Schweizer am Everest 1952 und 1956. Zweit- und Drittbegehung vor 50 Jahren
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Schweizer am Everest 1952 und 1956. Zweit- und Drittbegehung vor 50 Jahren

Schweizer am Everest 1952 und 1956

An der 1952 durchgeführten Schweizer Expedition zum Everest mit den besten Genfer Kletterern wurde eine Höhe von 8600 m erreicht. Vier Jahre später, im Mai 1956, standen dann aber Schweizer Alpinisten auf dem Gipfel des Everest als Zweit- und Dritt-begeher. Zudem wurde der Lhotse « fast mit links » erstbegangen.

Während die Briten zwischen den beiden Weltkriegen insgesamt siebenmal den Mount Everest von Norden her berann-ten, die Deutschen und Österreicher am Kangchenjunga und Nanga Parbat kämpften und fielen, ein italienischer Fürst und später amerikanische Bergsteiger am K2 litten, schienen sich die Schweizer mit Badile-Nordkante und Eiger-Nordostwand zufrieden zu geben. Erst 1939 schickte die Schweizerische Stiftung für Alpine Forschung SSAF dank tatkräftigem Sponsoring von Karl Weber eine kleine Expedition in den Garhwal Himalaya. Pläne für eine Mount-Everest-Expedition wurden zwar geschmiedet, wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs aber fallen gelassen.

Durch den Khumbu-Eisfall

Nach der Eroberung und Besetzung von Tibet 1949/50 war dieses Land für westliche Bergsteiger hermetisch abgeschlossen, Nepal öffnete zögernd seine Grenzen. Eine erste Erkundung der Everestregion von Süden her erfolgte von Shipton, Hillary und Ward im Herbst 1951. Dabei kletterten die Briten fast durch den gesamten Khumbu-Eisfall, wurden aber durch eine riesige Querspalte, die den Zugang zum Western Cwm sperrte, gestoppt. Im November 1951 erfolgte dann die Bewilligung für eine Schweizer Expedition zum Mount Everest. Der Genfer Kletterklub « L' Androsace » erhielt den Auftrag, den Zugang zum Everest-gipfel von Süden her « gewaltsam » zu erkunden. Unter der Führung des Arztes Edouard Wyss-Dunant reiste die Crème der Genfer Bergsteiger, einschliesslich André Roch, Gabriel Chevalley sowie Raymond Lambert, zum Everest. Der Teilnehmer der Genfer Herbstexpedition von 1952: ( v.l. ) Ernst Reiss, Tenzing Norgay, Gustave Gross, Norman Dyrenfurth, Arthur Spöhel und Gabriel Chevalley Teilnehmer der Genfer Früh- jahrsexpedition von 1952: ( v.l. ) Jean-Jacques Asper, René Dittert, Ernst Hofstetter, Gabriel Chevalley und André Roch Lambert und Tenzing 1952 im Aufstieg zum Everest auf ca. 8300 m, etwa 300 m unter ihrem Umkehrpunkt Die besonnte wuchtige Pyramide des Everest, rechts davon knapp sichtbar der Lhotse und anschliessend die feine Spitze des Nuptse. Unten links der zerrissene Khumbu-Eisbruch, über den das versteckte Gletscher-hochtal des West Cwm erreicht wird. Nachdem Jean-Jacques Asper in schwieriger Eiskletterei die abschliessende Querspalte des Khumbu-Eisbruchs bezwungen hatte, konnte das Hindernis mithilfe einer Seilbrücke überwunden werden.

Fotos: aus Jubiläumsbuch « E ver est Lhotse », A SV erlagS SAF Foto: Rober t Bösch Eisbruch wurde bis zum bekannten Hindernis bewältigt, die Spalte selbst vom jungen Jean-Jacques Asper überwunden. Dafür wurde er von seinen Kameraden in die Kluft abgeseilt, wo er nach vergeblichen Pendelbemühungen eine zerbrechliche Brücke fand, die ihn zum gegenseitigen Spaltenrand brachte. Hier arbeitete er sich am senkrechten Eis hoch, bis er schliesslich am abschliessenden Eisüberhang eingefrorene Steine als Griffe anspringend, dynamisch den Spaltenrand überwand. Über eine kühne Seilbrücke erfolgte danach der Transport von Mensch und Material über diese Spalte ins Tal des Schweigens.

