blindgang » noch einmal kurz wetzt. Als « schwerster » zu rollender Berggänger werde ich dem neusten und darum leichtesten Trekkingrollstuhl 1 zugeteilt. Dies mit der Bitte, den Prototypen quasi als Testpilot auf Herz und Nieren zu prüfen. Zwar werden mir zwei Schrauben während der beiden Wandertage direkt in die Archillessehnen drücken – sonst erfahre ich aber den neuen Rollstuhl gleich bei der ersten Fahrt über einen Felsabhang als überraschend gut gefedert. Als wir nach knapp einer Stunde Wanderfahrt auch noch herausfinden, dass sich die Rückenlehne verstellen lässt, ist meine Sitzposition für den Rest der Tour fast optimal. 1 Der Rollstuhl kann bei Procap auch direkt gemietet werden.

Es braucht eine Weile, bis ich akzeptieren kann, dass ich diese Bergtour im Nichtstun geniessen darf. Ständig greife ich links und rechts von mir ins Leere, will die Rollstuhlräder, die es am Trekkingrollstuhl gar nicht gibt, mit antreiben, um es den Begleiterinnen und Begleitern so leicht wie möglich zu machen. Jeden Stein, der sich ihnen in den Weg stellt, versuche ich in Gedanken zu umfahren oder wegzudenken. Doch immer öfter lasse ich den Blick schweifen, entdecke eine rote Blume, betrachte die steilen Felswände oder den ruppigen Abhang direkt links neben mir. Über ihn würde ich beim geringsten Fehler meiner Begleiter direkt ins quirlige Wasser des Valser Rheins rollen. Solche Fehltritte muss ich aber während der ganzen Tour nicht einen Moment befürchten, weil die Begleiter ihr Bestes geben und ich – wie selten sonst – vollstes Vertrauen in sie habe. Dann erreichen wir die Läntahütte auf 2090 Metern.

Meinen Begleitern rollt der Schweiss über die Stirn, als hätte uns der Regen schon längst eingeholt, der uns in der letzten Stunde mit seinem Donnergrollen immer wieder mal gedroht hat. Doch das richtige Berggewitter, auf das ich mich so gefreut habe, zieht vorbei. Es weiss offenbar nicht, dass ich zum ersten Mal überhaupt den Weg bis zu so einer Berghütte geschafft habe.

Ich stelle fest, dass ich fast genauso erschöpft bin wie unsere « Träger ». Das Geniessen der sich für mich neu eröffnenden Bergwelt, aber noch mehr das Mitdenken und Mithelfen in Gedanken machen wohl müde. Die Hüttenordnung sieht bereits für zehn Uhr Nachtruhe vor. Für diesmal wäre es mir sogar lieber, wenn ich mich gleich hinlegen könnte. Fredy, Simone und ich sind aber in der hinteren Essstube einquartiert, und so können unsere Betten erst nach dem Abendessen eingerichtet werden.

Der zweite Tag bricht schneller an, als mir lieb ist. Denn er bedeutet auch Aufbruch zurück in den Alltag und damit bereits wieder das Ende eines erfüllten Traumes. Der Himmel zeigt sich bedeckt wie am Abend zuvor, während ich mit etwas Wehmut zur Läntahütte zurückschaue, auf dem steilen Abstieg der ersten Etappe Richtung Zervreila-Stausee. Beim Zwischenstopp auf der Lampertschalp bestelle ich die « Meringue mit Schlagrahm ». Mit weniger Rahm, dafür aber mit einer Meringue mehr – an besonderen Tagen kann man ja ein bisschen unvernünftig sein. Und auf dem Rückweg durch die Natur und in vielen offenen Gesprächen habe ich gelernt, das Nichtstun für einmal zu geniessen.

Der Berg ruft – die Bergwelt erschliessen für Menschen mit Handicap

Auch im Sommer 2007 führt Procap Sport zusammen mit dem SAC und der Schweizerischen Gesellschaft für Muskelkranke SGMK im Rahmen des Projektes « Der Berg ruft – die Bergwelt erschliessen für Menschen mit Handicap » drei Bergtouren durch. Dabei werden pro Tour zwei bis drei körperbehinderte Teilnehmende von Begleitpersonen auf speziellen Trekkingrollstühlen zu den SAC-Hütten gerollt und getragen. Pro Tour braucht es zwischen 20 und 30 Begleitpersonen. Wer sich fit fühlt und Interesse hat, freiwillig einem körperbehinderten Menschen dieses aussergewöhnliche Erlebnis zu ermöglichen, meldet sich bitte direkt bei Procap Sport unter www.procap-sport.ch. Weitere Infos unter Tel. 062 206 88 33, sport(at)procap.ch

Tourdaten

23./24. Juni: Brisenhaus, oberhalb Beckenried bzw. Dallenwil

21./22. Juli:Länta-Hütte, Vals

1./2. Sept.:Maighels-Hütte, Oberalppass.

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