Mit Schülern auf dem Montblanc
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Mit Schülern auf dem Montblanc

Letztes Jahr setzten sich sieben Schüler einer Sekundarklasse in Tavannes ( Berner Jura ) in den Kopf, den Montblanc zu besteigen. Der Lehrer übernahm dabei die Aufgabe, Mittel und Wege zu finden, um die Schüler auf den Gipfel zu führen. Am 1O. August 2000, nach zwei Akklimatisierungstouren auf 4000 m, vielen Stunden Fussmarsch, Trainingsläu-fen und einigen Seillängen Klettern standen die Jugendlichen auf dem Dach Europas. 1

Zu wetten, dass man den Gipfel des Montblanc zusammen mit Jugendlichen im Alter von 15 Jahren erreichen würde, ist nicht einfach ein spontaner « Was wäre, wenn...»-Gedanke unter Kollegen am Stammtisch. Diese auf den ersten Blick

1 Vgl. auch die Internetseite http://www.go.to/Mont-Blanc

bestechende Idee wird mit zunehmender Umsetzung in die Realität immer komplexer. Die Berge haben ihre Regeln ( Verhältnisse am Berg, Wetter, technische Schwierigkeiten, Akklimatisierung, körperliche Verfassung ), die erwachsenen Alpinisten bewusst sind – im Gegensatz zu den Jugendlichen. Angesichts des Alters, der Unerfahrenheit, der unterschiedlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Teilnehmenden handelte es sich nicht einfach darum, die klassischen alpinen Grundregeln zu unterrichten, sondern einen neuen Zugang zum Hochgebirge zu finden. Auch der Vorwurf, ich sei auf der Suche nach Sensation, statt die Jugendlichen auf eine stillere Art an die Berge heranzuführen, wurde laut. Diese Kritik hat eine gewisse Berechtigung: Hinter « Ziel Montblanc » versteckte sich für jeden Einzelnen eine Herausforderung, die es anzunehmen galt. Für die Jugendlichen bestand dies darin, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um ein hoch gestecktes Ziel zu erreichen. Für die Verantwortlichen wiederum ging es darum, Mittel und Wege zu finden, um den Jugendlichen zu ermöglichen, die Herausforderung überhaupt anzunehmen. Für alle Beteiligten war dieses Abenteuer eine Bereicherung.

Technik und Kondition Der Montblanc gilt allgemein als relativ einfache Tour. Das stimmt, aber nur für erfahrene Alpinisten! Den Montblanc

Vom Refuge de Tête Rousse zum Refuge du Dôme du Goûter DIE ALPEN 11/2001

besteigen heisst, in guter körperlicher Verfassung und an die Höhe gewöhnt zu sein, mit Steigeisen aufsteigen und am Seil auf einem Grat gehen zu können, seinen Proviant einteilen zu können und zu wissen, wie man sich vor Wind und Kälte schützt. Es ging also darum, sich das notwendige Know-how anzueignen und zu trainieren: gehen, laufen, klettern. Biwaks und Konditionstests gehörten zu den regelmässigen Tätigkeiten im Frühling. Im Sommer tauchten wir mit einer ersten Akklimatisierungstour im Herzen der Alpen endgültig ins Abenteuer ein.

Höhenakklimatisation Die erste Etappe von Zinal zur Cabane Ar Pitetta ( 2786 m ) über den Pas du Chasseur war für Anfänger anspruchsvoll.. " " .Aber die Überschreitung zur Cabane de Tracuit ( 3256 m ) über den Col de Milon am nächsten Tag erlaubte dann eine geruhsame Anpassung an die Höhe. Bevor wir uns in der Hütte ausruhten, gingen wir noch auf den Turtmanngletscher, um das Gehen mit Steigeisen und das Überschreiten von Spalten zu üben. Im Morgengrauen des nächsten Tages nahmen wir dann die 1000 Meter Höhenunterschied zum Bishorn ( 4153 m ) in Angriff. Der Aufstieg erforderte rund drei Stunden; oberhalb von 3800 m ging es nur noch in unregelmässigem Rhythmus vorwärts. Nachdem wir das erste Ziel erreicht hatten, zogen wir erste wichtige Rückschlüsse: Trinken ist entscheidender als Essen, Kleider gegen die Kälte sind wichtiger als solche zum Wechseln usw.

Vor dem Aufstieg zum Montblanc war Anfang August eine Vorbereitungstour vorgesehen. Von Saas Fee nahmen wir die Luftseilbahn bis Plattjen und querten zur Britanniahütte ( 3030 m ), ehe wir die Steigeisen anschnallten und das Allalinhorn attackierten. Ein « müder » Angriff, wie sich zeigen sollte, denn die Anpassung an die Höhe funktionierte noch nicht gut, und die beiden Seilschaften schleppten sich nur langsam voran. Da die körperliche Verfassung der Teilnehmer zu wünschen übrig liess, gingen wir via Plattjen nach Saas Fee zurück ( zwei Stunden Marschzeit ), um nach dem kleinen Dorf Trient zu reisen, dem Startort für unser Abenteuer.

