Schweizer Expedition zum Everest. 50 Jahre später Gipfel erreicht
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Schweizer Expedition zum Everest. 50 Jahre später Gipfel erreicht

50 Jahre später Gipfel erreicht

Schweizer Expedition zum Everest

Donnerstag, 16. Mai 2002, 9.15 Uhr Lokalzeit: Yves Lambert und Tashi Tenzing erreichen den Gipfel des Dachs der Welt, 50 Jahre nach dem Versuch ihres Vaters bzw. Grossvaters.

Am 28. Mai 1958 gelangten der Bergführer Raymond Lambert und der Sherpa Tenzing Norgay dank einer bewundernswerten Leistung bis 200 Meter unter den Gipfel des Everest. 1 Zur Erinnerung hat der Schweizer Bergführer Stéphane Schaffter einen Film mit dem Titel « Auf den Spuren meines Vaters » 2 realisiert,

Alpine Geschichte, Kultur, Erzählungen

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Histoire, culture et littérature alpines

dessen roter Faden die Besteigung des Everest durch Raymond Lamberts Sohn Yves und Tenzing Norgays Enkel Tashi Tenzing ist.

Unter dem Schutz der Götter Die Expedition mit acht Alpinisten und fünf Sherpas verlässt Thame am 23. März 2002 in Richtung Shyangboche. Gemäss buddhistischer Tradition findet dort eine Zeremonie statt, um sich die Gunst der Götter zu sichern. In Shyangboche stösst dann der technische Leiter der Expedition, Jean Troillet, der Genf etwas später verlassen hat, per Helikopter zur Gruppe, und gleichzeitig verlässt Jean-Jacques Asper die Expedition. Diese Trennung des « Benjamins der Genfer Expedition 1952 » – heute 76-jährig – war von Anfang an geplant gewesen, berührt aber trotzdem alle. Beeindruckend ist der ausserordentlich jugendliche Geist dieses Mannes, der im Laufe seines Alpinistenlebens mehr als 1200 Touren in den Alpen unternommen hat.

Nach einem kurzen Marschtag erreicht die Gruppe Khumjung, 3850 m, wo man vom Fenster des kleinen Hotels Khumjung aus die Ama Dablam, 6814 m, betrachten kann. Tengboche wird am 28. März und Pheriche, 4250 m, am 3O. März erreicht. Noch fehlen 1000 Höhenmeter bis zum Basecamp. Es schneit.

Akklimatisation Die Zeit vom 2. bis 1O. April im Basecamp, 5300 m, dient der Akklimatisation. Der Expeditionsarzt Philippe Arvis untersucht die Teilnehmer täglich mehrmals auf Sauerstoffanteil des Blutes und Herzrhythmus. Obwohl alle im Anmarsch mehrere Kilo Körpergewicht verloren haben, sind sie in Hochform. Um das Camp I, 6000 m, zu erreichen, durchsteigt die Gruppe am 11. April den Khumbu Icefall. 1952 waren sechs Tage notwendig, um dieses Chaos von Seracs zu überwinden. Heute benötigen die Expeditionsmitglieder dafür nicht mehr als vier Stunden – dank des Einsatzes einer Gruppe von Sherpas, die im Auftrag der nepalesischen Regierung täglich an den immer wieder neu anzulegenden Routen arbeiten.

1 Vgl. ALPEN 5/2002, S. 26 ff. 2 Der Film « Sur les traces de mon père » ( Auf den Spuren meines Vaters ), Dauer 52 Min., wird ab Mitte September 2002 auf Videokassette VHS in Französisch und Englisch verfügbar sein. Preis Fr. 35.–. Bestellungen sind zu richten an Schweizer AlpenClub, Postfach, 3000 Bern 23 Die Expeditionsteilnehmer anlässlich einer buddhistischen Zeremonie, um die Götter günstig zu stimmen: ( v.r.n.l. ) Appa Sherpa, Stéphane Schaffter, zwei Sherpas, Tashi Tenzing, Yves Lambert, Jean Troillet und Philippe Arvis

Schlechte Wetterbedingungen Nachdem am 13. April das Camp II, 6500 m, erreicht worden ist, begeben sich alle wieder ins Basecamp zurück, um sich zu erholen. Am 22. April müssen die Teilnehmer Camp II verlassen, um ins Basecamp abzusteigen, weil es ohne Unterbruch schneit. Mehrere andere Expeditionen nehmen das Risiko in Kauf und bleiben oben, was sich für einen britischen Alpinisten als fatal erweist: Am 3O. April stürzt er im Abstieg von Camp III 200 Meter ab.

Bereit für das letzte Teilstück Zwischen dem 3. und 6. Mai verlassen alle Expeditionsteilnehmer das Basecamp und verteilen sich auf die verschiedenen Höhencamps, während die Sherpas die Sauerstoffflaschen auf den Südsattel, ins Camp IV, 8000 m, befördern. Im Aufstieg zu Camp III sieht man den « Genfer Sporn », den die Expeditionsteilnehmer von 1952 zu überwinden versuchten, um den Lawinenrisiken von den Abhängen des Lhotse auszuweichen. Die bedeutenden technischen Schwierigkeiten, mit denen sie sich damals auseinander setzen mussten, waren zum Teil durch die sehr schlechte Qualität des Felsens bedingt.

Die Satellitenverbindung mit den Meteorologen von Chamonix sagt ein ausgezeichnetes Wetterfenster für den 15. und 16. Mai voraus. Im Camp IV ist die Gruppe für den Aufstiegsversuch bereit. Unglücklicherweise durchkreuzt ein Schneesturm die Pläne und die Männer verzichten.

Auf dem Gipfel Am andern Tag herrscht gutes Wetter. Die Expeditionsmitglieder machen sich gegen 22 Uhr an den Aufstieg, an der Spitze Appa Sherpa, der alle Rekorde am Everest auf sich vereinigt und bis zu diesem Datum das Dach der Welt bereits zwölfmal bestiegen hat. 3 Auf Grund seiner vorzüglichen Ortskenntnisse ist man übereingekommen, dass er, ein wahrer Meister, die Route zum Gipfel eröffnen soll. Gegen 8600 m, ungefähr beim letzten Punkt, den Raymond Lambert und Tenzing Norgay 1952 erreichten, vergräbt Tashi Tenzing ein Foto der beiden Männer im Schnee. Am 16. Mai, kurz nach Sonnenaufgang, umarmen sich die Männer auf einem fast windstillen Gipfel. Ein unglaubliches Gefühl! Unbeschreiblich ist die Stille auf der Chomolungma, « auf diesem hohen Berg, den kein Vogel mehr überfliegen kann », wie die Mutter von Tenzing Norgay sagte. Appa Sherpa, der einen Wetterumsturz befürchtet, drängt die Gruppe zum Abstieg ins Camp IV. Ein heftiger Wind – mehr als 200 km/h – kommt auf, während man sich dort auf eine weitere Nacht auf 8000 m vorbereitet. Was solls! Die Seelen von Raymond Lambert und Tenzing Norgay halten Wache über dem Lager! a

Dominique Roulin, Presinge ( ü ) 3 Vgl. ALPEN 5/2002, S. 37 Blick vom Südgipfel auf den Gipfelkamm des Everest Tashi Tenzing und Yves Lambert auf dem Gipfel des Everest Fo to s:

St éph ane Sc ha fft er Fo to s: St éph ane Ma ire DIE ALPEN 7/2002

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