Wie Zermatt das Horu zurückerobert
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Wie Zermatt das Horu zurückerobert

Als das Matterhorn 1865 zum ersten Mal bestiegen wurde, spielten die Zermatter eine Nebenrolle. Heute ist das anders – und die Geschichte wird einmal mehr neu geschrieben.

Zermatt 2015: Man feiert ein grosses Jubiläum. Es gibt eine Alpinismuswoche, und es gibt ein Freilichttheater auf rund 2600 Metern, mit Blick auf das Matterhorn. Den Berg, den Engländer erstbestiegen. Nur: Diesen Sommer erzählt man für einmal eine andere Geschichte. Nicht die, die in den Büchern steht. Sondern die, die Bergler erlebten. Die nirgends niedergeschrieben wurde. Weil das Geld fehlte. Erzählt wird sie von Regisseurin Livia Anne Richard: «Ich habe viel recherchiert, aber mit dem Bauch nachgefühlt», sagt sie. Mit Zermatts High Society ist die Regisseurin eng verbunden – ihr Cousin Thomas Sterchi geht im noblen Zermatt ein und aus und investiert dort viel und gerne. Dennoch sieht sich Richard immer auf der Seite der Benachteiligten.

Richard will die Geschichte einer Zeit erzählen, in der Zermatt weiter von London entfernt war als heute Namche Bazar in Nepal. Einer Zeit, in der arme, tief religiöse Leute den reichen Touristen Prestigegipfel ermöglichten. «Die Einheimischen hatten keine Stimme, es gab sie nicht – ausser wenn man ihnen die Schuld geben konnte», sagt sie.

Sie hätte für ihre Geschichte keine bessere Stimme finden können als jene von Josef und David Taugwalder. Als direkte Nachkommen spielen sie in dem Stück «The Matterhorn Story», das diesen Sommer auf dem Ryffelberg aufgeführt wird, ihre eigenen Vorfahren, als Vater und Sohn. «Es ist mir wichtig, diese Geschichte in das rechte Licht zu rücken», sagt Josef Taugwalder, hauptberuflich als Treuhänder tätig. Man verteidige die Ehre der Zermatter Bergführer.

Tatsächlich hat die Geschichte um das zerrissene – oder je nach Gerücht zerschnittene – Seil seit jenem verhängnisvollen 14. Juli 1865 den Taugwalders das Leben schwer gemacht. Noch lange nach der Tragödie hatten sie gegen immer neue Gerüchte anzukämpfen.

Besteigung verboten

Vor 150 Jahren waren es die Engländer, die die Geschichte schrieben. Heute feiert sich Zermatt. Die Burgergemeinde Zermatt hat die Hörnlihütte abreissen und neu bauen lassen, es gibt künftig weniger, aber bessere Plätze. «Wir müssen diesen Berg entschleunigen», sagt Daniel Luggen von Zermatt Tourismus. Campieren und Biwakieren rund um den Berg ist seit dem letzten Jahr untersagt. Die Polizei überwacht das Gebiet, auf illegales Biwakieren steht eine Busse von bis zu 5000 Franken. Am 14. Juli soll sogar überhaupt niemand auf das Matterhorn steigen. Die Besteigung sei untersagt. «Aus Respekt vor der Geschichte und den Toten», wie Daniel Luggen sagt.

150 Jahre nachdem ein ehrgeiziger Handwerkersohn aus London als Erster den Berg der Berge bestieg, ist das Matterhorn wieder ganz Sache der Schweizer.

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