Umweltaspekte beim Erschliessen und Sanieren. Wem gehören Kletterfelsen?
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Umweltaspekte beim Erschliessen und Sanieren. Wem gehören Kletterfelsen?

Umweltaspekte beim Erschliessen und Sanieren

Schutzgebietsregelungen und Grundeigentumsrechte sind eine vertrackte Sache. Wer Kletterrouten eröffnen möchte, sollte sich rechtzeitig darüber informieren, was erlaubt und was verboten ist, die notwendigen Kontakte schaffen und die grundsätzlichen Regeln einhalten.

Wer früher Kletterrouten erschloss, handelte nach der Devise: kam, sah und bohrte. Heute müssen Erschliesser und Sanierer den wichtigen Aspekt « abklären » zwischen sehen und bohren schalten. Nur wer so in Eigenverantwortung handelt, leistet damit seinen Beitrag zur Konfliktvermeidung, der zwingend zum Erschliessen/Sanieren gehört. Zwei Beispiele Zwei enthusiastische Kletterer sanieren an einer voralpinen Felswand eine alte Technoroute und eröffnen dazu eine neue Sportkletterroute.. " " .Voller Freude lassen sie ihre Tat in der Regionalzeitung publizieren. Sie sind sich nicht bewusst, dass ihre Wand in einem eidgenössischen Wildschutzgebiet liegt und zudem einen traditionellen Adlerhorst beherbergt. Die Naturschutzbehörden reagieren erstaunt bis verärgert. Der rege Telefon-und Mailverkehr mündet schliesslich in einen « runden Tisch » mit allen Beteiligten. Sowohl die Erschliesser als auch die Naturschutzbehörden zeigen viel Verständnis für die andere Seite, weshalb bereits nach dem ersten Gespräch eine Lösung mit einer saisonalen Einschränkung gefunden wird – eine Win-win-Situation für Kletterer und Natur. Ein neues, viel versprechendes Klettergebiet in der voralpinen Kulturland-zone wird erschlossen und erreicht schnell grössere Beliebtheit mit den bekannten Folgen: wildes Parkieren, niedergetrampelte Wiesen, Fäkalien. Der Grundbesitzer ist verärgert und will das Klettern verbieten. Erst sorgfältige Verhandlungen durch lokale Kletterexpo-nenten und dem Erschliesser können die Situation bereinigen. Durch entsprechende Information werden die Kletterer auf die Einhaltung der Regeln sensibilisiert, und die Situation beruhigt sich. Diese Beispiele zeigen das Konfliktpotenzial von Natursportlern: Schutzge-

Kletterfelsen können Kreu-zungspunkte verschiedener Interessen und Bedürfnisse sein. Sie bergen damit auch ein gewisses Konfliktpotenzial ( Elsigen, Berner Oberland ).

Tiefer gelegene Mittelgebirgs-felsen sind meistens auch wertvolle Biotope für seltene oder endemische Pflanzen und Tiere ( Basler Jura ).

Fo to :J ür g M ey er Foto: Markus Ruff DIE ALPEN 11/2004

bietsregelung und Grundbesitzrechte. Dazu könnten in den meisten Fällen Ärger vermieden und einvernehmliche Lösungen mit geringerem Aufwand gefunden werden, wenn Erschliesser und Sanierer beim Planen die notwendigen Abklärungen treffen und sich bei den zuständigen Stellen über die Situation informieren. Es kann natürlich Fälle geben, in denen ein Nachfragen zu einem Nein führt, aber die Erfahrung zeigt, dass dies in der Schweiz die Ausnahme ist. Der Schaden für das Image der Kletterei beim Nichtnachfragen ist jedenfalls wesentlich grösser!

Komplexe Grundbesitzregelungen Grundsätzlich gibt es in der Schweiz kein Privateigentum von nicht kulturfähigem Land wie Felsen, Schutthalden und Gletschern. Aber keine Regel ohne Ausnahmen: Diese so genannten « herrenlosen und öffentlichen Sachen » stehen unter der Hoheit der Kantone, die darüber bestimmen können, ob und unter welchen Bedingungen Privatbesitz möglich ist. Die vielen tiefer gelegenen Klettergebiete im Wald werden diesem zugerechnet – und Wald hat immer einen klar definierten Besitzer.

