Von Luft- und Orthobildern
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Von Luft- und Orthobildern

Für die Herstellung und Nachführung von Gefahrenkarten sind Orthobilder ein wichtiges Hilfsmittel. Orthobilder basieren auf Luftaufnahmen, die mit Hilfe von Computerprogrammen zu Fotos umgewandelt werden. Luftaufnahmen selber können für die Kar-tenarbeit nicht direkt eingesetzt werden, da je nach Topographie Ungenauigkeiten und Verzerrungen vorhanden sind.

Der Winter 1998/99 gehört zweifelsohne zu den denkwürdigen des letzten Jahrhunderts. In den Tagen der stärksten Schneefälle, Ende Januar/Anfang Februar 1999, zeigten die Wetterkarten spezielle Druckverhältnisse in der Atmosphäre. Zwischen einem Hochdruckgebiet über dem östlichen Atlantik ( Azorenhoch ) und einem Tiefdruckgebiet über dem skandinavischen Raum strömte feuchte Polarluft gegen Mitteleuropa. Sie staute sich an den Alpen und löste an der Alpenabdachung und in den inneralpinen Gebieten intensive Schneefälle aus. In der Folge gingen in den Schweizer Alpen 600 Schadenlawinen nieder, die zahlreiche Todesopfer forderten. Die gewaltigen Schneemengen verhiessen auch für die Zeit der Schneeschmelze nichts Gutes. Die zum Teil sommerlichen Wärmetage im Mai, gefolgt von starken Regenfällen, führten denn auch im Mai und im Juni zu grossflächigen Überschwemmungen im nordalpinen Vorland.

Luftbilder schaffen Überblick Unmittelbar nach den intensiven Schneefällen begann die Erhebung von Daten für die Nachbearbeitung der Lawinensituation. Eine zentrale Rolle spielten dabei vermessungstechnisch

Fluglinien in den Schweizer Alpen Luftbild vor der Entzerrung Luftbild nach der Entzerrung ( Orthofoto ) Verzerrte Wiedergabe des Geländes im Luftbild auf Grund seiner zentral-perspektivischen Abbildung Umwandlung eines Luftbildes in ein Orthofoto Abb ild ungen :K la us Bu dmige r Karte Luftbild Orthofoto Luftbild DIE ALPEN 2/2002

auswertbare Luftbilder, die schon bei den ersten klaren Sichtverhältnissen unmittelbar nach den Lawinenniedergängen aufgenommen werden mussten. Eine grosse Zahl von geradlinigen Flugrouten über die Lawinenzonen wurde geplant, von denen aus Reihenbilder mit 50 bis 80% Überlappung aufgenommen werden konnten. Aus fünf Flugzeugen ( Eidg. Vermessungsdirektion, Landestopographie, Swissphoto AG und Luftwaffe ) wurden innerhalb von fünf Tagen entlang von 120 Fluglinien 3201 Senkrechtaufnahmen und 407 Schrägaufnahmen gemacht.

Vor- und Nachteile der Luftbilder Einer der grossen Vorteile von Luftbildern ist ihre hervorragende Auflösung. Die technische und optische Qualität der grossen Flugkameras ist so hoch entwickelt, dass sich die Luftbilder durch einen fast unglaublichen Detailreichtum auszeichnen. Aus Flughöhen von ca. 4000 m sind Geländeobjekte von 60 cm Grösse noch erkennbar.

Mit Luftbildern können zudem dreidimensionale Modelle des Geländes hergestellt werden. Betrachtet man nämlich zwei sich teilweise überlappende Luftbilder unter dem Stereoskop, so erscheint der überlappende Bildteil als dreidimensionales Geländemodell. Darauf sind nebst der horizontalen Lage einzelner Geländepunkte auch ihre Höhenunterschiede erkennbar.

Luftbilder haben aber auch Nachteile: Wälder verdecken topografische Feinformen des Geländes und meistens auch das Wegnetz. Starke Schlagschatten lassen die Geländestruktur überhaupt verschwinden. Liegt ein Berghang im flachen Sichtwinkel der Kamera, verschwimmen die Geländeformen ebenfalls.

Ausserdem ergeben sich Probleme mit den Grössenverhältnissen. Ein Geländestück oder ein Haus hoch oben an einem Berghang liegt der Flugzeugka-mera näher und wird grösser abgebildet als ein gleich grosser Geländeabschnitt oder ein gleiches Haus tief unten im Tal. Für Lawinen heisst dies, dass das hoch gelegene Anrissgebiet grösser abgebildet wird als die Lawinenzunge im Tal. Das Luftbild hat also, speziell im gebirgigen Gelände, keinen einheitlichen Massstab. Dieser variiert je nach der Höhenlage des Geländeobjekts. Das dritte Problem sind die Verzerrungen des Luftbildes. Auf einer Karte sehen wir jeden Geländepunkt senkrecht von oben ( Parallelprojektion ). Der Abstand zwischen zwei Geländepunkten ist ihr horizontaler Abstand, ungeachtet ihrer allenfalls unterschiedlichen Höhenlage. Auf einem Luftbild dagegen ist nur die Bildmitte in Senkrechtansicht abgebildet ( Punkt A auf der Zeichnung, vgl. S.37 ). Gegen den Bildrand zu geht die Senkrechtansicht mehr und mehr in eine Schrägansicht über ( Zentralprojektion für die Punkte B und C ).

