UNESCO-Welterbe-Gebiet Aletsch?
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UNESCO-Welterbe-Gebiet Aletsch?

Soll eine der grössten und zugleich grossartigsten Gletscherlandschaften im Gebiet Jung-frau/Aletsch zum UNESCO-Welt-erbeobjekt erklärt werden? Auf den ersten Blick sicher eine un-terstützenswerte Initiative.

Beim näheren Hinsehen stellt sich allerdings ein Reihe von Fragen: Was soll geschützt werden? Genügt der bestehende Schutz durch das BLN? Was geschieht mit der bestehenden Kulturlandschaft? Wollen die Anliegerge-meinden einen verbindlichen Schutz oder einfach ein Gratis-Gütesiegel für neue Skigebiete? Der Geschäftsführer der SL ( Schweiz. Stiftung für Landschaftsschutz ) geht auf diese Fragen ein.1 Das BLN schützt nicht vor Land-schaftsentwertung Seit 1977 besteht ein Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung ( BLN).2 Die seither aufgenommenen 161 Inventarobjekte betreffen « wenig veränderte und vorwiegend in naturnaher Weise genutzte Landschaften » ( so der Erläuterungs-text 1977 ). Der Bund ist bei Erfüllung seiner Aufgaben ( dazu gehören die bundeseigenen Bauten und Anlagen, diejenigen der Armee und der SBB, zudem die bundesrechtlich geregelten Konzessionen und Bewilligungen etwa für Seilbahnen, Hochspannungsleitungen, Rodungen oder Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen sowie der Bereich der Bundessubventionen ) verpflichtet, diese Inventarobjekte ungeschmälert zu erhalten. Von diesem Gebot kann dann abgewichen werden, wenn Nut-zungsabsichten von gleich- oder hö-herwertigem öffentlichem Interesse den Schutzinteressen gegenüberstehen. Dennoch bedeutet der Terminus 1 Einleitung von Jürg Meyer, SAC-Beauftragter für den Schutz der Gebirgswelt 2 Der SAC war an der Erarbeitung des BLN-In-ventares in den sechziger Jahren massgeblich beteiligt.

« ungeschmälerte Erhaltung » gemäss Erläuterung zum BLN, dass der natur-und heimatschützerische Wert eines Objektes gesamthaft betrachtet nicht verschlechtert werden soll.

Schutzwirkung « ohne Saft »?

Bedeutung und Grenzen des BLN-Status Seit einiger Zeit lässt sich feststellen, dass der gesetzliche Schutzstatus offensichtlich nicht genügt, um den landschaftlichen Wert der Inventarobjekte zu erhalten. Verarmung der Artenvielfalt und Verlust der landschaftlichen Attraktivität sowie eine definitive Zerstörung der geomorphologischen Landschaftsform ( durch Deponien, Materialabbau u.a. ) finden in diesen als höchst schützenswert erachteten « Kalender-Land-schaften » ebenso statt wie an andern Orten. Da der Schutz der BLN-Gebie-te nur bei Erfüllung von Bundesaufgaben greift, dort aber der Interessenabwägung unterliegt, sind die Kantone und Gemeinden in ihrem eigenen Entscheidungsbereich nicht direkt verpflichtet, das BLN zu berücksichtigen. Damit ist praktisch der ganze Raumplanungsbereich ( ausser dem Bereich des Bauens ausserhalb der Bauzone ) der BLN-Schutzwirkung entzogen.

Zur Situation in den Berner Alpen Obige Ausführungen gelten auch für das 1983 als « grossartige Hochalpenlandschaft » ins BLN aufgenommene Objekt « Berner Hochalpen und Aletsch-Bietschhorn-Gebiet ». Dort werden zur Zeit das Rosenhorn in Grindelwald BE, der Hockenhorngrat in Wiler VS ( direkt an der BLN-Gren-ze ), das Gletschergebiet am Wildstrubel in Adelboden BE und das weltberühmte Aletschgletschergebiet ( Bahnprojekte Belalp-Riederfurka, Bettmeralp-Nordhang des Aletschgletschers und Erschliessung Märjelensee !) auf dem Reissbrett der Tou-rismusplaner vereinnahmt.

Pikanterweise soll aber das Jung-frau-Aletsch-Gebiet ( nicht aber seine ebenfalls geschützte Umgebung ) als Welterbeobjekt der UNESCO vorgeschlagen werden, wohl um die Landschaft dann gänzlich touristisch vermarkten zu können.

