Nepal nach dem heissen Sommer
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Nepal nach dem heissen Sommer

Im Himalaya-Königreich Nepal machen sich seit 1996 zunehmend maoistische Rebellen bemerkbar. Ihre Aktivitäten haben sich in den letzten zwei Jahren erheblich verstärkt und radikalisiert. 1 Nach dem Königsmord vom 1. Juni und dem Regierungswechsel Ende Juli 2001 drängt sich eine generelle Situationsbeurteilung auf.

Regierungswechsel... Seit der Einführung demokratischer Strukturen im Jahre 1991 haben sich die Regierungen des Öfteren abgelöst, ein Regierungswechsel ist also in Nepal nichts Aussergewöhnliches. Am 26. Juli 2001 wurde der neue Premierminister Sher Bahadur Deuba vereidigt. Deuba, der seit längerer Zeit zur politischen Elite des Landes gehört, hat dieses Amt in den letzten Jahren schon innegehabt. Er gehört einer jüngeren Generation an und könnte deshalb mehr Schwung in den Singha Durbar, den Regierungssitz in Kathmandu, hineinbringen.

... und Königsmord Die ganze Welt hielt den Atem an, als am 1. Juni die Nachricht von einem schrecklichen Massaker im Narayanhiti-Palast in Kathmandu verbreitet wurde. Beinahe die gesamte Königsfamilie wurde kaltblütig ermordet. Nepal war während mehrerer Tage in den Schlagzeilen der Weltpresse.. " " .Viele Länder rieten deshalb ihren Bürgern ab, Nepal zu bereisen. Der Hergang dieser Tat wurde durch eine Kommission abgeklärt. Es scheint eine fami-lieninterne Fehde gewesen zu sein, eine politisch motivierte Tat kann ausgeschlossen werden. Offiziell gilt der Thronfolger Prinz Dipendra als Täter. Die sofortige Inthronisierung von König

1 Vgl. ALPEN-Beitrag « Ist Nepal noch sicher ?» in Ausgabe 2/2001, S. 16

Gyanendra Bir Bikram Shah Dev, dem jüngeren Bruder des ermordeten Königs Birendra, sicherte den Fortbestand der Monarchie und eine gewisse Kontinuität im Land.

Die Maobadi Seit 1996 sind in Nepal maoistische Rebellen, Maobadi, aktiv, die sich vornehmlich aus intellektuellen Kreisen aus Kathmandu rekrutieren. Ihr Aktionsgebiet ist der touristisch wenig besuchte Ferne Westen des Landes. Die Terroris-ten schalten dort zunächst gezielt die Hüter der Staatsgewalt aus. Polizisten werden erschossen und die Polizeiposten gesprengt und ausgebrannt. Ihre Ziele sind klar: Destabilisierung der demokratischen Regierung, Übernahme der Macht, Einführung eines sozialistischen Regimes, Umverteilung des Besitzes. Die Maobadi wollen zudem den « Stolz der Nation » wieder herstellen. Diese natio-nalistischen Tendenzen äussern sich auch in ihrem sehr aggressiven, fanatischen, intoleranten und willkürlichen Auftreten, einem Wesenszug, der den Nepali sonst völlig fremd ist.

Offenbar stehen die Maoisten in Kontakt mit dem peruanischen « Leuchtenden Pfad ». Über die restlichen Gönner, Lieferanten und Hintermänner kann nur spekuliert werden. Die Aktivisten, die in der Regel bewaffnet sind, führen ihre Operationen sehr effizient in kleinen Gruppen von vier bis sechs Personen aus.

Der Makalu wird über die Täler des Arun und Barun, wo die Maoisten nicht aktiv sind, erreicht.

Manaslu im Morgenlicht; die Umrundung dieses « schönsten Achttausenders » gilt als unbedenklich.

