Problemzone Hüttenzustiege. Weg vom Gletscher
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Problemzone Hüttenzustiege. Weg vom Gletscher

Problemzone Hüttenzustiege

Immer mehr Hüttenwege in hochalpinen Regionen leiden unter den Folgen des allgemeinen Gletscherschwunds. Bei den Oberaletschhüt-ten SAC wurde bereits gehandelt, anderswo stehen die Arbeiten noch an.

Ende Mai 2005. Augenschein auf einer aussergewöhnlichen Baustelle. Auf 2650 m wird trotz der wunderschönen Aussicht konzentriert gearbeitet. An Seilen hängend, bohren Sprengmeister Simon Krucker und das Team von Felsarbeits-spezialist « Suro » Löcher in eine senkrechte Zone, stopfen sie mit Gamsit- Patronen und schiessen ein so genanntes Rucksackprofil aus. Weiter vorne verschiebt Maurer Adrian Ruppen mit dem Brecheisen zentnerschwere Steinplatten, klopft Felsbrocken in die richtige Grösse und legt einen soliden, eleganten und sich harmonisch in das Geröllfeld einfügenden Plattenweg an. Peter Schwitter, Bergführer, Rettungs- und Lawinen-dienstchef der Region, Spezialist für Baustellensicherheit und nicht zuletzt Hüttenwart auf Oberaletsch, legt die genaue Trassierung fest. Er überwacht die Bauarbeiten, damit der neue Zustieg planmässig ab Anfang Juli für Wanderer und Bergsteiger offen ist.

Früher kein Problem

Von der Baustelle fällt der Blick auf den weit unten liegenden Gletscher. Kleine Punkte sind auf dem mit grobem Blockwerk bedeckten Eis auszumachen: Bergführer Peter Stucky und seine Kollegen sammeln die Markierungsstangen des alten Hüttenwegs ein. Nach über 100 Jahren hat der Zugang über den Gletscher ausgedient und wird neu angelegt. 1890 wurde am Zusammenfluss des Oberaletsch- und Beichgletschers die erste, 14-plätzige Hütte erstellt. Alte Aufnahmen belegen, dass sie sich damals nur wenige Meter über dem Gletscherniveau befand und ohne Mühe von diesem aus erreicht werden konnte. Da sich seither der Gletscher massiv abgesenkt hat, steht die Hütte heute auf einer Felsburg hoch über dem Eis – elegant und aussichtsreich, aber isoliert. Für den Fotos: Marco Volken Der exponierte Leiternaufstieg vom Gletscher zur Hütte. Wegen der Absenkung des Gletschers muss er Jahr für Jahr verlängert werden.

Die rutschige Moränenflanke, durch die der alte Zustieg zur Oberaletschhütte auf den Gletscher hinabführte Ausschnitt: LK 1:50 000 Jungfrau, Blatt 264, 640–645/138–143 Repr duzier t mit Bewilligung von swisstopo ( BA 057 156 ) nicht mehr zu benützender alter Hüttenweg neuer Hüttenweg bestehende Wege Leitern Oberaletschhütte SAC Fusshornbiwak Moräne Belalp Blatten bestehender W eg Aletschgletscher Rieder alp neuer

Panor

amaw eg alter Gletscherzustieg Schlussaufstieg zur Hütte galt es bis anhin, steile Plattenschüsse aus poliertem Granit, eingerichtet mit Leitern und Fixseilen, zu überwinden. Da sich der Gletscher um durchschnittlich 10 m pro Jahr absenkte, musste Peter Schwitter die Leitern Jahr für Jahr verlängern – im Rekordsommer 2003 gar um 16 m. Nicht wenige potenzielle Hüttenbesucher schreckten vor dem Aufstieg über die exponierten Leitern zurück und kehrten wieder um.

Neuer Wegverlauf zwingend

Doch das Hauptproblem liegt weiter vorne, wo man von der Belalp kommend auf den Gletscher wechseln muss. Im Clubführer von 1948 steht dazu: «... worauf man ohne Höhenverlust auf den Gletscher gelangt. » Auch hier hat sich das Eis stark zurückgezogen, sodass man eine steile und instabile Moränenflanke aus Sand, losem Geröll und grossen Felsbrocken hinabsteigen musste. Trotz ständigem Unterhalt war die Sicherheit nicht mehr gewährleistet. Die Besucher- und Übernachtungszahlen gingen in den letzten Jahren stark zurück, obwohl die Hütte in einem besonders spektakulären Teil des UNESCO-Weltnaturerbes Jung-frau-Aletsch-Bietschhorn liegt. Hüttenwart Peter Schwitter ergriff die Initiative und entwickelte in Zusammenarbeit mit der Besitzersektion Chasseral ein Projekt für einen neuen Hüttenzugang – und zwar ganz weg vom Gletscher. In der Südwestflanke der Fusshörner sollte ein neuer, sicherer Höhenweg entstehen.

