Der Hüttenwart im 21. Jahrhundert
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Der Hüttenwart im 21. Jahrhundert Berufsbild mit zahlreichen Facetten

Der Beruf des Hüttenwarts erlebt einen grossen Wandel. Die Welt und damit auch die Ansprüche der Hüttenbesucher verändern sich. Um den komplexen Erwartungen gerecht zu werden, gibt es seit 1990 Weiterbildungskurse für Hüttenwarte. Wir haben mit Experten über den Stand der Dinge geredet.

Haben Sie sich noch nie gedacht, ein Leben als Hüttenwart wäre schön? Sein eigener Vorgesetzter sein, an der frischen Luft und im Rhythmus der Natur leben, fernab der Zivilisation... Machen wir uns nichts vor: Dieser Beruf ist mit vielen Belastungen verbunden. Das bestätigen uns Bruno Lüthi, Bereichsleiter Hütten auf der SAC-Geschäftsstelle, Raymond und Patricia Angéloz, Hüttenwarte der Cabane d' Orny, und Hildegard Senn, ehemalige Hüttenwartin der Bächlitalhütte. (1)

« Der Hüttenwart ist die Seele der Hütte », bemerkt Raymond Angéloz, « er muss alles können – zehn Berufe kommen in seinem Job zusammen. » « In der Tat », doppelt Hildegard Senn nach, « von der Betriebsführung bis zur Gastronomie: Das Wissen des Hüttenwarts muss sehr breit sein. » Setzt dieser Beruf also verschiedenste Talente voraus? In gewisser Weise ja, vor allem wenn man die zahlreichen Voraussetzungen bedenkt, die für seine Ausübung nötig sind: Erfahrung im Kochen, Kenntnisse von Getränken und Hauswirtschaft, Buchhaltung, Marketing und Fremdsprachen, handwerkliche und technische Begabung, Interesse für Umweltfragen und und – die Liste ist lang.

Sowohl die Angéloz als auch Hildegard Senn sind eher zufällig Hüttenwarte geworden: Raymond Angéloz musste seine Tätigkeit als Bergführer wegen Knieprob-lemen reduzieren. Da seine Frau sich ein Leben in den Bergen wünschte, bewarb sich das Paar um den frei gewordenen Posten der Hüttenwarte für die Cabane d' Orny. Hildegard Senn dagegen, von Beruf Ausbildnerin in Krankenpflege, Foto: zvg/Archiv Angéloz Foto: zvg/Hildegar d Senn 1 Hildegard Senn und Raymond Angéloz sind beide in der Hüttenwartsausbildung tätig. wollte eine « Auszeit » in den Bergen machen. So kam sie zuerst als Angestellte in die Bächlitalhütte. Ein Jahr später übernahm sie den Hüttenwartsposten zusammen mit ihrem Freund. Ein Weg, der gemäss Hildegard Senn recht typisch ist: « Hüttenwart ist kein Beruf, den man bewusst wählt, man wird dies per Zufall. » In den Hüttenwartskursen trifft man allerdings häufig auf Personen, die noch nie in einer Hütte gearbeitet haben. Gemäss Bruno Lüthi mit steigender Tendenz: « Die Berge ziehen immer mehr Menschen an. Und darunter gibt es viele mit romantischen Vorstellungen über den Hüttenwartsberuf. » Diese Teilnehmer landen dann schon in den Hüttenwartskursen sehr schnell auf dem harten Boden der Realität.

Die in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts erstmals angebotenen Kurse stehen allen offen, wenn sie auch vorerst für Personen geschaffen worden waren, die diesen Beruf wirklich ausüben. Für Hüttenwarte, die neu eine Hütte übernehmen, sind sie inzwischen obligatorisch. Wichtig ist aber auch, dass langjährige Hüttenwarte daran teilnehmen – nur schon wegen des Austauschs zwischen den Generationen. Dank der Vermittlung all des Neuen rund um den Hüttenwartsberuf werden die Kurse zu einer Art ständiger Weiterbildung. Über ihre Dauer sind sich Raymond Angéloz und Hildegard Senn einig: Sie sind viel zu kurz. In einer einzigen Woche müssen die zahlreichen Tätigkeiten angesprochen werden, die zum Hüttenwartsjob gehören. So können die Kurse nur einen summarischen Überblick geben. 2 Gerade deshalb ist es wichtig, dass « die Hüttenwarte ihre ständige Weiterbildung selbst in die Hand nehmen und sich dort weiterbilden, wo es nötig ist », wie Hildegard Senn feststellt. Sehr wichtig ist auch das « learning by doing »: « Viele Aspekte übt man bei der täglichen Arbeit, im Kontakt mit den Gästen ein », unterstreicht Raymond Angéloz. Die Ausbildung wird mit einem Diplom abgeschlossen, das allerdings nicht anerkannt ist. « Ich setze alles daran, dass unser Beruf auf eidgenössischer Ebene anerkannt wird », sagt Raymond Angéloz und fügt hinzu, dass dies natürlich eine längere und tiefer gehende Ausbildung voraussetzen werde.

