Bergsteigen in den wilden Anden. Eine JO-Gruppe aus der Romandie in Argentinien
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Bergsteigen in den wilden Anden. Eine JO-Gruppe aus der Romandie in Argentinien

Eine JO-Gruppe aus der Romandie in Argentinien

Bergsteigen in den wilden Anden

Im Dezember 2001 reisten sechs JOler der SAC-Sektion Carougeoise nach Argentinien. Ihr Ziel war der Mercedario, 6770 m. Trotz einiger schwieriger und beschwerlicher Momente war für sie die Expedition in die Anden ein unvergessliches Erlebnis.

Noch 50 Meter, und wir – Alexandre, Andrei, Jérôme, Maria, Nicolas und Romain – sind auf dem Gipfel der Alma Negra, 6120 m. Unablässig Schritt für Schritt steigen wir im Geröll hoch – und fragen uns zum x-ten Mal, ob dieser Steinhaufen wirklich diese Mühe wert ist. Aber dann wissen wirs. Wir deponieren unsere Rucksäcke neben dem Gipfelsteinmann und sehen uns um: In der Ferne die Aconcagua mit ihren Vasallen, näher bei uns eine unglaubliche Anzahl Gipfel, einer hinter dem anderen, darunter der Mercedario, das Hauptziel unserer Expedition.

Warum der Mercedario? Das Projekt einer JO-Expedition beschäftigte uns schon seit längerem. Nach einigem Hin und Her entschlossen wir uns für den Mercedario, denn dieser 6770 m hohe Berg in Argentinien ist ein Nachbar der Aconcagua, nur viel wilder! Dazu kommt, dass die ihn umgebenden Nachbargipfel leicht zugänglich sind

Beim Einrichten des Basislagers Büsserschnee und vom Wind geformte Felsspitzen in der Flanke des Cerro Wanda, 5400 m Das ganze Team vor dem Hotel in Santiago Fo to s: Ar chi v A.

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und viele Möglichkeiten zum Akklimatisieren bieten. Unter Mithilfe unseres Führers Christian Hug kümmern wir uns selber um die ganze Organisation. Als Trainingsvorbereitung verbringen wir im Sommer zuvor eine Woche im Monte-Rosa-Gebiet und unternehmen auch sonst zahlreiche Touren.

Aufbruch Nachdem wir mehr als eine Woche in San Juan auf einen Teil des von der Fluggesellschaft irgendwohin geschickten Gepäcks gewartet haben, beschliessen wir, die fehlenden Ausrüstungsgegenstände zu kaufen. Anschliessend zwängen wir uns in die Jeeps, die uns nach einer abenteuerlichen Fahrt nach Barreal bringen. Dort erstehen wir unsere Maultiere und machen uns auf den Weg, der uns vorerst durch beeindruckende Schluchten führt. Die Felswände reizen uns, aber der Fels ist viel zu brüchig, als dass wir sie erklettern könnten. Schliesslich erreichen wir Las Hornillas, ein ehemaliges Ferienzentrum, wo wir die letzte Nacht verbringen, bevor wir uns zum Basislager aufmachen. Zwei Tage später richten wir uns dort gemütlich ein und organisieren unser Gemeinschaftsleben: Geschirrspülen im eisigen Wasser des Bachs, Kochen, Kleider waschen usw.

Cerro Wanda zum Akklimatisieren Der erste Gipfel, den wir zusammen besteigen, ist der Cerro Wanda, 5400 m. Wir benützen ihn als Akklimatisierungs-tour zum Herausfinden, wie jeder auf die Höhe reagiert. Wir steigen über eine ziemlich steile Geröllhalde auf eine Terrasse.. " " .Von da muss man erst einen mit Büsserschnee bedeckten Hang bezwingen, bevor eine weitere Geröllhalde zum Gipfel führt. Von dort sehen wir in die sonst verborgene Wand des Mercedario. Nach der Gipfelrast machen wir uns für den Abstieg bereit. Mit hoher Geschwindigkeit gehts das Geröllfeld hinunter, denn zusammen mit den Steinen gleiten wir in die Tiefe, versuchen dabei verzweifelt, das Gleichgewicht zu halten, und lassen gewaltige rote Staubwolken aufsteigen. Das letzte Hindernis vor dem Basislager ist der Bach – für einige kaum trocken überwindbar, was allgemein zu grosser Heiterkeit führt. Nach unserer gemeinsamen Expedition zur Alma Negra beschliessen wir, die Gruppe aufzuteilen. Wir haben nämlich gemerkt, dass die Besteigung des Mercedario viel schwieriger sein wird, als wir uns das vorgestellt haben. Mit einer Siebnergruppe den Versuch zu wagen, wäre zu riskant. Deshalb entscheiden sich die einen für den Belve-dario, 4900 m, die anderen für die Ramada, 6400 m, und nur Jérôme und Alexandre wagen sich an den Mercedario. Endlich der Mercedario

Auf dem Weg ins Basislager. Die Maultiere führen uns durch eine eindrückliche Landschaft.

