Natur- und Umweltausbildung im SAC
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Natur- und Umweltausbildung im SAC

Im Juni 1998 fand zum ersten Mal der vom Beauftragten für den Schutz der Gebirgswelt aufgebaute Kurs « Natur und Umwelt im Gebirge » statt. Da dieser Kurs zu einem wichtigen Element der Aus- oder Weiterbildung von Tourenleitern, Bergführern und Umweltbeauftragten der Sektionen werden kann, sollen hier einige Grundlagen, Eindrücke und Schlussfolgerungen präsentiert werden.

Ein neuartiges Konzept Die Grundidee des Wochenkurses ist es, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Wissen und gleichzeitig möglichst viele Ideen, Tips und Tricks zu vermitteln, damit sie selber auf ihren Touren, Wanderungen oder Exkursionen naturkundliche und ökologische Inhalte weitergeben können.

Zentrales Thema ist die alpine Landschaft. Wie sehen, empfinden, interpretieren wir die alpinen Landschaftstypen? Wie haben sich diese entwickelt, wie hat der Mensch sie verändert, wie werden sie sich weiterentwickeln? Von diesen Fragen ausgehend, widmet sich der Kurs den natürlichen Bauelementen der alpinen Landschaft, angefangen bei den Gesteinen und Böden bis zur Vegetation. Diese natürlichen Elemente sind jedoch durch menschliche Aktivitäten beeinflusst, einerseits durch die traditionelle Berglandwirtschaft, andererseits durch moderne Nutzungen wie Energiegewinnung, Tourismus, Verkehr, Rohstoffgewinnung. Die Gestaltung und die Nutzung der alpinen Natur und Landschaft sind deshalb weitere wesentliche Kurselemente, wobei die traditionelle und die touristische Nutzung im Vordergrund stehen. Bei allen Themen werden die Kenntnisse und Kompetenzen der Teilnehmer miteinbezogen.

Voll ausgebuchter Pionierkurs Zielpublikum sind primär SAC-Lei-ter, Bergführer und Sektions-Umwelt-beauftragte, also Menschen, die aufgrund ihrer Aktivitäten und Aufgaben Wissen und Verhaltensweisen weitergeben können ( Multiplikatoren ). Die Teilnehmer des ersten Kurses bildeten eine spannende, vielfältige Mischung: Unter den 5 Frauen und 19 Männern waren 5 Touren-und 7 WanderleiterinnenAleiter, 3 Sektions-Umweltbeauftragte, 6 Bergführer und Bergführeraspiranten/-aspirantinnen und 2 weitere Interessierte - Bewohner aus dem Flachland und dem Berggebiet bunt gemischt. Zum Kursleitungsteam gehörten neben dem Autor die Biologin Sabine Joss und der Alpengeograf Markus Lüthi.

Leider fand sich keine SAC-Hütte, die von der Umgebung her den Anforderungen des Kurses entsprochen hätte. Das Ferien- und Bildungszen-trum Salecina in Maloja bildete dann einen idealen Kursrahmen.

Ein paar « Blumen » aus dem reichhaltigen Kursstrauss Die folgenden Programmpunkte illustrieren die inhaltliche und methodische Vielfalt des Kurses:

Fokussieren Beim Aufstieg gegen den Piz Lunghin hatten die Teilnehmer in Kleingruppen den Auftrag, auf einen bestimmten Aspekt der Natur speziell zu achten, Eindrücke oder auch Muster zu sammeln wie Stimmen und Spuren der Tiere, Felsen und Gesteine, Tierkot usw. Die Präsentation auf dem Gipfel verblüffte durch ihre Vielfalt: Was man auf einer einfachen Wanderung alles sehen und erfahren kann, wenn man gelernt hat, darauf zu achten! Am meisten beeindruckte die « Kotgruppe ». Sie allein präsentierte 12 verschiedene Tierarten aufgrund ihrer « duftenden Spuren » ( vgl. Abb. 1 ).

Zu Boden gehen Die Windecken-Pflanzengesell-schaft lieferte eine weitere eindrückliche Demonstration der Reichtümer, die sich beim genauen Hinschauen eröffnen. Wenn man sich hinkniet, genau und ruhig schaut, dann er- Abb. 1 Die « Kotgruppe » präsentierte nach einem nur zweistündigen Aufstieg allein 12 Tierarten anhand ihrer « duftenden Hinterlassenschaft »!

Abb. 2 Eine Windecken-Pflanzen-gesellschaft aus bodenna-her Perspektive eröffnet einen faszinierenden Mikrokosmos.

kennt man im scheinbar belanglosen Kraut, über das man normalerweise achtlos wandert, einen Mikrokosmos von grosser Vielfalt, eine faszinierende Lebensgemeinschaft kleinster Bäume, Sträucher und Gräser, die sich mit verschiedenen trickreichen Spe-zialisierungen an die extremen Stand-ortbedingungen angepasst haben ( vgl. Abb. 2 ).

Waldtag Auf der Wanderung im Bergell, von der Talsohle bis zur Waldgrenze, konnten anhand des Waldes verschiedenste Aspekte dieses wichtigen alpinen Ökosystems veranschaulicht werden: Wald als Natur- bzw. Kultur-produkt, Waldnutzung und -schütz, Waldgesetzgebung, Waldgesellschaften, Waldgrenze, Wald als Ort von Emotionen und Gefühlen. Mit einem Waldmärchen und einigen ruhigen bis wilden Waldspielen fand der Waldtag einen entspannten Abschluss.

