Sicherheit und Risiko auf Klettersteigen. Selbsteinschätzung besonders wichtig
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Sicherheit und Risiko auf Klettersteigen. Selbsteinschätzung besonders wichtig

Selbsteinschätzung besonders wichtig

Sicherheit und Risiko auf Klettersteigen

Klettersteige oder Vie Ferrate erfreuen sich einer steigenden Beliebtheit. Entsprechend hoch sind die Begehungszahlen. In der knapp 15-jährigen Geschichte des Klettersteigbooms in der Schweiz haben sich aber auch schon etliche Unfälle ereignet. Nun liegen erstmals vergleichbare Zahlen vor, die betreffend Sicherheit und Unfallrisiko einen Vergleich mit anderen Bergsportarten ermöglichen.

In der Schweiz stand man dem modernen « Klettersteigboom », der – ausgehend von den Dolomiten – nach und nach auch andere Alpenländer erfasste, lange sehr skeptisch gegenüber. Es war schliesslich der Bergführerverein Oberhasli im Berner Oberland, der im Jahre 1993 den ersten Klettersteig durch die Ausrüstung auf KlettersteigenAnseilgurt und Klettersteigbremse ( in Y-Form ) zur Selbstsicherung am StahlseilKletterhelm gegen Steinschlag und SturzverletzungenKlettersteighandschuhe oder dünne Arbeitshandschuhe als Schutz vor abstehenden Stahlseillitzenleichte Berg- oder gute Trekking- schuheevtl. Bergseil und Sicherungsmaterial für Seilsicherungkurze Schlinge mit Karabiner, in die man sich zum Ausruhen hineinhängen kannAuszug aus: Winkler, Brehm, Haltmeier: Bergsport Sommer, SAC-Verlag, Bern 2006 Gadmerflue erstellte – sicher nicht zuletzt mit der Absicht, seiner Tällihütte, die am Fusse dieser mächtigen Wandflucht steht, eine zugkräftige Attraktion zu verschaffen. Dieses Kalkül hatte einen durchschlagenden Erfolg: Der Klettersteig Tälli zieht seither jährlich rund 2000 Besucher an; rund 40 weitere Anlagen 1 führen inzwischen durch die Schweizer Felsflanken. Die Begehungszahlen sind eindrücklich: Gemäss einer Erhebung der Alpinen Rettung Schweiz im Jahre 2006 2 waren auf diesen Wegen insgesamt mehr als 35 000 Personen unterwegs. Nicht allen gelang eine Begehung, ohne einen Notfall zu erleiden.

Blockierungen überwiegen

In den letzten fünf Jahren mussten in den Schweizer Alpen und im Jura insge- Korrektes EinbindenKlettersteigbremse mit Ankerstich am Gurt befestigenkeine Knoten und freies Hängen des Seilstü-ckes der Klettersteigbremse, denn das Seilstück wird beim dynamischen Abfangen eines Sturzes durch die Bremse hindurchgezogenloses Seilstück in Beinschlaufe einklemmen, das verhindert ein Hängenbleibenbei ansteigenden Stahlseilen immer beide Karabiner einhängen. Bei einem Sturz entsteht eine ungünstige Belastung beim Ver-ankerungspunkt des Fixseils, ein einzelner Karabiner kann dabei brechen.

Aus: Bergsport Sommer, SAC-Verlag Bern 2006, S.125 Seilbrücken erhöhen die Attraktivität, aber auch die Exponiertheit wie hier am Jägihorn im Wallis.

Typische Klettersteigeinrich-tung am Jägihorn: Ein fixes Stahlseil dient zur Selbstsicherung und als Halt für die Hände, die Stahlschlaufen sind der Ersatz für fehlende Tritte.

1 In der aktuellen Klettersteigliteratur werden häufig auch alpine Routen ( Hüttenwege ) aufgenommen. Solche weisen jedoch höchstens partiell die Merkmale eines Klettersteigs auf und werden in diesem Beitrag nicht berücksichtigt. Massgebend für die Klassifizierung als Klettersteig ist insbesondere eine durchgehende Drahtseilsicherung. 2 Quelle: Erhebung von Jürg Martig, Alpine Rettung Schweiz Foto: Jürg Martig Foto: Jürg Meyer/Archiv SAC samt 95 Personen aus 17 verschiedenen Klettersteigen von der Bergrettung geborgen werden. Häufigste Ursache für einen Rettungseinsatz war eindeutig eine Blockierungssituation: Insgesamt 67 Personen oder 71% aller Betroffenen konnten sich, obwohl unverletzt, nicht mehr aus eigener Kraft fortbewegen oder sie gerieten auf dem Rückweg in unwegsames Gelände. 3 Die Zahl der Blockierungen ist auch im Vergleich zu anderen Bergsportarten deutlich höher. Im Jahre 2006 waren beispielsweise beim Bergwandern 16% und beim Klettern 37% blockiert. Total 23 Personen oder 24% aller Beteiligten verunfallten durch Sturz oder Absturz. Geschah dies gesichert am Geländerseil, erlitten die Berggänger meist nur leichte bis mittlere Verletzungen. Jene zwei Personen, die tödlich abgestürzt waren, hatten sich zum Zeitpunkt des Unfalles nicht gesichert ( vgl. Grafik oben rechts ).