Liegt der Geländepunkt aber ausserhalb dieser Senkrechten, wird seine Position auf dem Foto wesentlich durch seine Höhenlage beeinflusst. Je höher der Punkt liegt, je mehr sich also sein Abbil-dungsmassstab vergrössert, desto mehr weicht der Bildpunkt durch die radiale Verschiebung von seinem Kartenpunkt ab ( Strecke B–C ).

Ein Flugbild ist also trotz aller Vorteile ein verzerrtes Bild der Landschaft. Es muss zuerst entzerrt werden, wenn man auf ihm messen will wie auf einer Karte oder wenn ein Bildobjekt, z.B. ein Lawinenkegel, in einen Plan übertragen werden soll.

Ausschnitt aus dem Lawinenkataster der Gemeinde Guttannen ( Hellgrün: Staublawine, Blau: Fliesslawinen ). Diesem wurde das Orthofoto für die Lawinenzüge vom Februar 1999 hinterlegt.

DIE ALPEN 2/2002

Vom Luftbild zur Orthofoto Ein Luftbild entzerren heisst nichts anderes, als die Zentralprojektion des Fotos in die Parallelprojektion der Karte überführen oder eben aus einem Foto ein Orthofoto herstellen. Bei der heutigen Technik der Bildverarbeitung geschieht diese Umwandlung elektronisch auf dem Bildschirm. Zwischen dem Standort des Flugzeugs im Augenblick der Aufnahme und den optischen Eigenschaften des Kameraobjektivs bestehen berechenbare Zusammenhänge, ebenso zwischen der radialen Verschiebung der Bildpunkte und der Kartenebene. Diese mathematisch-geometrischen Bezüge liefern quantifizierbare Datenmengen in Megabytegrösse, die nur mit der Rechen-geschwindigkeit eines Computers nutzbar gemacht werden können. Trotz Computerunterstützung spielen das Einfühlungsvermögen und die Erfahrung des Fotogrammmeters nach wie vor eine grosse Rolle. Digital und dreidimensional In einem ersten Schritt werden die Luftbilder im Scanner digitalisiert. Das Foto, normalerweise im Format 23ϫ23 cm, wird dabei in 350 Mio. Punkte ( Pixel ) aufgelöst. Jeder Punkt erhält so für seine Lage im Bild und ebenfalls für seinen Farbwert ein elektronisches Signal. Auf dem Bildschirm oder im Druck erscheint das digitalisierte Luftbild in praktisch gleicher Qualität wie auf dem analogen Foto.

Im zweiten Schritt wird dem digitali-sierten Luftbild ein ebenfalls digitalisier-tes dreidimensionales Geländemodell unterlegt, um die verzerrenden Höhenunterschiede berechenbar zu machen. Die digitalen Geländemodelle basieren auf digitalisierten Karten oder müssen in Spezialfällen fotogrammmetrisch konstruiert werden. Jeder der vielen tausend Punkte des Modells hat dadurch eine nach Kartenkoordinaten ( X-, Y-Wert ) und nach Position in der Höhe ( Z-Wert ) definierte Lage. Im dritten Schritt wird das digitali-sierte Luftbild mit dem Geländemodell verknüpft, indem eine grosse Anzahl Bildpunkte mit dem entsprechenden La-gewert aus dem digitalen Höhenmodell identifiziert werden. Damit können auch die genaue Lage und Höhe des Aufnahmestandortes der Flugkamera errechnet werden. Diese Referenzpunkte bilden die mathematische Basis für die Entzerrung des Luftbildes.

Der vierte Schritt kann vom Computer weitgehend selbstständig ausgeführt werden. Die Lage jedes Bildpunktes ( Schritt 1 ) rechnet er mit Hilfe des digitalen Geländemodells ( Schritt 2 ) und der Referenzpunkte ( Schritt 3 ) in seine parallelperspektivische Lage um. Auf dem Bildschirm erscheint jetzt das ent-zerrte Flugbild oder das Orthofoto, das ein wichtiges Element für die Herstellung von Gefahrenkarten bildet. a

Dr. Georg Budmiger, Gümligen, und Klaus Budmiger, Meiringen Der Lawinenkataster bildet die Basis für die Lawinengefahrenkarten. Hier ein Ausschnitt aus der Lawinen-gefahrenkarte der Gemeinde Guttannen. Das hinterlegte Orthofoto der Lawinenzüge vom Februar 1999 zeigt, dass die Gefahrenzonen durchbrochen wurden.

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