Brot, Käse und Hüttentee
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Brot, Käse und Hüttentee Richtig essen vor und während der Tourenwoche

Tourenwochen sind besondere Belastungen. Nur wer richtig isst, geniesst die Tour auch am letzten Tag noch und mindert das Risiko von Unfällen wegen Energiemangels.

Egal ob man an der Patrouille des Glaciers teilnimmt, auf der Haute Route unterwegs ist oder die Tourenwoche der Saison absolviert: Persönliche Höchstleistungen im Gebirge kosten viel Energie. Wenn das Couloir kein Ende nehmen will und auch schnelles Atmen den Schmerz in den brennenden Muskeln nicht lindert, braucht es nicht nur Willenskraft, sondern auch viel Energie. Doch jetzt zu essen, ist undenkbar. Aber lange ist das höchste Leistungsniveau nicht zu halten, wenn nicht in absehbarer Zeit dringend benötigte Nährstoffe und Ersatz für den verlorenen Schweiss zugeführt werden. Dafür hat der Körper zwar Reserven eingelagert – Kohlehydrate, Proteine und Fette –, doch diese Reserven müssen ersetzt werden. Schnell, aber auch gezielt und nachhaltig. Doch woher welche Energie wann nehmen?

Diese komplexe Frage stellen sich natürlich vor allem Athleten von Skitourenrennen. Deren professionelle Vorbereitung macht auch vor der Ernährung nicht halt. Das Zauberwort heisst « Leistungsdiagnostik ». Hier wird mit viel Kreativität an der Ernährung der Sportlerinnen und Sportler geforscht. Etwa indem persönliche Profile erhoben werden. Sie zeigen, welche Energiemengen die Athleten zu sich nehmen und wo allfällige Defizite entstehen können.2

Diese Forschung hilft aber auch ganz normalen Skitourengängerinnen. Wer hat in einer Tourenwoche nicht schon den berüchtigten «dritten Tag» erlebt, an dem schlicht nichts mehr ging? Wer hat nicht schon wegen der anhaltenden Erschöpfung am letzten Tag kaum noch etwas von der Landschaft mitbekommen? Nicht immer liegt diese Erschöpfung an der mangelnden Kondition. Denn die Forschung zeigt auch, dass länger anhaltende Anstrengungen zwingend zu einem Energiedefizit führen, wenn man sich nicht richtig ernährt.

Egal ob Spitzen- oder Breitensportler: Auf einer Ein-, Zwei- oder Mehrtagestour verbraucht man Energie. Der Körper bezieht Energie direkt aus der aufgenommenen Nahrung und aus vorher angelegten Speichern. Bei Anstrengungen werden die Energietanks allmählich geleert und bei den normalen Mahlzeiten, sei es zu Hause oder in der Hütte, wieder gefüllt. Während der Belastung können die Speicher allenfalls ergänzt werden. Will man Spitzenleistungen erzielen, muss man einem strengen Menüplan folgen. Denn auf die Intuition und den eigenen « Gluscht » allein können sich Spitzenathleten nicht mehr verlassen. Anders die meisten Hobbyskitourengänger: Intuitiv hat fast jeder und jede sein eigenes, meist stimmiges Rezept. Denn wer wie viel Energie ( kcal ) in Form von Kohlehydraten ( KH ), Fett ( F ) oder Proteinen ( P ) benötigt, ist vom persönlichen Stoffwechsel (Alter, Trainingszustand, Ernährungsgewohnheiten) sowie der Umwelt abhängig und dadurch äusserst unterschiedlich. Wie unterschiedlich, zeigt ein Blick in die Runde während der Pause vor der Alphütte.

Die einen schwören auf Gummibärchen, Sugus und Läckerli, andere ziehen einen Apfel, Feigen oder die legendäre Banane vor, dritte wiederum gelüstet nach Käse, Wurst und Brot. Auch auf der Hütte lassen sich die meisten von ihrer Intuition steuern, gut ist es, wenn man dem «Gluscht» auf das Stück Kuchen nachgibt, weil Kohlehydrate in der ersten Stunde nach der Belastung besonders effektiv ersetzt werden können.

Nehmen wir zum Beispiel die Lämmerenhütte: Im Verlauf der Woche gibt es jeweils ein reichhaltiges Frühstücksbuffet mit Konfitüre, Käse und Wurst, durch den Tag das Lunchpaket, am Abend Gemüsesuppe, Salat und dann zum Beispiel Teigwaren, Hackfleisch oder Safranrisotto. Alle bekommen dasselbe, und doch orientiert sich jeder mehr oder weniger nach dem «Gluscht». Der eine schöpft mehr Nudeln, der andere mehr Fleisch, der dritte langt bei der Suppe drei Mal zu. Beim Frühstück vor dem Start zieht der eine das dick mit Butter bestrichene «Konfibrot» dem Käse und dem Aufschnitt vor, während die andere auf eine grosse Portion Müesli setzt.