Welterbeliste der UNESCO Die UNESCO-Liste der Weltkultur-und -naturgüter basiert auf der internationalen Konvention zum Schutz des Weltnatur- und Weltkulturerbes Die Suone « Niwärch » oberhalb Ausserberg ( VS ) als frühes Zeugnis menschlicher Landschaftsgestaltung von 1972. Diese ging von der Frage aus, wie der Schutz von weltweit aussergewöhnlichen Natur- und Kultur-denkmälern wie Abu Simbel, der Chinesischen Mauer oder der Everglades auf effiziente Weise gesichert werden kann. Die in der Zwischenzeit von 152 Staaten unterzeichnete Konvention gilt heute als das weltweit erfolgreichste gesetzliche Instrument im Schutzbereich. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, den Schutz der in der Liste aufgeführten Stätten zu gewährleisten sowie dessen Überwa- chung und die Information sicherzustellen. Zur Zeit befinden sich 552 Welterbeobjekte - davon drei aus der Schweiz3 - auf der Liste.

Eine alpine Kulturlandschaft als Welterbeobjekt!

Bisherige Kriterien Bis in jüngste Zeit erfolgte die Auswahl der Objekte für die Welt-erbe-Liste weitgehend aufgrund eines sehr exklusiven Kultur- und Naturverständnisses. Die Weltkulturgüter sollten möglichst von ihrem heutigen kulturellen Umfeld abgetrennt und die Naturobjekte von Menschenhand unberührt sein. Diese Magisches Wolkenspiel über dem Konkordiaplatz: Das Aletschgebiet ist zweifellos würdigster Kandidat für das erste UNESCO-Welt-erbe der Alpen!

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Die beeindruckende Nordseite des geplanten Welterbegebiets: Praktisch übergangslos erhebt sich die Hochgebirgsmauer der Berner Alpen aus der lieblichen und kleinräumigen alpinen Kulturlandschaft -eine einmalige Topografie!

Strategie hatte durchaus ihre Berechtigung. Allerdings fallen damit die traditionellen Kulturlandschaften, die ausserordentliche Kulturleistun-gen des Menschen aufweisen und zumindest in Europa mitunter über eine höhere Artenvielfalt verfügen als sich selbst überlassene Naturgebiete, durch das Netz unserer Schutzbemühungen. Mit diesem konservativen Ansatz konnten bisher nur rund 8% der europäischen Landfläche erfasst werden ( Naturreservate, Nationalparks, Naturdenkmäler, Arten-schutzreservate und Biodiversitätsge-biete ). Erst 1992 wurde der Einbezug von Kulturlandschaften in die Welt-erbe-Liste beschlossen.

Zielsetzungen beim Weltnaturerbe-projekt Jungfrau-Aletsch-Gebiet Zur Zeit wird unter Federführung des BUWAL4 ein Weltnaturerbe- 3 Die drei in der Schweiz bestehenden Weltkulturgüter sind das Kloster St. Johann in Müstair, die Altstadt von Bern und der Stiftsbezirk St. Gallen 4 BUWAL: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft Schutz der Gebirgswelt objekt im Jungfrau-Aletsch-Gebiet geortet. Dieses soll - ausgehend von | der Initiative eines Wengener Hote-2 liers- nur gerade den zentralen = Aletschgletscherbereich bis zum - Langgletscher von Blatten/Lötschen-„ tal und der Eiger/Mönch/Jungfrau-ö kette enthalten. Aus dem bestehen-^m den BLN-Objekt ausgeklammert wur-44 den das Wetterhornmassiv, die Aaregletscher und das Bietschhorn mit seinen Südtälern. Gleichzeitig war zu erfahren, dass keine zusätzlichen Bedingungen ausser dem bestehenden ( aber ungenügenden ) BLN-Schutz für das künftige Welterbeobjekt nötig seien.

Grimselverein lanciert Erweiterung gegen Osten Im vergangenen Mai gelangte der Grimselverein, der sich seit seiner Gründung im Rahmen der gewaltigen Ausbaupläne für « Grimsel West » engagiert und fantasievoll für die alpine Landschaft einsetzt, mit dem Antrag an den Bundesrat, auch das Gebiet der Aaregletscher mit in den Perimeter eines UNESCO-Schutzge-bietes einzubeziehen. Diese fantastische hochalpine Gletscherlandschaft ist ebenfalls im BLN-Inventar enthalten, umfasst das grösste bernische Naturschutzgebiet und ist im kantonalen Richtplan als besonders schützenswertes Hochalpen- und Land-schaftsschutzgebiet bezeichnet. Fast noch wichtiger ist in diesem Ur- sprungsgebiet der Aare die kultur-und wissenschaftshistorische Dimension: Für Künstler und Wissenschaftler war und ist diese Region von grosser Bedeutung5, für letztere vor allem im Zusammenhang mit der Gletscher-und Eiszeitforschung.