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Be rnh ar d Ru dolf Ba nz ha f

Stärkere maoistische Aktivitäten Die Maobadi haben in den letzten Monaten ihre Aktivitäten wesentlich verstärkt. Betroffen sind vor allem die Distrikte Rukum, Rolpa, Phyuthan, Jajarkot, Dailekh, Kalikot, Dolpa, Jumla, Mugu, Humla, Bajura, Bajhang und Baitadi. Diese liegen allesamt im Fernen Westen ( westlich des Dhaulagiri ). Die Regierung hat in den meisten dieser Distrikte keine Kontrolle mehr über das Geschehen. Im Verbund mit der Nepal Communist Party haben die Maoisten in Kathmandu oft mit Flugblättern zu Generalstreiks aufgerufen, die auch eingehalten wurden

Panzernashorn im Chitwan-Nationalpark; die Besuche der Nationalparks im Terai gelten als sicher.

Kolti im Bajura-Distrikt; hier herrschen die Maoisten.

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Be rnh ar d Ru dolf Ba nz ha f DIE ALPEN 9/2001

und damit das Leben in der Hauptstadt manchmal für mehrere Tage hintereinander vollkommen lahm legten.

Sicherheit Die Sicherheit für den Besichtigungstou-rismus in Kathmandu, Pokhara und im Terai ( Chitwan, Bardiya ) ist weitgehend gewährleistet. Die Situation soll zudem verbessert werden durch einen neuen « Public Safety Act » der Regierung, der am 18. Juni 2001 in Kraft getreten ist. Für Trekkings im Gebirge ist eher eine gewisse Vorsicht am Platz, denn die Präsenz der Regierungsgewalt ist dort traditionell schwach. Zudem ist es im Gebirge bisher zu zahlreichen Begegnungen zwischen Touristen und Maobadi gekommen. Die Rebellen verhalten sich dabei meist zuvorkommend und legen zuweilen auch die Beweggründe für ihr Handeln dar. Die meisten Maobadi sind Hochschulabsolventen und sprechen leidlich Englisch. Oft schon haben die Maobadi vom Sherpaführer einer Gruppe « Schutzgeld » verlangt, vor allem in Solukhumbu ( von wo sich die Maoisten im April 2001 überraschend zurückgezogen haben ), Dolpo und Humla. Tätliche Übergriffe auf Touristen, Entführungen und dergleichen sind aber keine bekannt. Die Maoisten betonen ihrerseits ausdrücklich, dass Fremde und fremdes Eigentum im jetzigen Stadium der Revolution nicht behelligt werden.

Wo ist Vorsicht geboten? Auf Grund der derzeitigen Lage sollte man im Moment die Ziele im Fernen Westen meiden. Es betrifft dies vor allem die Trekkingtouren um Dhorpatan, das ganze Dolpo ( obwohl dort die Maobadi lediglich Juphal und Dunai unter Kontrolle halten ), Humla in Richtung Kailas und den Rarasee. Auch für die anderen Distrikte im Fernen Westen gilt diese Warnung; sie sind aber touristisch weniger interessant und werden kaum besucht. In den oben genannten Distrikten ist man auf jeden Fall der Willkür von Fanatikern ausgeliefert und völlig auf sich selbst gestellt. Problemlose Gebiete Alle anderen Gebiete des Landes, z.B. Dhaulagiri-Rundtour, Annapurna-Rundtour, Annapurna-Heiligtum, Mustang, Gurkha Himal ( Manaslu-Um-rundung ), Ganesh Himal, Langtang, Helambu, Jugal Himal, Rolwaling, Solukhumbu, Khumbu ( Luglha, Namche, Gokyo, Everest-Basislager ), Arun und Barun ( Makalu-Basislager ), Kangchenjunga und ganz Ostnepal östlich des Arun sind weder von Aktivisten durchsetzt noch haben die anderen politischen Vorkommnisse dort ihre Spuren hinterlassen. Alle diese Gebiete kann man derzeit ohne Einschränkung bereisen, willkommen geheissen von der Freundlichkeit und der Gastfreundschaft der Nepali. Man sollte sich jedoch laufend über die Situation orientieren, da relativ kurzfristig Änderungen eintreten können. a

Bernhard Rudolf Banzhaf, Saas Fee Ein Masthatempel auf dem Weg zum Rarasee; diese Gegend sollte man im Moment besser meiden.

Töpfermarkt in Bhaktapur; das Kathmandutal ist weitgehend sicher.

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