Natürlich hinkt der Vergleich zwischen der wissenschaftlich erforschten Ernährung von Spitzensportlern und dem Essen der Breitensportler, weil zum Beispiel Letztere weniger auf spezielle Sportlerernährung zurückgreifen. Grundsätzlich stellt sich das Problem der leeren Energiespeicher, die wieder gefüllt werden müssen, aber bei beiden Gruppen. Stellt man nämlich die Energiebilanzen der Spitzenathleten des SAC Swiss Team Skialpinismus dem auf seine Energiewerte berechneten Menüplan aus der Lämmerenhütte gegenüber ( Grafik 1 ), so zeigt sich, dass im Verlauf einer Tourenwoche Defizite entstehen können. Zwar ist das Angebot in der Hütte ausreichend, die für hohe körperliche Aktivität nötigen 3364 kcal an Energie stehen zur Verfügung. Doch auch wer viel isst, marschiert oft in ein Energiedefizit. Hauptgrund ist oft der fehlende Appetit. Gerade nach einer langen Tour ist man vielfach zu müde, um so viel zu essen, dass die Speicher am nächsten Morgen wieder vollständig gefüllt sind. Beim Hüttenaufenthalt ist also mit einem Kohlehydratdefizit zu rechnen ( vgl. Grafik 2 ). Anders sieht es bei den Proteinen aus, hier klappt die Versorgung problemlos – gesetzt, man ist kein Vegetarier. Dasselbe gilt für die Fettzufuhr. Das Essen in der Hütte deckt den Bedarf an Proteinen und Fetten, sofern man nicht allzu hoch oben ist. Ab etwa 4000 Metern und bei Stress schaltet der Stoffwechsel nämlich um ( vgl. « Die Alpen » 3/2011 ). Dann wird die Energie zu einem grossen Teil über Fett und Fettreserven bereitgestellt.

Was kann also während der Tour getan werden, um das Kohlehydratdefizit auszubügeln? Der Wochenmenüplan der Lämmerenhütte zeigt zwar eine grosse Flexibilität auf, sodass die individuellen Ernährungsbedürfnisse auf einer Skitourenwoche zumindest theoretisch befriedigt werden können. Weil man aber gerade abends nicht mehr so viel essen mag, wie man sollte, ist es besser, schon während der Tour mehr als bislang üblich zu essen, damit der Spass bis zum Schluss garantiert bleibt. Ziel kann es sein, aus dem Lunch unterwegs eine volle Hauptmahlzeit zu machen.

Doch die Vorstellung, mitten im Couloir ein Sandwich zu kauen, lässt einem das Wasser genauso wenig im Mund zusammenlaufen, wie ein trockener Getreideriegel in der Pause vor der Alphütte. Schnell verfügbare Energie oder Kohlehydrate bringt jedoch eine Tafel Schokolade oder zwei bis vier Sportenergieriegel. Mit 430 bis 570 kcal Energie entsprechen diese etwa einem Sechstel des täglichen Energiebedarfs. Während des Stundenhalts im Aufstieg lässt sich fettreiches Gebäck wie beispielsweise ein Zimtgugelhöpfli mit einem höheren Butteranteil auch bei kälteren Temperaturen noch genüsslich verschlingen. Viele haben gerne etwas aus der Jackentasche, das einfach und schnell « runtergeht », ohne dass es zuerst aufgetaut werden muss. Nüsse, Samen, Kerne oder die Klassiker wie Schokolade, Tuttifrutti, Käse oder Wurstwaren sind beim Lunch die Zwischenmahlzeiten erster Wahl. Weniger praktisch sind Nahrungsmittel, die im Rucksack gefrieren, wie etwa ein Griessköpfli mit Rosinen.

Auch die Flüssigkeit kommt bei einer mehrstündigen Tour automatisch zu kurz. Die Kälte und die damit häufig verbundene trockene Luft erhöhen den Flüssigkeitsverlust dramatisch. Allein über die Lunge können pro Tag bei kalter Umgebung zwei bis drei Liter Flüssigkeit verloren gehen, und dazu kommt noch der Schweissverlust3.

Dieses Flüssigkeitsdefizit kann in der Hütte zwar zum grössten Teil mit dem 1,5-Fachen des Verlustes wieder ausgeglichen werden. Will man auf der Tourenwoche jedoch bis zum Schluss Spass haben und nicht von Krämpfen geplagt werden, sollte die bescheidene Menge Hüttentee schon vom ersten Tag an mit Schnee gestreckt werden. Aber Achtung: Schnee pur kann einen Kälteschock im Bauch verursachen, was die Darmbewegungen stark anregt und vorübergehend zu Bauchschmerzen und Durchfall führen kann. Wichtig ist auch die Zufuhr von Mineralien, etwa indem man unterwegs regelmässig etwas Salzhaltiges isst. Ideal sind etwas Käse und Brot, oder man gibt am Morgen nebst dem Zucker etwas Salz in den Marschtee.

Kurzfristige Belastungen wie zum Beispiel Eintagestouren brauchen keine besondere Beachtung. Nicht einmal der Ersatz der verlorenen Flüssigkeit ist in der Praxis zwingend. Und so ist immer wieder erstaunlich, mit wie wenig Flüssigkeit und Essen einige auskommen. Allerdings steigt das Risiko für Unfälle und Erschöpfungszustände ohne Flüssigkeit und Zwischenverpflegung rapide an. Auf einer Tourenwoche kann man am fünften Tag trotz grosser Müdigkeit mit den Fellen noch über den Schnee schlurfen. Spass macht das aber definitiv nicht mehr. Will man dieses Leistungstief verkleinern, beginnt die Regeneration schon vor der Belastung. Mit der bestmöglichen – fünf Mal täglich eine Portion Gemüse und Früchte – und sinnenfreudigen oralen Versorgung vor der Tour ist auch der Genuss garantiert.

 

Tipps und Infos

1. Die Speicher schon vor der Tourenwoche füllen

2. Den Lunch auf Touren zur Hauptmahlzeit ausbauen

3. In der ersten Stunde nach der Belastung Kohlenhydratspeicher füllen

Weitere Infos und Tipps: Schweizerische Gesellschaft für Ernährung: www.sge-ssn.ch

Forum für Sporternährung der ETH Zürich: www.sfsn.ethz.ch

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