Ein langer Weg

Von den ersten Plänen Ende 2001 bis zur Einweihung sind nun fast vier Jahre vergangen. Viel Zeit beanspruchte die Pro-jektierungs- und Bewilligungsphase. Neben der Sektion Chasseral waren die Hütten- und die Umweltkommission des SAC involviert, aber auch die Muni-zipalgemeinde Naters, die Burgergemeinde Naters als Grundeigentümerin, die Walliser Vereinigung für Wanderwege Valrando, Tourismusstellen, die Wildhut und die Umweltorganisationen Pro Natura und WWF Wallis. Und da die Gegend zu den Landschaften von nationaler Bedeutung ( Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler ) gehört, schaltete sich auch die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission ein. Deren Zustimmung wurde dadurch erleichtert, dass von den etwa drei Kilometern Neustrecke nur gut 300 Meter mehr oder weniger aufwändige Fels-arbeiten verlangten und das übrige Trassee sich unauffällig in den Berghang ein-schmiegt. Aufgrund von Erfahrungen wurde eine Interessengemeinschaft gegründet, in der möglichst alle beteiligten Kreise Einsitz nehmen. Die « IG Wanderwegver-legung Belalp-Oberaletschhütte » 1 bewährte sich insbesondere auch bei der nicht einfachen Finanzierung. 2

Auch für Familien begehbar

Nach all den Zeit raubenden Sitzungen freuen sich die Hüttenwarte Peter Schwitter und Ariane Ritz auf ihre Gäste, für die sie nur schon wegen der markant geringeren Aufwendungen für den Hüt-tenwegunterhalt mehr Zeit haben werden. Dank der neuen Routenführung haben die Hüttenbesucher beim Aufstieg zur Oberaletschhütte ständig die hochalpinen Gipfel rund ums Nesthorn und den Oberaletschgletscher im Blickfeld. Mit der neuen Trasseeführung ist der Hüttenzustieg auch für Bergwanderer und Familien begehbar. Zudem wird bald ein Geologie-Lehrpfad folgen. Für die Alpinisten sind in letzter Zeit nebst dem Normalaufstieg aufs Aletschhorn noch weitere Routen neu abgesichert worden, so am Torberg, am Distelberg, Die im Jahr 1890 unweit des Gletschers errichtete Oberaletschhütte steht heute hoch über dem inzwischen weit zurückgeschmolzenen Eisstrom. Sprengmeister Simon Krucker füllt die Bohrlöcher mit Gamsit-Patronen, um so genannte Ruck-sackprofile auszuschiessen.

Für den Plattenweg durch das Geröllfeld verschiebt Adrian Ruppen mit dem Brecheisen zentnerschwere Steinplatten und haut Felsbrocken auf die richtige Grösse zu.

Fotos: Mar co Volken an den Fusshörnern sowie am Mittel-sporn des Nesthorns. Die luftigen Leitern werden allerdings nicht verschwinden, sondern weiter von Jahr zu Jahr wachsen, denn sie dienen auch künftig als Winteraufstieg sowie dem Zugang zum Gletscher und zu den grossen Touren im Oberaletschkessel.

Der SAC ist gefordert

Der in den letzten Jahren massive Gletscherschwund im Alpenraum macht auch anderen hochalpinen Hütten zu schaffen. Bei der Trifthütte/BE wird der Gletscher neuerdings mit einer 100 m langen, spektakulären Hängebrücke umgangen – das Problem wurde damit nicht nur gelöst, sondern gar durch eine Attraktion ersetzt. 3 Im Falle der Capanna del Forno/ GR liegt das Projekt für einen neuen Weg auf. Weitere Lösungen sind für die Mon-te-Rosa-Hütte/VS und die Cabane des Vignettes/VS in Planung. Die Frage stellt sich zunehmend auch bei Winterzustie-gen, beispielsweise bei der Gaulihütte/ BE über die Obri Bächli-Licken oder bei der Cabane des Dix/VS über den Pas de Chèvre. Die Hüttenkommission hat deshalb eine Wegleitung verfasst, um solche Projekte nach einem fairen, den knappen Mitteln angepassten Rahmen zu unterstützen. Grundsätzlich beschränkt sich die Hilfe des Zentralverbands auf Hüttenzustiege, während Gipfelrouten und Verbindungswege von einer Unterstützung ausgeschlossen sind. Der SAC wird künftig stark gefordert sein, denn, so Peter Büchel, Fachleiter Hüttenbau der SAC-Hüttenkommission: « Eine Hütte ohne Zustieg ist nicht unser Ziel. Sie müsste letztlich zu einem Biwak umfunktioniert werden .» a Marco Volken, Zürich 1 Als Präsident dieser IG stellte sich der fürs örtliche Wanderwegnetz zuständige Gemeinderat von Naters, Remo Salzmann, zur Verfügung. 2 Das Vorhaben wurde mit 4000 bis 5000 Arbeitsstunden veranschlagt, die Gesamtkosten mit Fr. 400 00O.–. Ursprünglich hatte die Armee ihre Unterstützung zugesagt, was zwei Drittel des Aufwands gedeckt hätte, doch die vorgesehene Genie-truppeneinheit wurde ein Jahr zu früh aufgelöst. Ein Teil der Ausgaben wird nun von der Investi-tionshilfe für Berggebiete finanziert. Die Gemeinde Naters steuert mit Fr. 100 00O.– den grössten Ein-zelbeitrag bei, daneben beteiligen sich die Lotterie Romande, St-Imier als Standortgemeinde der Sektion Chasseral und zahlreiche private Spender an den Kosten. Die Hüttenkommission des SAC unterstützt das Vorhaben mit Fr. 50 00O.–, d.h. mit dem Höchstbetrag gemäss internen Richtlinien. 3 Vgl. ALPEN 7/2005 Hüttenwart Peter Schwitter, der auch die Trassie-rungen festlegt, bringt eine Sicherungskette an. Auf dem neuen Panoramaweg zur Oberaletschhütte mit Blick auf das Nesthorn Ein kunstvoll mit Steinplatten ausgelegtes Teilstück des Aufstiegs, darüber im Nebel eines der 13 Fusshörner

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