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Davon erzählt Alexandre: « Die Westflanke ist beeindruckend. Am Vortag unseres Aufbruchs beobachten wir sie eingehend und stundenlang, um den bestmöglichen Weg für die 2000 m Höhendifferenz bis zum Gipfel zu finden. Nach einem unruhigen und kurzen Schlaf stehen wir um Mitternacht auf, nervös. Nach einem ausgiebigen Frühstück schultern wir unsere Rucksäcke und brechen auf. Im hellen Mondlicht steigen wir ohne Probleme die lange Geröllhalde hinauf, die uns zur Westflanke führt. Deren Fuss erreichen wir um drei Uhr früh. Nach einer Stärkung gehts los. Riesige Büsserschneespitzen hemmen zwar unser Vorankommen, aber je höher wir steigen, desto besser wird es. Unser Rhythmus ist gut, die Richtung klar. Kurz: alles in Ordnung. Schliesslich erblicken wir den Turm, den wir am Vortag beobachtet haben und der uns hoffentlich zum Gipfel führt. Majestätisch und ganz nah ragt er vor uns empor. Und dabei wirkte er gestern doch so weit entfernt. Es ist neun Uhr, als wir ihn erreichen. Bei der Lagebeurteilung stellen wir fest, dass im oberen Teil gefährlicher Schnee liegt, wir von der Höhe gezeichnet sind – war die Angewöhnungszeit zu kurz gewesenund mich obendrein die Sehnen schmerzen. Geplant hatten wir ein Biwak, um am nächsten Tag den Gipfel zu besteigen. Was tun? Um jeden Preis zum Gipfel stürmen? Oder Vorsicht walten lassen und umkehren? Wir entscheiden uns schweren Herzens für die Vorsicht. Nach einer schwierigen Traverse auf instabilem Schnee erreichen wir einen Grat, der uns zum Basislager hinunterführt. Nach 18 Stunden sind wir wieder im Lager zurück. »

Schon abreisen Als letzten Gipfel besteigen einige von uns den Cerro Negro, 5500 m, bevor es gilt, die Rucksäcke für die Heimreise zu packen. Der Maultiertreiber holt uns ab,

Höhenlager beim Besteigungsversuch von La Ramada, 6400 m Blick vom Belvedario, 4900 m Sonnenuntergang in der Südwestwand des Mercedario, 6700 m Fo to s:

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und wir kehren auf dem gleichen Weg nach Las Hornillas zurück, wo uns am nächsten Tag der Jeep aufladen soll. Er ist aber bereits früher da. Carlos, der Chauffeur, erklärt uns den Grund: schlechtes Wetter. In der Tat brauen sich dunkle Gewitterwolken zusammen. Wir sind so müde, dass wir halb ausgestreckt auf unseren Rucksäcken die ersten Regentropfen gar nicht mehr wahrnehmen. Als wir wieder erwachen, sind wir von Kopf bis Fuss von einer feinen Staubschicht überzogen, die wir erst unter der lang ersehnten Dusche loswerden. Obschon wir unser Ziel nicht erreichten, haben wir einzigartige Erfahrungen gesammelt, die wir unser Leben lang nicht mehr vergessen werden. Wir haben eine grossartige Landschaft und eine einmalige Atmosphäre mit tiefer Einsamkeit, grosser Höhe und starkem Wind kennen gelernt. Wir haben aber auch erfahren, was es heisst, in einer Gruppe weitab der Zivilisation zu leben, und wie viel ein solches Abenteuer jedem und jeder Einzelnen persönlich abverlangt. a

Romain Cartoni, Alexandre Gal, Maria Gal, Nicolas Gaud, Jérôme Häni, Andrei Zsenei, Genf ( ü ) Beginn der Besteigung des Cerro Negro, 5500 m Abstieg ins Basislager. Blick auf den Pico Polaco, 6000 m Unter dem Gipfel des Cerro Negro DIE ALPEN 3/2003

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