Lupisieren « Lupisieren » wurde zum geflügelten Wort der Woche, stand es doch als Synonym für die Überraschung und die Wunderwelt, die sich mit einer simplen zehnfach vergrössernden Lupe eröffnen. Das Kennenlernen der wichtigsten Waldflechten wurde dank dieses einfachen Instruments zu einer farblichen und formlichen Erkundungsfahrt, die dem berühmten Film « Mikrokosmos » wenig nachstand ( vgl. Abb. 3 ).

Abb. 3 « Lupisieren » wurde in diesem Kurs zu einer Art Sucht. Ein Teilnehmer vertieft sich in eine Flechtenlandschaft.

Schutz der Gebirgswelt Abb. 4 Auf den Spuren einer gefährdeten Kultur: verfallendes Maiensäss bei Soglio Erarbeiten - Präsentieren - Diskutieren Am Donnerstag erhielten die Teilnehmer den Auftrag, sich in Kleingruppen anhand von vorbereiteten Dokumentationen in Aspekte des Themas Alpinismus und Umwelt einzuarbeiten, sich eine eigene Meinung zu bilden und das Thema am Nachmittag auf möglichst originelle Art und Weise zu präsentieren. Da gab es fiktive Fernsehsendungen, gespielte Hüttenbesuche, Interviews, Talk-shows - der Reichtum an Kreativität war gross. Etliche Themen wurden recht hitzig und kontrovers diskutiert, die Teilnehmer nahmen keine fertigen Meinungen, sondern Anregungen zur ( selbst-)kritischen Reflexion mit.

Unvergesslicher Vortrag und Exkursion Der freischaffende Alpengeograf Urs Frey illustrierte die vom Menschen vorgenommenen Veränderungen im alpinen Raum des Oberengadins in einem eindrücklichen Vortrag, dessen Kernstück vergleichende Kar-ten- und Landschaftsbilder von einst und heute waren. Auf einer Exkursion in der Gegend von Soglio zeigte er exemplarisch die Geschichte der landwirtschaftlichen Nutzungen und ihre heutigen Probleme ( vgl. Abb. 4 ).

Erlebnispädagogik Während des ganzen Kurses wurde versucht, einen erlebnispädagogischen Zugang zu Naturphänomenen zu schaffen. Darauf sprechen besonders Kinder und Jugendliche gut an. Auch für Erwachsene ist dies wertvoll, wenn man es schafft, bestehende Hemmungen bei sich oder den Teilnehmern abzubauen. Einen Höhepunkt dazu bildete der Ausflug in der Nacht vom Freitag auf den Samstag. Die Zeremonie der Begrüssung der Sonne - nahe zusammensitzend, mit einem Gedicht und melancholischer Flötenmusik - hatte sich denn auch als Ablauf erst im Verlauf der Woche ergeben.

Natur- und Umweltausbildung im SAC?

Bei unsern Alpenvereinsnachbarn in Deutschland und Österreich hat die Ausbildung in Natur- und Umweltthemen einen viel höheren Stellenwert als beim SAC. Es ist klar: Hauptziel der Ausbildung im SAC soll essein, alpintechnisch, psychisch und kommunikativ möglichst gut qualifizierte Leiter auszubilden. Aber auch die Natur und die Kultur, in der wir uns bewegen, sind ein wichtiges Element des Bergsports. Sie bewusst zu erleben, bereichert unsere Aktivitäten um ein Vielfaches. Sie den Jüngeren nahe zu bringen, ist eine ungemein wichtige Investition für die Zukunft. Und immer mehr müssen wir uns auch bewusst werden, dass gerade in den Alpen der Platz enger und damit unser verständnisvolles und verantwortungsbewusstes Verhalten gegenüber der Natur wichtiger wird. Dieses Verhalten erreicht man am besten dadurch, dass man die Menschen die Schönheit, Vielfalt, Komplexität und Fragilität alpiner Ökosysteme erleben und erfahren lässt. Deshalb sollte das Thema verstärkt in die gesamten Ausbildungsbemühungen des SAC integriert werden.

Ausblick Der vorgestellte Kurs soll zu einem Eckpfeiler dieser Ausbildung werden. Er wird 1999 wieder angeboten und soll ab 2000 möglichst auch in der französischsprachigen Schweiz durchgeführt werden. Denkbar sind auch entsprechende Kurse nur für Bergführer und -aspiranten oder für Hüttenwarte und Hüttenwartinnen in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Organisationen. Wochen-end-Weiterbildungskurse zu Einzel-themen wie beispielsweise eine Exkursion zum Thema Gletscher-Klima-Permafrost könnten diesen Kurs ergänzen. Analog zu den schon teilweise bestehenden Strukturen im Bereich J+S-Kurse sind der Aufbau und die Ausbildung eines Teams von Fach-leitern, die nach Bedarf Natur- und Umweltthemen in SAC-Kursen kompetent vermitteln, vorgesehen. Dadurch können thematische Blöcke innerhalb von regulären Ausbildungskursen besser und koordinierter eingebaut werden. Als weiteres wichtiges Element planen wir die Erarbeitung eines neuartigen Lehr- und Lernmittels mit themenspezifischen, gebietsspezifischen und didaktischen Modulen. Dieses Hilfsmittel, als solides Nachschlagwerk und Lehrmittel in Kursen eingesetzt, soll aber auch interessierten Leitern helfen, auf ihren Touren passende Naturoder Umweltthemen kompetent, spannend und unterhaltsam zu vermitteln.

Jürg Meyer, SAC-Beauftragter für den Schutz der Gebirgswelt

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touristischen Zutaten. Und wer sich trotz der « schmackhaften » Texte und der vielen geheimnisvollen Bilder nicht auf urschweizerische Wege begibt, hat zu Hause einen Genuss davon.

Daniel Anker, Bern

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