Leidensweg über dem Südsattel

Die Genfer waren die ersten Menschen in diesem gewaltigen Hochtal und wühlten sich « mit Begeisterung » durch den tiefen, unberührten Pulverschnee. Sie waren überwältigt von der wilden Pracht dieses höchsten Tales, das rechts vom Nuptse, links vom Everest und am Ende des Tales von der Lhotse-Flanke, die zum Südsattel hinaufführt, gebildet wird. Sie stellten zwei weitere Lager auf, bevor sie an diese tausend Meter hohe Eiswand gelangten. Eine vom Südsattel herunterziehende Felsrippe wurde Genfer Sporn getauft, für die Kletterer war dies klar die vorgegebene Route. Der Sporn wurde mittels Belagerungstaktik erklettert und schliesslich erreichten sie, am 26. Mai, nach einem Biwak mit minimaler Ausrüstung, den Südsattel. Am 27. Mai stiegen Lambert und Tenzing sowie Aubert und Flory zum Everest-Südostgrat. Auf 8400 m wurde ein winziges Zelt aufgestellt, das weder Schlafsack, Matte noch Kocher enthielt und in dem Lambert und Tenzing eine « furchtbare Nacht » verbrachten. Sie hatten praktisch nichts zu essen und nur eine Kerze, über der sie in einer Konservendose etwas Schnee schmolzen. Sie litten unter schrecklichem Durst und grausamer Kälte, von Schlafen war keine Rede. Am nächsten Morgen stiegen sie weiter auf. Allein ihre Die Teilnehmer der Everest-Ex-pedition von 1956: sitzend ( v.l. ) Edi Leuthold, Wolfgang Diehl, Dölf Reist, dahinter Fritz Luchsinger, Albert Eggler, Hans Grimm; stehend Ernst Schmied, Jürg Marmet, Hansrudolf von Gunten und Ernst Reiss. Hinter von Gunten ( halb verdeckt ), Verbindungsoffizier Pradhan Ernst Schmied am 23. Mai 1956 im Aufstieg zum Everest an der Steilstufe knapp unterhalb des Südgipfels Der Khumbu-Eisfall ist für jede Expedition eine neue Herausforderung. Materialtransport im Gletscherlabyrinth oberhalb von Lager I Fotos: aus Jubiläumsbuch « E ver est Lhotse », A SV erlagS SAF Sauerstoffgeräte waren so unpraktisch, dass sie nur während der Ruhepausen verwendet werden konnten, sodass die beiden völlig ausgetrocknet waren. Die Beine waren « schwer wie Blei, Wollen und Denken gelähmt » – wohl kaum jemals haben Bergsteiger unter den kombinierten Effekten von Wasser- und Sauerstoffmangel so gelitten. Insgesamt gelangten sie in fünfeinhalb Stunden noch 200 m höher, dann waren alle Kräfte aufgebraucht. Zudem wurde der Sturm so wild, dass sie sich nur noch knapp nach unten retten konnten. Das Drama dieser Nacht auf 8400 m und des folgenden Aufstiegs bis unter den letzten Aufschwung des Südgipfels ist eine der eindrücklichsten Passagen der Alpinliteratur. Was Lambert und Tenzing gelitten haben, wird im bescheidenen Expeditionsbericht nur für den Eingeweihten nachvollziehbar. Auch die anderen Bergsteiger verbrachten noch Tage auf dem Südsattel, bevor sie nach unten flüchten mussten. Dazu hielt Chevalley fest: « Zum Schluss möchte ich noch unterstreichen, welche grosse Rolle die Moral beim Durchhalten dieses langen und harten Kampfes spielt. »

Die Genfer als Wegbereiter

Bereits im Herbst 1952 kehrten die Genfer an den Everest zurück. Dabei starb der Sherpa Mingma Dorge durch Eisschlag beim Aufstieg zum Genfer Sporn, worauf die Route weiter rechts in die Lhotse-Flanke verlegt wurde. Dort konnten dann auch zwei Zwischenlager aufgestellt werden. Obwohl es gelang, bis zum Südsattel vorzudringen, schlugen eisige Winterstürme und extreme Kälte die Expedition zurück.

Auf den Spuren der Schweizer eroberten dann die Briten im folgenden Jahr den höchsten Gipfel der Welt. Dabei kam mit Tom Tenzing Norgay jener Mann auf den Gipfel, der es nach insgesamt sechs Versuchen seit 1935 wohl am meisten verdiente. Sein Zufallsgefährte, der Imker Ed Hillary aus Neuseeland, erwies sich als würdiger Gipfelsieger, indem er sein künftiges Tun vor allem in die sanfte, nachhaltige Entwicklung der Sherpa-region investierte.