Positiv zu vermerken ist, dass in den vergangenen fünf Jahren in der Schweiz auf einem Klettersteig kein Unfall als Folge einer Blitzeinwirkung bekannt geworden ist. Ganz anders in den Dolomiten: Besonders dort führen Blitzschläge praktisch jedes Jahr zu mehreren Unfällen mit zumeist sehr schwerwiegenden Folgen.

Selbsteinschätzung besonders wichtig

Vergleicht man die Anzahl der Kletter-steiggänger und die daraus resultierenden Unfallzahlen mit anderen Bergsportarten, wird bei den « Klettersteig-lern » kein erhöhtes Unfallrisiko erkennbar. Schätzungen weisen darauf hin, dass das spezifische Unfallrisiko etwas höher als beim Bergwandern ist, aber doch deutlich unter demjenigen des klassischen Felskletterns liegt. 4 So betrachtet kann man davon ausgehen, dass die vorhandenen Installationen in der Regel den Anforderungen genügen und das individuelle Sicherungsmaterial und die Lehrmeinung über dessen Anwendung ausgereift ist. Als Klettersteige im engeren Sinn gelten nur jene Anlagen, die durchgehend mit einem fixen Stahlseil gesichert sind, hier am Jägihorn.

Tyroliennes erhöhen den « Erlebniswert » einer Steiganlage. Bei unsach-gemässer Bedienung droht aber Kollisionsgefahr. Es gab bereits Aufprallunfälle am Zielort wegen zu hoher Geschwindigkeit.

Korrektes Passieren eines Ankerpunktes des Fixseils Aus: Bergsport Sommer, SAC-Verlag Bern 2006, S.125 Die Grafik zeigt alle Notfälle auf Klettersteigen, aufgeteilt nach Not-fallarten. Kollisionen sind Aufprall-unfälle bei Tyroliennes am Zielort wegen zu hoher Geschwindigkeit.

Grafik: Ueli Mosimann/zvg 3 Vergleiche auch « Bergnotfälle Schweiz », ALPEN 5/2007 4 Gemäss der standardisierten Methode, mit der man die bekannte Zahl der Verunfallten in Relation zur geschätzten Zahl der Akteure stellt Foto: Jür g Mey er/Ar chiv SA C Foto: Jürg Martig Allerdings muss aufgrund der doch sehr häufigen Blockierungssituationen vermutet werden, dass sich viele Klettersteigbegeher überschätzen und den physischen und psychischen Anforderungen nicht hinreichend gewachsen sind. Besonders Einsteiger aus dem Wanderbe-reich sollten sich zu Beginn nicht viel vornehmen, sondern die ersten Erfahrungen auf einfacheren und kürzeren Steigen sammeln.

Keine einheitliche Klassifizierung

Möglicherweise stehen hier aber viele vor dem Problem, gar nicht den passenden Klettersteig aussuchen zu können. Zwar gibt es bereits eine ganze Reihe von einschlägigen Führerwerken, doch ist in diesen weder die Auswahl noch die Bewertung einheitlich. So werden nicht nur « echte » Klettersteige mit durchgehender Dratseilsicherung, sondern auch Bergwege und alpine Routen aufgeführt und mit einer Klettersteigskala bewertet. In der französischen Schweiz gibt es keine einheitliche Bewertung, in der deutschen Schweiz setzt sich zunehmend die sogenannte « Hüsler-Skala » 5 durch, die auf einem sechsstufigen Schema beruht und ähnlich wie bei den SAC-Skalen anderer Bergsportarten sowohl das Gelände wie auch die Anforderungen spezifiziert.