In der Schweiz können Landbesitzer nicht frei über ihren Boden verfügen. Einerseits gibt es Regelungen über das freie Betretungsrecht und andererseits Auflagen über den Schutz von Natur und Landschaft. Dies gilt insbesondere für den Wald, für den das freie Betretungsrecht von Wald und Weide garantiert ist. 1 Aber eben auch nur grundsätzlich, denn verschiedene weitere Regelungen können dieses freie Betretungsrecht beeinflussen. Entscheidend sind auch hier die kantonalen Gesetzgebungen. Konflikte mit Grundbesitzern gibt es bei uns praktisch nur in den tiefer gelegenen Sportklettergebieten von Jura, Mittelland ( mit sehr wenig Klettergebieten ) und Voralpen.

Ebenso komplex: Schutzgebietsregelungen Auch die Schutzgebietsgesetzgebung in der Schweiz ist komplex und kann in diesem Artikel nicht detailliert abgehandelt werden. 2 Wichtig zu wissen ist, dass eine Vielzahl von Schutzgebietstypen 3

auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene mit je eigener Gesetzgebung – Verordnung oder Erlass – und definierten Schutzbestimmungen existiert. Sämtliche nationalen Inventare und Schutzgebiete sind heute auf der Internetseite www.ecogis.ch auf Kartenbasis publiziert und für alle zugänglich. Die Informationen über kantonale und kommunale Schutzgebiete sind bisher nur auf direkte Anfrage bei den zuständigen Stellen erhältlich.

Für Felserschliesser und Routensanierer sind nur einige dieser Schutzgebietstypen relevant. In deren Verordnungen kommt das explizite Verbot des Kletterns bzw. des Erschliessens von Kletterrouten nur selten vor, was aber noch nichts bedeutet. Liegt beispielsweise der Einstieg einer Kletterroute weit vom nächsten Weg entfernt und führt der Zustieg über wegloses Gelände in einem eidg. Jagd-banngebietWildschutzgebiete ), wo das Verlassen der Wege verboten ist, gibt es ein Problem.

Erhöhtes Konfliktpotenzial Verschiedene Faktoren führen zum erhöhten Konfliktpotenzial zwischen klet-tersportlichen Nutzungsansprüchen und Grundbesitzern einerseits und Natur-schutzanliegen andererseits. Von Seiten der Kletterei sind dies die Entwicklung in Richtung Breitensport, starke Neuer-schliessungsaktivitäten und breite Publikation, das Aufkommen anderer Natur-und Trendsportarten, generell mehr Freizeit, mehr Sportler, räumliche und zeitliche Ausdehnung der Aktivitäten und nicht zuletzt eine nachlassende Sensibilität für Natur, Abfall, Fahrverbote usw.

Was den Naturschutz betrifft, so werden Naturschutzplanungen in den Kantonen vermehrt umgesetzt. Zudem führt

1 Geregelt ist dies im Artikel 699 des ZGB. 2 Mehr Informationen dazu finden sich in der vom SAC-Ressort Umwelt 2003 publizierten Lei-terbroschüre « Bergsport und Umwelt » oder auf direkte Anfrage bei der SAC-Geschäftsstelle. 3 Es existieren u.a. Landschafts-, Natur-, Wild-, Biotop- und Waldschutzgebiete. Es gibt Schutzgebiete auf nationaler Ebene, die so genannten nationalen Inventare, sowie die eidg. Jagdbanngebiete. Dazu kommen Schutzgebiete auf kantonaler und kommunaler Ebene.

Beim Erschliessen und Sanieren im heutigen Stil mit Bohrmaschinen sind vorgängig die notwendigen Abklärungen zu treffen ( Berner Oberland ).

Felsen werden nicht nur von Kletterern begehrt.