Der Countdown beginnt Am 8. August begab sich das Team « Ziel Montblanc » – zu unserer Klasse kamen drei Bergführer und ein Journalist des TSR ( Télévision de la Suisse Romande ), im Ganzen also zu zwölft – nach Les Houches.. " " .Von dort nahmen wir die Luftseilbahn, dann die Zahnradbahn nach Nid d' Aigle ( 2400 m ); von dort stiegen wir zur Cabane de la Tête Rousse ( 800 Meter Höhendifferenz ) auf. Dort übten wir das schnelle Anziehen der Steigeisen – mit Blick auf die Aiguille du Goûter, unsere nächste Etappe.

Auf dem Weg zum Refuge du Dôme du Goûter Fotos: Yves Diacon DIE ALPEN 11/2001 Endlich sieht man den Gipfel des Montblanc: Das Ziel ist nicht mehr weit! Der Sonnenaufgang gibt den Schülern jenen notwendigen Energieschub, der ihnen hilft, in Richtung Gipfel weiterzugehen.

DIE ALPEN 11/2001

Am Morgen teilte sich die Expedition in vier Seilschaften zu drei Personen, um zum Refuge du Goûter ( 3800 m ) aufzusteigen. Es herrschte eine gewisse Spannung, denn diese Etappe war die technisch schwierigste. Aber das Wetter war schön und der Schnee hart gefroren. Die Bedingungen waren ideal, um das Couloir mit dem schlechten Ruf ohne grosse Risiken durchsteigen zu können. Der Aufstieg erfolgte mit den Steigeisen und reduziertem Abstand innerhalb der Seilschaft. Am Mittag hatten alle die Hütte erreicht. Alle atmeten auf und bewunderten die Landschaft – vor allem die Spur, die in der folgenden Nacht zum Gipfel führen sollte. Letzter Halt vor dem Gipfel Am Donnerstag, 1O. August, Schlag drei Uhr morgens, machte sich die Expedition aus Tavannes in langsamem und regelmässigem Rhythmus auf den Weg. In der Dunkelheit konnten wir den langen, monotonen Hang nicht erkennen, den wir ersteigen mussten. Auf halbem Weg setzten uns Wind und Kälte ( –10° ) schwer zu, und einer der Schüler, Opfer von Krämpfen, warf im Refuge Vallot ( 4400 m ) das Handtuch. Zum Glück hob der grossartige Tagesanbruch die Moral der restlichen Gruppenmitglieder: Vor uns tauchte in den Sonnenstrahlen plötzlich der Gipfel auf. Noch zwei Stunden Gehzeit!Um 8 Uhr morgens, nach 5 Stunden Aufstieg, standen wir auf dem Dach Europas ( 4807 m ), über uns ein wolkenloser Himmel; unter uns ein grandioses Panorama; grenzenlose Freude und Erleichterung.

Eine weitgehend positive Bilanz Die Schüler konnten stolz sein: die Herausforderung, die sie sich gesetzt hatten, war bestanden. Für die Begleiter hiess es « Mission erfüllt ». Der gewählte und während mehrerer Monate begangene Weg, wie man mit Jugendlichen den Gipfel des Montblanc erreichen könnte, erwies sich als richtig und erfolgreich; wir hatten keinen Unfall zu beklagen. Einziger Wermutstropfen: Von sieben Schülern waren nur sechs auf dem Gipfel. Aber die Bilanz war trotzdem positiv, wenn man die Statistik in Rechnung stellt: Am Montblanc kehren zwischen 30 und 50% der Bergsteiger vor dem Gipfel um. a

Yves Diacon, Tavannes ( ü ) Schüler, Bergführer und der Lehrer nehmen sich Zeit, um die Leistung zu verinnerlichen, an der alle gewachsen sind.

Fo to s: Yv es Di ac on

as Montblanc-Massiv bietet sich kaum für Skitouren an. Sieht man einmal von der sakrosankten Besteigung des höchsten Gipfels der Alpen ab, so muss man sich gut überlegen,was man tut,bevor man mit Ski in dieses von abgeschlossenen und düsteren Glet-scherkesseln begrenzte Gebiet vordringt. Seine vollständige Traversierung ist ein fast aussichtsloses Unterfangen, vor allem wenn man nur über begrenzte Skitourenerfahrung oder ungenügendes Training verfügt. Eine Möglichkeit bietet die bekannte Haute Route Chamonix– Zermatt. Aber selbst da entfernt man sich so schnell als möglich von diesem Massiv. Einen guten Kompromiss stellt sicher der Dolent dar, der schöne pyramidenförmige Berg im Osten des Montblanc-Massivs, die natürliche

T E X T / F O TO S Mario Colonel, Servoz ( F )

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Foto: Mario Colonel

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