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64 Filme ... und einiges mehr. 11. Internationales Berg&Aben-teuer-Filmfestival Graz

Mitte November 1999 fand im österreichischen Graz das 11. Internationale Berg&Abenteuer-Film-festival1 statt. Der vom Alpinisten und Filmer Robert Schauer organisierte Anlass bietet - wie etwa jener von Trento2 - neben all den Berg-, Abenteuer- und Naturfilmen auch die Gelegenheit, Menschen zu begegnen, deren grosse Liebe der Natur gilt.

Veranstaltet und geprägt wird das Grazer Bergfilmfestival von einem Mann, der in der Szene nicht nur als Filmproduzent, sondern auch als Höhenbergsteiger bekannt ist: Robert Schauer. Er erreichte knapp 20 Jahre alt seinen ersten Achttau-sender-Gipfel und stand als jüngster Österreicher im Rahmen der Expedition, bei der Messner und Habeier der erste Aufstieg ohne Sauerstoffflaschen gelang, 1978 auf dem Everest. Unter Alpinisten berühmt wurde Robert Schauer vor allem aber durch eine Glanzleistung, die er 1985 mit dem Polen Vojtek Kurtyka vollbrachte und die bis heute nicht wiederholt ist: die Begehung der Westwand des 7925 m hohen Gasherbrum IV im pakistanischen Karakorum. Es war eine Tour hart am Limit, bei der die zwei Alpinisten bei schwierigsten Verhältnissen eine faszinierende Linie durch die rund 2500 m hohe «Shining Wall» legten. Bis heute gilt die Westwand des Gasherbrum IV, die mit heiklem, kombiniertem Gelände aufwartet, als eine der Himalaya-Routen schlechthin - eine Wand, die mit ihren leuchtenden Fels- und Eisabbrüchen jeden Trekker und Bergsteiger fasziniert, der in die Baltoro-Region kommt. Robert Schauer, unterstützt von einem tatkräftigen Team, scheint aber mit modernen Medien genauso gut umgehen zu können wie mit Steigeisen und Pickel: Dank seiner Kontakte und seiner sympathischen Art ist das Festival ein Begegnungsort mit sehr persönlicher Note.

Natürlich ein Anlass, an dem Filme über die Berge und das Bergsteigen gezeigt werden. Das ist aber nur Teil der Antwort. Ein Bergfilmfestival ist immer auch ein Ort der Begegnung -in Graz traf man weltweit bekannte Bergsteiger wie Erhard Loretan, die Französin Catherine Destivelle mit ihrem Mann Erik Decamp, den Sportkletterer Beat Kammerlander und den jungen Slowenen Tomaz Humar. Anwesend waren aber auch Filmer, Fernsehleute, Vertreter der Presse und ein grosses Publikum. So kann der Besuch solcher Veranstaltungen allen, die nicht nur am Unterwegssein in der Natur interessiert sind, empfohlen werden: Sie bieten hervorragende Gelegenheiten, Leute aus der Szene auf unkomplizierte Art kennen zu lernen, alte Freundschaften aufzufrischen oder Ideen und Anregungen auszutauschen.

Dass zu einem Bergfilmfestival Bergfilme gehören, ist eine Binsenwahrheit, die nicht ganz zutrifft, machen doch die eigentlichen Bergfilme nur einen Teil aller gezeigten Produktionen aus. Das zeigt auch der Blick auf die fünf Kategorien, in denen in Graz Preise verliehen wurden: «Alpine Dokumentation», «Klettern in Fels und Eis», «Abenteuer», «Natur und Umwelt» und «Alpine und fremde Kulturen».

Was bedeutet diese Themenvielfalt konkret? In Graz reichte die Palette 1999 von der extremen Kajakfahrt in Tibet über eine beeindruckende Eiskletterei (Robert Jasper in «Flying Circus», einem Film von Jochen Schmoll) bis zum Flussporträt («Die schwarze Perle des Bayerischen Waldes- eine Reise zur Quelle der Hz» von Jürgen Eichinger), das mit viel Sensibilität den Natur- und Lebensraum rund ums Wasser zeigt. Den ersten Preis in der Kategorie «Natur und Umwelt» gewann ein Film mit wunderschönen Bildern über Riesen-honigbienen («The magic trees of Assam» von Paul Reddish). Von der Jury lobend erwähnt wurde der spannende Film «Zuflucht Wildnis; Sympathie für die Teufel», der einen faszinierenden Einblick in das Leben der Hyänen gewährt - Tiere, die zu Unrecht nur als blutrünstige Räuber abgestempelt werden. In der Kategorie «Alpine und fremde Kulturen» wurde der chinesische Film «Xiao Feng and his Lu Sheng» von Xialong Zhu und Bartélémy Fougea preisgekrönt: die Geschichte über einen Buben aus dem Süden Chinas und seinen Weg zum traditionellen Musikinstrument seines Volkes, dem Lu Sheng. In den anderen drei Kategorien dominierten die eigentlichen Bergfilme: Die «Alpine Dokumentation» gewann Jesus Bosque mit seinem sorgfältig recherchierten und nachgestellten Film über die bergsteigerische Erschliessung des spanischen Riglos-Massivs. Beim «Klettern in Fels und Eis» schwang eine klassisch daherkommende Produktion der ORF-Sendung «Land der Berge» von Hans-Peter Stauber obenaus: In «Grenzgänger in Fels und Eis» werden der Sportkletterer Beat Kammerlander und der Höhenbergsteiger Hans Kammerlander in spannenden Sequenzen gegenübergestellt.