Foto: Claude Morerod Foto: Jürg von Känel DIE ALPEN 11/2004 Auf dem Weg zum Klettergebiet « Eldorado » ( Grimsel, Berner Oberland )

die Waldentwicklungsplanung nach neuem Waldgesetz zu mehr Waldreservaten. Gleichzeitig nimmt die Artenvielfalt in der Schweiz allgemein nach wie vor ab, weshalb der Druck von Freizeitaktivitäten gerade auf wertvolle und sensible Biotope wie Gewässer und Flüsse, Wildeinstandsgebiete und Mittelgebirgs-felsen den Verantwortlichen zunehmend Sorge bereitet.

Heute müssen Erschliesser von Kletterrouten und -gebieten ihre Pläne nicht nur eigenverantwortlich mit Anliegen von Naturschutz und Grundbesitz in Einklang bringen, sie werden auch viel kritischer beobachtet als früher.. " " .Wer beim Erschliessen und Sanieren im Dialog, transparent und eigenverantwortlich vorgeht, leistet einen Beitrag zur Image-pflege und zur langfristigen Sicherung aller Natursportarten!

Naturschutztipps für Erschliesser und Sanierer 4

Bereits bei der Planung sollten folgende Fragen beantwortet werden können: Liegt der Fels in einem rechtlich ausgewiesenen und relevanten Schutzgebiet oder führt der Zustieg durch ein solches? Steht der Fels auf privatem Grund und Boden bzw. führt der Zustieg über Privatbesitz? Nisten im Fels oder seiner näheren Umgebung bestimmte Vögel? Gibt es am Fels, beim Einstieg, auf den Felsköpfen oder auf dem Zustieg schützenswerte Pflanzen und Tiere, die durch Kletterer geschädigt werden können? Was bedeuten die Antworten auf diese Fragen für mein Projekt?

Für die seriöse Beantwortung dieser Fragen muss man sich von zuständigen Fachpersonen beraten lassen. Informationen über die Grundbesitzverhältnisse sowie über die rechtlich ausgewiesenen Schutzgebiete und deren Grenzverläufe erhält man auf der Gemeinde, auf deren Gebiet sich der Fels befindet. Für Informationen über die Störung von Tieren und Pflanzen kann man sich beispielsweise an den regionalen Wildhüter wenden. 5

Wird eine der obigen Fragen mit Ja beantwortet, bedeutet dies noch lange nicht das Aus für das Erschliessungs-bzw. Sanierungsprojekt. Im Gespräch mit Fachleuten können Möglichkeiten, Kompromisse und Varianten diskutiert werden: zeitliche Sperrungen/Verzichte beispielsweise während der Brutzeit bestimmter Vögel, Verzicht auf den Ausstieg, da Felsköpfe häufig sehr sensible Zonen sind, Verzicht auf einen bestimmten Sektor, weil nur dort Vögel brüten, Verzicht auf breite Publikation oder die Errichtung von Erosionsschutz und Zu-stiegspfad.

Dank unserer Gesetzgebung und vor allem auch dank unserer Mentalität der Toleranz sowie der Diskussions- und Kompromissbereitschaft gibt es Möglichkeiten für die Nutzung der Felsen für Kletterrouten – wenn die wichtigsten Regeln beachtet werden. a

Jürg Meyer, Umweltbeauftragter Markus Ruff, Assistent Sport und Umwelt 4 Eine vom Zentralvorstand eingesetzte interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat die Haltung des SAC zum Thema « Erschliessen und Sanieren » erarbeitet. Ihre Leitsätze wurden an der AV 2004 vorgestellt. Darüber und über das weitere Vorgehen des SAC-Zentralverbandes wird in einer späteren ALPEN-Ausgabe informiert. 5 Das Team des Ressorts Umwelt der SAC-Geschäftsstelle berät Sie gerne, Tel. 031 370 18 18 oder E-Mail natur(at)sac-cas.ch Fo to :Ma rk us Ru ff DIE ALPEN 11/2004

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