Alpentypische Verzahnung von Kultur- und Naturlandschaft Zwingender Einbezug der Kulturlandschaften Für die SL ist es unverständlich, weshalb die Kulturlandschaften nicht berücksichtigt wurden. Im Sefinental, im oberen Lötschental und vor allem im Baltschiedertal, wo bereits seit über 10 Jahren ein Schutzvertrag der SL mit den Gemeinden besteht, sind gelebte Kulturlandschaften zu finden. Diese machen gerade in ihrer Kombination mit den herausragenden hochalpinen Naturwerten die weltweite Besonderheit des Alpenbogens aus. Es ist aber davor zu warnen, allzu schnell mit Blick auf touristische Einnahmen mit der Welterbe-Liste zu liebäugeln. Der Aletsch-Bietschhorn-Region würde ein weiterer Ausbau des Tourismus im Zeichen des « Welterbes » schlecht bekommen. Auch darf die Umgebung des künftigen Welterbes nicht zu einem « touristischen Anlieferraum » degradiert werden.

Voraussetzungen zur Aufnahme als Welterbeobjekt Einem künftigen Welterbeobjekt « Aletsch-Bietschorn-Gebiet », das ei- Das Nebeneinander von traditioneller Kulturlandschaft und Hochgebirgswildnis macht den besondern Wert alpiner Land- schaften aus - folglich gehörten beide in das geplante UNESCO-Welterbe-gebiet. Blick ins hinterste Lauterbrunnental s Mit der Kunst-Aktion « Gletscherblick 99 » setzt auch der SAC diese Tradition fort ( vgl. DIE ALPEN 6/98 ).

nen Teil der bewirtschafteten Alpen einbezieht, würde eine wichtige Signalwirkung für den Kulturland-schaftsschutz in der ganzen Schweiz zukommen. Als Voraussetzung für eine Anerkennung durch die UNESCO ist aber die Herstellung einer stärkeren Verbindlichkeit des bereits bestehenden BLN-Schutzes auf kantonaler und kommunaler Ebene nötig. Dies sollte aber gerade für den Raum Blatten und Baltschiedertal keine Probleme mit sich bringen. Der Beitrag für eine nachhaltige Landschaftsnutzung durch die Würdigung mit dem Welt-erbe-Label wäre immens!

Raimund Rodewald, Dr. phil. Biol.

Geschäftsleiter SL

Die SL

Die Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege ( SL ) wurde 1970 unter dem Patronat des damaligen Bundespräsidenten H. P. Tschudi und in Anwesenheit des Ehrenpräsidenten alt Bundesrat F. T. Wahlen mit dem Ziel gegründet, die Landschaft als vielfältigen und erlebnis-starken Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen erhalten zu helfen. Sie engagiert sich vor allem gegen den schleichenden Qualitäts- und Gestaltverlust und die Trivialisierung der Landschaft. Die Stiftung ist dank klarer Zielsetzung, schlanker Strukturen, qualifizierter Mitarbeiter/innen und guter Verbindungen zu Behörden und Politikern eine sehr effizient arbeitende Organisation. Der SAC ist seit den Anfängen als Gründungsmitglied dabei. Der ehemalige Präsident der Kommission « Schutz der Gebirgswelt », Peter Lienert, nimmt als SAC-Vertre-ter im Stiftungsrat Einsitz. Der SAC ist juristisches Mitglied bei der Stiftung. Die Ziele der Stiftung in Bezug auf Landschaftsschutz decken sich weitgehend mit denjenigen des SAC. Die SL kann jedoch mehr als der SAC ihre Kräfte konzentriert auf das Thema Landschaftsschutz bündeln.

Wir empfehlen SAC-Mitgliedern, denen die Kultur- und Naturlandschaften der Schweiz am Herzen liegen, Mitglied bei der SL zu werden. Information: SL, Hirschengraben 11, 3011 Bern, Tel.031/3122001, Fax031/312 5781

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