Unter den Darstellungen aussergewöhnlicher menschlicher Leistungen faszinierte der Preisträger der Kategorie « Abenteuer » ganz besonders: In « 118 days in the captivity of ice » erzählt der Slowake Pavol Barabas die schier unglaubliche Geschichte von drei Russen und einem Slowaken, die als erste Menschen überhaupt ohne jegliche Unterstützung von aussen vom russischen Festland über den Nordpol bis nach Kanada marschierten. Messner hatte diese Durchquerung als eine der letzten grossen Herausforderungen des Jahrtausends bezeichnet, und er hatte damit sicher Recht. Was die vier Protagonisten leisteten, ist fast nicht nachvollziehbar und war ein Unternehmen, bei dem das Überleben ständig in Frage gestellt war. Der Film vermittelt die Härte und die Leidensbereitschaft der Beteiligten auf schonungslose Art. Man hat im bequemen Sessel Angst um die vier, hält den Atem an, unsicher, ob die Überquerung in Wind und Sturm von driftenden Schollen, von Wasserströmen und Eiswüsten gut ausgehen würde. Zugegeben - ein technisch einfacher Film, der aber durch das kompromisslose Unternehmen am Rande des Möglichen fesselt.

Dies ist eine grundsätzliche Frage, die bei Bergfilmfestivals - und Graz 1999 bildete da keine Ausnahme -immer wieder zu kontroversen Diskussionen führt. So vielfältig wie die Themen der Filme, so unterschiedlich sind ihr filmisches Niveau und der technische und finanzielle Aufwand, mit dem sie produziert werden. Als hervorragendes Beispiel für einen interessanten, günstig gedrehten Film sei hier die Produktion « Weite Wege - unterwegs im anderen Nepal » erwähnt, in dem Regina Strassenegger die Zuschauer mit der Entwicklungshilfe von Öko-Himal bekannt macht, einer Organisation, die nachhaltige Hilfe und sanften Tourismus in abgeschiedene Regionen Nepals bringt.

Eine heftige Diskussion entbrannte hinter den Kulissen um den Hauptpreisträger des Festivals: In «From nowhere to the middle of nowhere» berichtet Alun Hughes vom langen Tandem-Gleitschirmflug, den er mit seinem Freund und Piloten John Silvester entlang der Kämme Westnepals unternimmt. Dabei landen die zwei immer wieder in abgelegenen Dörfern, wo sie von den Nepali als seltsame Ausserirdische mit grosser Gastfreundschaft aufgenommen werden. Die Jury begründete ihren Entscheid vor allem durch den (britischen) Humor und die ungekünstelte Art, den die Geschichte prägt. Einige Anwesende, die Verfasserin dieses Beitrags eingeschlossen, fanden aber, der Film habe den Hauptpreis wegen seines bescheidenen filmischen Niveaus nicht verdient. Hier wurden vielmehr die Idee und der nette Charakter der Produktion bewertet.

Bei diesen Diskussionen geht es nicht nur um die Kriterien, nach denen die Filme bewertet werden sollen, sondern auch um die Zusammensetzung der Jury: Sollte die Jury eines Bergfilmfestivals nicht ausschliesslich oder zumindest überwiegend aus Fachleuten und Profis aus der Film-szene zusammengesetzt sein? Heute sind meist Vertreter aus verschiedenen Bereichen (Journalisten, Bergsteiger, Fotografen, Schriftsteller, Filmemacher usw.) üblich. Oder sollte es mehrere Jurys geben («Film»jury, Publikumsjury, «gemischte» Jury wie z.B. in Graz 1999), deren Bewertungen man zusammennehmen könnte? Wie stark soll an einem Festival einer «Randbranche», wie es die Berg- und Naturfilme letztlich darstellen, die Idee, das Abenteuer, das aussergewöhnliche Erlebnis oder der bergsteigerische Wert einer gezeigten Unternehmung honoriert werden? Und wie weit muss das filmische Fachwissen bei der Zusammensetzung der Jury eine Rolle spielen? Diese grundsätzlichen Fragen müssen immer wieder neu überdacht werden, wenn man an solchen Festivals qualitativ gute Produktionen auszeichnen will.

Für die Verbesserung, Erweiterung und überhaupt die Organisation eines solchen Anlasses, die immer eng mit den verfügbaren finanziellen Mitteln zusammenhängen, haben Robert Schauer und sein Team grosse Arbeit geleistet. Ihr Festival ist ein fester Treffpunkt der Szene!

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