1956 – erfolgreiches Schweizer Himalayajahr

Die überaus erfolgreiche Schweizer Everest-Expedition von 1956 repräsen-tierte schweizerische Präzisionsarbeit, durchgeführt in militärischer Tugend und finanziert vom grosszügigen Sponsor Karl Weber, der mehr im Sinn hatte, als unter den 300 Reichsten der Schweiz aufgeführt zu werden. Der Notar und Fürsprecher Albert Eggler war ein Expeditionsleiter, der in vorderster Front tatkräftig zupackte und Lasten auch ohne Sauerstoffgerät bis auf die Höhe des Südsattels schleppte. Beim Handstreich auf den Lhotse war mit Fritz Luchsinger ein Instruktionsoffizier dabei, der sich selbst bis zur Erschöpfung peinigen konnte und der in letzter Konsequenz Jahre später am Shisha Pangma an einem Höhenlungenödem verstarb. In bestem Im Gletscherhochtal der West Cwm: im Hintergrund der Lhotse mit Lhotse-Flanke und links davon der felsige Rücken des Genfer Sporns, der zum Südsattel ( South Col ) hinaufführt Foto: Robert Bösch Alpinstil kletterten Ernst Reiss und er als Erste durch die Lhotse-Rinne, die am Schluss « unheimlich steil » war. Das Blankeis wurde mit einer Eisausrüstung geklettert, die man heute nur noch im Alpinmuseum bewundern kann. Manche der modernen Lhotse-Besteiger vermeiden denn auch heute das letzte Steilstück auf den messerscharfen Grat des vierthöchsten Berges der Welt.

Zweit- und Drittbegehung des Everest

Auch bei der Zweitbesteigung des Everest war ein Aussenseiter mit von der Partie. Jürg Marmet, der nicht dem ehrwürdigen « Akademischen Alpenclub Bern » angehörte und der wegen seines Studiums an der ETH trotz seiner Herkunft aus dem Berner Oberland als Zürcher galt, war mitgenommen worden, um die Sauerstoffversorgung der Expedition zu garantieren. Er nahm diesen Auftrag so ernst, dass er viele Stunden mit seinen Sauerstoffgeräten und seinen Kameraden in einem Kühlhaus einer Metzgerei bei –30 °C Belastungstests auf dem Velo durchführte und dabei versuchte, das Vereisen der Geräte zu verhindern. Er war dann am Berg so leistungsstark, dass er sich zusammen mit dem Berner Ernst Schmied in der Spitzenseilschaft vorfand. Es war ein ungemütlicher Zeltplatz, den die beiden auf 8400 m teilten. Schmied wurde im Zelt von Triebschnee zugeschüttet und von dem aus friedlichem Schlaf jäh geweckten Marmet ausgegraben. Am nächsten Tag kletterten der Berner und der « Zürcher » zusammen über den Hillary Step, der seit der Erstbegehung von Hillary und Tenzing drei Jahre zuvor nur noch Wind, Himmel und Wolken gesehen hatte. So dramatisch schwierig wie von Hillary beschrieben war die Kletterstelle dann nicht. Den Zweitbegehern des Everest folgten am nächsten Tag mit Hans Rudolf von Gunten und Dölf Reist noch zwei Berner, die als Drittbegeher eine zweistündige genussvolle Gipfelrast auf dem Dach der Welt zelebrierten. a Oswald Oelz, Zürich EvEv06 In Erinnerung an die Erfolge der Schweizer Everest-Lhotse-Expedition von 1956 findet am Sonntag, 3O. April 2006, im Kultur-Casino Bern das Everest Event 2006 ( EvEv06 ) statt. Dieser grosse Jubiläumsanlass steht allen offen. Das Programm wird in den ALPEN 4/2006 publiziert, Eintrittskarten zu Fr. 12.– können bereits jetzt über das Internet www.evev06.ch reserviert werden. Zu diesem Jubiläum erscheint im AS-Verlag das von der Stiftung für Alpine Forschungen SSAF herausgegebene Buch Everest Lhotse von Oswald Oelz. Dieses wird am EvEv06 zu einem Sonderpreis verkauft und ist anschliessend direkt bei der SSAF, Tel. 044 253 12 00, www.sfar-evev06.ch, im SAC-Verlag oder im Buchhandel erhältlich.

Hansruedi von Gunten, fotografiert von Dölf Reist auf dem Gipfel des Everest am 24. Mai 1956 anlässlich der Drittbesteigung Foto: aus Jubiläumsbuch « E ver est Lhotse », A SV erlagS SAF

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