Zwei Kategorien

Die heutigen Installationen lassen sich, etwas vereinfacht, in zwei Kategorien unterteilen: Die klassischen Steige folgen der natürlichen Topografie und führen häufig zu einem Gipfelziel. Die senkrechten Passagen sind meistens mit Leitern als Steighilfe ausgerüstet. Die alpintechnischen Anforderungen werden vorwiegend durch die Gesamtlänge der Route, die Exponiertheit von Einzelstellen, aber auch durch den Abstieg geprägt. Letzterer führt häufig durch alpines Gelände, woraus sich, vor allem bei schlechter Sicht, durchaus respektable Anforderungen an den Orientierungssinn stellen können – trotz den zumeist weissblauweissen Markierungen als alpine Route.

Bei der zweiten Kategorie, zuweilen auch « Sportklettersteige » genannt, wird bei der Linienführung bewusst besonders exponiertes Gelände ausgewählt. Kraft sparende Leitern sind meistens nicht vorhanden und an den senkrechten oder überhängenden Stellen wird die Fortbewegung nur durch das fixe Sicherungsseil und künstliche Tritte ermöglicht. Häufig wird die Ausgesetztheit durch besondere Schikanen ( zum Beispiel in Form von Tyroliennes ) noch zusätzlich gesteigert. Solche Anlagen sind meistens kürzer als die klassischen Steige, und die Abstiege sind in der Regel einfacher. Dafür benötigen Begeher eine ausgefeiltere Klettertechnik und mehr Armkraft.

Unterschätzte Anforderung: Je steiler der Fels, desto mehr Armkraft braucht man für das Hochsteigen auf der Leiter – viele Klettersteiggänger unterschätzen dies. Gerade ausgesetzte Passagen wie hier am Daubenhorn können für ungeübte Klettersteiggän-ger eine grosse Herausforderung darstellen.

5 Benannt nach Eugen. E. Hüsler, Klettersteiggehen. Bruckmann Basic, 2004, ISBN 978-3765438110.

Foto: Patrice Schreyer Foto: Patrice Schr ey er Sichern auf Klettersteigen* Sichern von Erwachsenen An einem Klettersteig dient das durchgehende Stahlseil zur Selbstsicherung. Bei einem Sturz in ansteigenden Passagen treten beim Aufprall auf den nächsten unteren Fixpunkt extreme Kräfte auf, weil im Unterschied zum Klettern das dynamische Seil fehlt. Normale, statische Bandschlingen, wie sie beim Klettern verwendet werden, können diese Kräfte nicht reduzieren und sind gefährlich! Deshalb nur UIAA-konforme Klettersteig-bremsen ( in Y-Form ) mit selbst verriegeln-den Klettersteigkarabinern verwenden. Mit einer Klettersteigbremse wird die Kraft beim Aufprall auf ein für Mensch und Material erträgliches Mass reduziert. Schwächere oder unerfahrene Teilnehmer sollten aber zusätzlich mit einem Bergseil gesichert werden.

Sichern von Kindern Kinder sichern sich ebenso wie Erwachsene mit der Klettersteigbremse. Weil ihnen aber noch nicht die volle Eigenverantwortung zugemutet werden kann, wird dringend empfohlen, Kinder mit einem zusätzlichen Bergseil zu sichern. Es kann auch vorkommen, dass das fixe Drahtseil für kleinere Kinder zu hoch montiert ist, sodass ein selbstständiges Steigen unmöglich wird. An solchen Stellen kann der Sichernde das am Stahlseil eingehängte Kind mit dem Bergseil zu sich ziehen.

Quelle u.a.: Bergsport Sommer, SAC-Verlag, Bern 2006

Sicherheitstipps

Gesamthaft gesehen umfassen die heute vorhandenen Steiganlagen ein sehr breites Anforderungsspektrum. Dies sowie die uneinheitliche Schwierigkeitsbewertung erschweren gerade Anfängern oder Gelegenheitsbegehern eine fundierte Planung. Ihnen sind geführte Touren anzuraten. Wer aber bereits Übung im alpinen Gelände und im Umgang mit Sicherungsmaterial besitzt, kann sich durchaus an eine selbstständige Planung machen – eine massvolle Selbsteinschätzung vorausgesetzt. a Ueli Mosmann, Arbeitsgruppe Notfallstatistik SAC Auch Klettersteiggehen will gelernt sein, so erfordern zum Beispiel senkrechte Passagen eine effiziente Gehtechnik. Sonst ermüden die Arme rasch.

Kinder im Steilgelände: Beim Klettersteiggehen mit Kindern ist die zusätzliche Sicherung mit einem Bergseil dringend empfohlen.

Korrekt einen Fixpunkt passieren: Zuerst einen Karabiner umhängen...... und dann den anderen nachnehmen. So bleibt man immer gesichert.

Foto: Jür g Mey er/Ar chiv SA C Foto: Jür g Mey er/Ar chiv SA C Foto: Ueli Mosimann Foto: Ueli Mosimann

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