«So ein Kletterlager ist cool» Wenn Bergbuben auf Stadtkinder treffen
Die Verbandsoberen debattieren in Pontresina über die Zukunft des Bergsports. Die Zukunft des Bergsports, die Mitglieder der JO, zieht es gleichzeitig ins Base Camp im Tessin. Zum Klettern in Arcegno und Ponte Brolla.
Campo Pestalozzi, Arcegno. Die Bungalows mit den Massenlagern und Doppelzimmern ducken sich zwischen riesigen Kastanienbäumen. Sanfte Hügel, sattes Grün. «Klick», schnappt der Schäkel, eine Sekunde, zwei Sekunden … Dann reisst es Claudio in die Luft, sein Rücken biegt sich durch, fünf, sechs Meter weiter oben verschwindet er kopfüber im Laub des Baumes. Die Mischung aus Adrenalin und Begeisterung fährt ihm in die Knochen. «Geil», schreit Claudio und reibt sich die Stelle, wo der Klettergurt die Haut aufgeschürft hat. Sturztraining für Fortgeschrittene.
Bergsteiger und Stadtkids
Jugendlich sind die Mitglieder der JO der Sektion Tödi nicht mehr, die Schulzeit liegt hinter ihnen. Sie klettern einen Sechser onsight und gehen regelmässig in die Berge. Auch hier im Lager verlassen sie das Campo Pestalozzi am Morgen und kehren abends erst kurz vor dem Znacht zurück. Claudio, Ueli, Dominique, Gina und Joan sind SAC-Bergsteigernachwuchs mit Spass an der Sache. Ihr Bergführer Sämi Lenzinger ist eher Coach als Führer. Sie bilden das eine Ende der sozialen Klammer, den das Base Camp schafft, sie sind die Bergler.
Am anderen Ende stehen die Teenager aus der Stadt. Nele (14) etwa, die seit sechs Jahren klettert, meistens in der Halle und nur wenig draussen, wie sie sagt. Oder Loris (13), ein Klettertalent, auf das man aufpassen muss. Weil er vergisst, dass er sichert, wenn ihn der Hunger packt. Für Christian Frischknecht, Bereichsleiter Bergsport und Jugend, ist das eine Herausforderung, «da muss man auch mal bestimmter werden, wenn die Jugendlichen ihre Verantwortung auf die leichte Schulter nehmen». Wenn sie aber begriffen haben, was sichern heisst, «haben sie eine wichtige Lektion fürs Leben gelernt», sagt Frischknecht.
Abkommen mit der Leiterin
Der eigentliche Held hier im Camp ist Miral (13). Er ist supertalentiert, wenn es um die Spiele auf seinem Handy geht. Immer wieder ist das Teil in seinen Fingern, darum hat er ein «Abkommen» mit Barbara, einer der Betreuerinnen, geschlossen: «Ich passe jeweils bis zum Abend auf sein Handy auf», sagt sie. Sonst verliert Miral den Kampf, «und das weiss er auch».
Miral ist zum zweiten Mal in einem Kletterlager. «Mein Ziel ist, in jedem Lager einen Grad schwieriger zu klettern. Jetzt klettere ich einen Vierer.» Barbara, die sich intensiv um Miral kümmert, sagt: «Er hat enorme Fortschritte gemacht, er ist eine 4b im Vorstieg geklettert.» Am zweiten Tag sei er mit den Älteren klettern gegangen, «nicht mehr mit den Kleinen». Das habe Miral extrem stolz gemacht, sagt Barbara.
Miral ist in der Route am vermeintlichen Ende der Welt angekommen. Der Auflieger für die Linke ist verflixt klein, die andere Hand muss weiter greifen. Und auch die Waden tun langsam weh, wenn sein Gewicht auf den Füssen lastet. Aber Miral wächst über sich hinaus. Der Kopf hat die Angst besiegt. Er klettert weiter. Und das wird belohnt. Stolz lacht er in die Kamera. «Das Kletterlager ist cool», sagt er.
Ein neues SAC-Netzwerk
«Die Jugendlichen lernen, dass sie etwas erreichen können», bringt Christian Frischknecht den eigentlich banalen Effekt des Kletterns auf den Punkt. «Es gibt eine riesige Differenz zwischen der realen und der gefühlten Gefahr», passieren könne nichts. Aber genau diese Erfahrung, «die Angst zu überwinden», bringe die Jungen weiter.
Mit dem Base Camp bietet der Zentralverband den Jungen eine Plattform, um sich zu vernetzen. «Die Betreuerinnen und Betreuer aus den Sektionen, aber auch die Jugendlichen kommen sich hier näher», sagt der Bereichsleiter Bergsport und Jugend. «Hier klettern Kids miteinander, die sich sonst nie kennenlernen würden.» Darum wäre es aus seiner Sicht «super, wenn das Lager in gewissem Rhythmus stattfinden würde».