Nationales Forschungsprogramm 48. Alpen unter der Lupe
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Nationales Forschungsprogramm 48. Alpen unter der Lupe

Alpen unter der Lupe

Die Bergsteiger als ansehnliche Nut-zergruppe des Alpenraums stossen in Höhen vor, die sonst menschenleer wären. In etwas tiefer gelegenen Regionen teilen sie die Landschaft mit anderen Sportlern – und stören sich dann beispielsweise im Sommer an technischen Anlagen zur Skifahrer-beförderung, nicht aber an Nutzungsformen wie Mähwiesen der Berglandwirtschaft. Ein nationales Forschungsprogramm beschäftigt sich mit der alpinen Landschaft und ihren vielfältigen Einflüssen von innen und aussen.

Interessiert betrachten wir Bilder aus der Pionierzeit des Bergsteigens und vergleichen die damaligen Landschaften mit den heutigen. Die Änderungen sind auffällig: Wo um die Jahrhundertwende noch ein Gletscher vorstiess, ist heute eine Steinwüste; an Stelle eines kahlen Berghangs steht nun ein kräftiger Wald. Noch markanter sind die Veränderungen im Siedlungsgebiet: Aus einem kleinen, fast ausgestorbenen Bergdorf hat sich ein mondäner Tourismusort entwickelt.

NFP 48 Gesellschaft, Wirtschaft und Natur der Alpen sowie der anderen europäischen Bergregionen stehen in einem beschleunigten Wandlungsprozess. Nebst den Veränderungen als Folge der Klimaerwärmung sind vor allem die unterschiedlichen Nutzungsansprüche der Menschen für die Veränderungen verantwortlich. Doch wohin soll die Entwicklung gehen? Welche Landschaften wollen die Touristen, welche Lebensräume beanspruchen die Einheimischen? Der Schweizerische Nationalfonds startet zu diesen Fragen im Januar 2002 ein Forschungsprogramm mit dem Namen « Landschaften und Lebensräume der Alpen ». Im Winter 1999/2000 erstellte das Eidgenössische Institut für Wald, Schnee und Landschaft WSL eine Vorstudie zum aktuellen Forschungsstand und der Formulierung der relevanten Forschungs-fragen. Am 5. Oktober 2000 genehmigte dann Bundesrätin Ruth Dreifuss das nationale Forschungsprogramm mit der Nummer 48 ( NFP 48 ). Bis Anfang Januar 2001 wurden beim Schweizerischen Nationalfonds über 150 Projektskizzen eingereicht. Die hauptsächlich aus Universitätsprofessoren bestehende Lei-tungsgruppe wählte daraus rund 40 Projekte aus, die bis August 2001 ihre Forschungsideen voranzutreiben hatten. Zurzeit werden diese Projekteingaben nochmals geprüft und gefiltert. Im Januar 2002 sollen dann die ersten Forschungsprojekte gestartet werden. 1

Was bringt Alpenforschung? In der Schweiz ist das NFP 48 das erste grössere Forschungspaket, das sich der Landschaftsveränderung vor allem von der sozialwissenschaftlichen Seite nähert. In Anbetracht der künftig zu erwar-

1 Unter www.snf.ch/NFP/NFP48/Home_d.h.tml sind nebst dem aktuellen Projektstand auch Links zu den Resultaten der Vorstudie sowie zum Ausführungsplan zu finden.

Wie viele der Gebiete in den Alpen werden verganden?

Fo to s: Ar chi v Jür g M ey er DIE ALPEN 11/2001

tenden Entwicklung ist dies besonders wichtig, um rechtzeitig Weichen stellen zu können. Eine starke staatliche Subventionierung der ( Berg-)Landwirt-schaft hat bis anhin die gepflegte, landwirtschaftliche Kulturlandschaft im Schweizer Berggebiet ermöglicht. Der Vormarsch der globalisierenden Marktwirtschaft und der knappe Staatshaushalt werden diese Subventionierung wohl kaum im bisherigen Rahmen weiterführen lassen. Das bedeutet Veränderungen in der Landschaft, wobei sich die Frage nach dem Wie stellt: Sollen ganze Täler der Wildnis zurückgegeben, daneben ganze Bergketten mit Skigebieten überzogen oder an anderen Orten die idyllische Kulturlandschaft als Museum gepflegt werden?

Forschungsschwerpunkte Das NFP 48 umfasst fünf Schwerpunkte. Unter « Gesteuerte und ungesteuerte Landschaftsveränderungen » werden die Landschaftsveränderungen der letzten 50 Jahre, ihre Ursachen und die Wahrnehmung der Landschaftsentwicklung erforscht. Zum Thema « Rolle kultureller Prozesse im Wandel von Landschaft und Lebensraum » sollen kulturell vermittelte Normen und Bewertungen von Landschaft und Lebensraum und deren Wandel sowie Konflikte auf Grund verschiedener Normen und gemeinsame Zukunftsgestaltung durch kommunikative Prozesse erfasst werden. « Zielvorstellungen zur Lebensraumgestaltung und Landschaftsentwicklung » befasst sich mit dem Wandel der Zielvorstellungen der Menschen bezüglich der Lebens-raumgestaltung bis heute und erarbeitet Unterschiede auf Grund von Wohnort, Ausbildung und Betroffenheit. Darin eingeschlossen sind Zielfindungsprozesse durch aktiven Einbezug der Bevölkerung. « Bedarfsgerechte Steuerung der Entwicklung von Landschaft und Lebensraum » soll die Steuerungsmöglich-keiten auf den Ebenen Privatwirtschaft, Institutionen und Politik sowie der Abstimmung untereinander aufzeigen. Und schliesslich umfasst der Schwerpunkt « Reale und virtuelle Landschaftsgestaltung und ihre Vermittlung » dreidimensionale visuelle Darstellung der Landschaftsentwicklung, Simulationstechni-ken, Einsetzbarkeit neuer Medien bei Gestaltungsprozessen und die Auswirkungen virtueller Landschaften.

Alpine Landschaften künftig Das Nationale Forschungsprogramm 48 soll zeigen, welche Lebensräume und alpinen Landschaften sich die Schweizer und insbesondere die Bergbevölkerung wünschen und wie diese Zielvorstellungen zu erreichen sind. Den Forschern und Forscherinnen steht für ihre Arbeit ein vergleichsweise kleines Budget – 15 Millionen Franken – zur Verfügung. Der Erfolg von NFP 48 hängt aber ebenso sehr davon ab, ob die betroffene Bevölkerung – Einheimische und Gäste – als echte Partner in die Projekte eingebunden werden können. Die Praxistauglich-keit der Forschungsprojekte wird darüber entscheiden, ob die richtigen Antworten zu den brennenden Fragen in den Alpen gefunden werden. a

Jöri Schwärzel, Alpenbüro Netz GmbH, Co-Autor der Vorstudie des NFP 48 Werden wir die gepflegten alpinen Kulturlandschaften nur noch in musealen Restgebieten erhalten können – oder wollen? Ob Klosters Wie viel alpine Wildnis wollen wir? Wie können wir mit verstärkter Naturdynamik umgehen? Flüela 2000 DIE ALPEN 11/2001

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