Raubtierspuren im Schnee
Wenn der Schnee im Frühling feucht und weich wird, steigen die Chancen, Spuren von Grossraubtieren zu sehen. Doch woran erkennt man, ob man zufällig einem Wolf oder Luchs über den Weg gelaufen ist?
Wer hat es sich nicht insgeheim schon gewünscht: einmal einem Wolf zu begegnen, einen Luchs in freier Wildbahn zu sehen. Die Chancen stehen schlecht: Die Reviere der Tiere sind gross, eine Sichtung ist ein Glücksfall.
Über den Weg laufen kann man Luchs und Wolf aber dennoch – gerade im Frühling, wenn die Tiere nicht mehr im Pulverschnee einsinken und auf einer weichen und tragenden Oberfläche ihre Spuren hinterlassen.
«Im Tiefschnee ist es oft schwierig, zu unterscheiden, ob eine Spur von einem Luchs oder einer Gämse stammt», sagt Kristina Vogt von der Forschungsstelle Kora. Sie untersucht in den Nordwestalpen anhand von Fährten das Jagdverhalten der Tiere. Mit etwas Glück könne man aber Spuren auf frisch verschneiten Forstwegen finden, die die Raubkatzen oft für längere Wanderungen benutzen. «Im Winter nimmt auch der Luchs gerne die einfacheren Wege», sagt Vogt. Sinken die Tiere nicht so stark ein, lassen sich ihre Pfotenabdrücke gut erkennen: Sie sind relativ rund, weniger länglich als bei einem Hund und zeigen keine Spuren von Krallen – wie alle Katzen ziehen die Luchse diese beim Gehen ein.
Über Felsbänder ins Nichts
Schwieriger ist es beim Wolf. «Anhand des Trittsiegels kann man Wolf und Hund kaum auseinanderhalten», sagt Vogt, «zumindest nicht als Laie.» Aufschluss gebe hier der Verlauf der Fährte. «Der Wolf geht meist schnurgerade, der Hund nicht.»
Einer Fährte im Schnee zu folgen, könne faszinierend sein, so Vogt. Ab und zu stosse man auf Spuren anderer Tiere, manchmal liessen sich sogar Jagdszenen rekonstruieren. «Vielleicht sieht man, wo das Tier geschlafen oder seine Nahrung versteckt hat, wo es einen Hasen verfolgte oder wo sein letzter Schlafplatz war.»
Ins Jagdfieber sollte man beim Fährtenlesen aber nicht verfallen. Denn gerade der Luchs ist oft an Orten unterwegs, an denen der Mensch nichts verloren hat. «Die Spuren führen manchmal über schmale Felsbänder ins Nichts», sagt sie: Einen zwei Meter hohen Felsabsatz mit ein paar Sprüngen zu überwinden, sei für die Raubkatze ein Leichtes.
Dem Tier nie folgen
Auch die Lawinengefahr im steilen Gelände interessiert die Katzen wenig: «Ein Luchs ist viel leichter als ein Mensch und belastet die Schneedecke weniger», so Vogt. An Wildruhezonen halten sich die Räuber ebenfalls nicht - für den Menschen gelten beim Verfolgen einer Fährte aber die gleichen Regeln wie auf Touren auch.
Wichtig sei, dass man die Spur immer nur zurückverfolge, also dem Tier nicht hinterhergehe, sagt Vogt. Dieses werde sonst aufgescheucht und unnötig in Stress versetzt, besonders wenn man es an der gerissenen Beute störe. Treffe man gar auf eine Bärenspur – was während der Zeit des Winterschlafs unwahrscheinlich, aber nicht ganz unmöglich sei –, liege es auch im Interesse der eigenen Sicherheit, Abstand zu halten.
Fotos gesucht
Wer vermutet, im Schnee auf eine Raubtierspur gestossen zu sein, kann diese mit einem Foto dokumentieren und der Forschungsstelle Kora zusenden. Wichtig ist es, einen Massstab, etwa eine Kreditkarte oder eine Münze, neben das Trittsiegel zu legen und neben dem Einzelabdruck auch die gesamte Spur zu fotografieren. So können die Wissenschaftler die Spur bestimmen und erhalten zusätzliche Informationen über Verbreitung und Verhalten der Tiere. Wer gar ein gerissenes Tier findet, sollte den Wildhüter verständigen.