Neues Drohnensystem weckt Hoffnungen
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Neues Drohnensystem weckt Hoffnungen Entwicklungsschritt in der Vermisstenortung

Auch bei widrigsten äusseren Bedingungen Vermisste und Verunglückte suchen und retten können: Mit einem Minihelikopter will die Rega dieses Ziel noch im laufenden Jahr erreichen. Ein Augenschein bei Testflügen in Hinterrhein.

«Es ist ein ehrgeiziges und kompliziertes Projekt. Aber es ist unser Ziel, schon bald - auch bei Nacht und Nebel, wenn keine Helikopter fliegen - vermisste Menschen finden zu können», sagt Sascha Hardegger, Programmleiter Technologie und Innovation bei der Rega. Der Mann meint es ernst mit seinem «Baby», das Drohnenteam mit Pilot Damiano Maeder und Operator Mattia Corti nicht minder.

2018 suchte die Rega beispielsweise rund 160 Mal aus der Luft nach einer vermissten Person. Einige Dutzend Mal pro Jahr muss die Rettungsflugwacht gegenwärtig wegen zu schlechter Wetterbedingungen oder Dunkelheit klein beigeben und auf bessere Such- und Rettungsbedingungen warten. Das wollen die drei Männer im roten Rega-Tenue nach über drei Jahren Aufbauzeit mit ihrer Drohne ändern. Die Testflüge an einem Herbsttag auf dem Militärgelände am San-Bernardino-Pass sollen das Projekt weiter voranbringen.

Minihelikopter mit Elektromotor

Das Briefing ist kurz, die Aufgabe schwierig: Das Auffinden von zwei Vermissten bzw. ihrer Handys in einem schlecht zugänglichen Tal. Ausser der Rega kann dieses Problem aktuell niemand mit einer Drohne lösen.

Mattia Corti setzt sich im Fond des Rega-Busses an den Computer. Die mobile Einsatzbasis gleicht einem Arbeitsplatz im Kontrollturm eines Flughafens. Damiano Maeder macht sein Fluggerät startklar. Es sieht nicht aus wie eine herkömmliche Drohne, sondern eher wie ein nicht erwachsener Helikopter. Er ist rund 17 Kilo schwer und von der Spitze bis zum Schwanz zwei Meter lang. Der Hauptrotor hat einen Durchmesser von über zwei Metern und erfordert, einmal in Bewegung, einen gebührenden Sicherheitsabstand.

Nach einem letzten Kontrollblick zwischen Maeder und Corti beginnen die Rotoren zu drehen. Das Geräusch des mit Batterien angetriebenen Elektromotors erinnert an einen Staubsauger und nähert sich mit zunehmender Drehzahl dem Geräusch eines Helikopters an. Nach der Startphase beginnt die Drohne selbstständig zu suchen. Sie fliegt das Gebiet, in dem die Vermissten vermutet werden, in einer Höhe von rund 80 Metern nach einer programmierten Suchroute ab. Signale von Navigationssatelliten weisen ihr metergenau den Weg. Ein Bodenradar bestimmt die Höhe, Hindernissen wie Kabeln weicht die Drohne dank Antikollisionssystemen selbstständig aus.

Punktgenaue Ortung

Eine Viertelstunde später kommt das moderne Suchgerät zurück und wird von Hand sanft gelandet. Drohnenpilot Damiano Maeder kümmert sich nach der Landung liebevoll um den mit modernster Technologie ausgerüsteten Vogel, als müsste man ihn für den soeben erfolgreich absolvierten Suchflug loben. «Mission erfüllt – sehr gut sogar», meldet Mattia Corti aus dem Leitfahrzeug. Die beiden Telefone wurden geortet – eines in einem 20 × 20 Meter grossen, das andere in einem 40 × 40 Meter grossen Suchfeld. Was für Laien relativ ungenau wirken mag, sei für die Suche aus der Luft «punktgenau», erklärt Sascha Hardegger. «Ist ein Opfer einmal auf einem so kleinen Feld lokalisiert, ist es für terrestrische Einsatzkräfte, zum Beispiel SAC-Retter, leichter möglich, Hilfsbedürftige aufzuspüren.» Ohne Drohnenhilfe müsste ein Gebiet von mehreren Quadratkilometern abgesucht werden.

Drohne mit Benzinmotor

Die Testflüge in Hinterrhein zeigen, dass die Hoffnungen, die Sascha Hardegger in das Drohnenprojekt setzt, berechtigt sind. Bei der Suche nach Vermissten steht ein weiterer technischer Schritt bevor. Neben der Elektrodrohne gibt es auch eine leicht lautere Version mit Benzinmotor. Beide Varianten können mit Wärmebildkameras und optischen Kameras ausgerüstet werden. Eine lernende Software an Bord der Drohne wertet die Bilder laufend aus. Findet sie ein Pixelmuster, das auf eine Person schliessen lässt, übermittelt die Drohne diese Bilder an den Operator am Boden, der sie überprüft und die Resultate an die Suchtruppe weitergeben kann.

Offene Fragen

Nach vier Stunden wird die Rega-Drohne unterhalb des Rheinwaldhorns wieder im «Hosensackhangar» verstaut. Sascha Hardegger ist zuversichtlich, dass die Rega-Drohnen – egal in welcher Ausführung – noch in diesem Jahr ihre ersten Ernstfalleinsätze leisten werden.

Bis zum Abschluss der Ausbildung von drei bis vier Drohnenteams mit je einem Operator und einem Piloten dauert es aber noch. Auch sei noch nicht klar, wer für solche Drohneneinsätze überhaupt ausgebildet werde, sagt Sascha Hardegger. Denn diese Aufgabe sei kein Vollzeit-, sondern ein Nebenjob. Gleichwohl müssen die Drohnenteams mit Kommandofahrzeug und Suchdrohne sieben Tage die Woche rund um die Uhr auf Abruf einsatzbereit sein. Gemäss Hardegger ist auch noch offen, auf welchen Rega-Basen schliesslich Drohnen stationiert und für Polizei und Rettungskräfte abrufbereit sein werden.

So oder so: Die Rega hat die Türe für ein neues Suchzeitalter aufgestossen und verfügt über technische Möglichkeiten, die es bisher sonst noch nirgendwo gibt. Hardegger ist aber überzeugt, dass es nicht mehr lange gehen wird, bis diese Suchmethode aus der Luft nichts Besonderes mehr sein wird. «Noch aber bleibt viel zu tun», sagt der Programmleiter, in dessen Stimme eine Spur Stolz mitschwingt.

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