Wenn es manchmal nicht leicht ist, Hüttenwarte zu finden, « so hat das nicht immer mit den Anforderungen des Berufs zu tun », hält Hildegard Senn fest. Oft hängt es von der Hütte ab. Für die grossen, rentablen Hütten findet man leicht Hüttenwarte. Es gibt aber andere Hütten, die kaum genug zum Leben bringen oder nicht das ganze Jahr über bewartet werden und den Hüttenwart zwingen, daneben einem anderen Beruf nachzugehen. Für solche Unterkünfte ist es schwierig, Personal zu finden. Ein weiteres Problem liegt oft in den Hüttenwarts-verträgen, wie Bruno Lüthi bestätigt: « In der Tat wurden die Verträge grundlegend neu gestaltet. Früher lebte der Hüttenwart von den Einnahmen der Konsumationen, erhielt eventuell einen Zuschuss pro Übernachtung und wurde für die Arbeiten, die er in der Hütte machte, entlöhnt. Heute pachtet der Hüttenwart die Hütte und ist eine Art Unternehmer. Während ein Pachtvertrag für die stark besuchten Hütten funktioniert, kann er nicht unverändert für Hütten gebraucht werden, die nur wenige Besucher haben. Es muss ein flexibles Vertragsmodell geschaffen werden, mit dem die besondere Situation jeder Hütte berücksichtigt werden kann. Dies soll mit der Revision des Hüttenreglements erreicht werden. »

Nicht nur die Verträge wurden geändert, auch der Beruf selbst ist in einem grossen Wandel begriffen, unter anderem wegen der veränderten Ansprüche und Gewohnheiten der Besucher. « Wir leben in einer Welt, in der alles schnell gehen muss », bemerkt Raymond Angéloz. « Die Leute sind allgemein ungeduldiger. Blie-ben beispielsweise früher die Gäste bei schlechtem Wetter in der Hütte, erkundigt man sich heute in der Handy-Ära sofort bei den Meteorologen. Wenn keine Wetterbesserung in Sicht ist, verlassen alle die Hütte. » 2 Abgesehen von den einwöchigen Kursen gibt es auch zweitägige Weiterbildungen, die jeweils auf ein bestimmtes Thema ausgerichtet sind.

Ausflüge in die Berge sind « in », und das Publikum ist vielfältiger geworden: Auf der einen Seite gibt es Besucher, die in Bezug auf Infrastruktur, Komfort und Küche hohe Ansprüche stellen und teilweise Leistungen wie im Hotel erwarten. Andererseits gibt es jene Gäste, die « möchten, dass alles gleich ist wie früher, und die ihre Spaghetti zum Selberkochen mitbringen », sagt Raymond Angéloz. In diesen Situationen gibt es nur eine Lösung: den Dialog. « Sobald man erklärt, warum dieses oder jenes nicht möglich ist, lösen sich die Probleme schnell », hält Bruno Lüthi fest. « Darin liegt genau der Wandel in einen Dienstleistungsberuf: Der Hüttenwart ist heute vor allem Gastgeber. Viele Hüttenwarte haben sich dieser Entwicklung angepasst, andere dagegen haben Mühe, ihr zu folgen. Das ist einer der Gründe, warum wir die Ausbildungskurse geschaffen haben. »

Abgesehen von diesen Veränderungen sehen sich die Hüttenwarte vor weitere Herausforderungen gestellt. Da ist einmal die Präsenzzeit. « Der Tag endet um halb elf Uhr abends, und um halb vier Uhr morgens müssen wir wieder am Herd stehen », sagen die Angéloz. Weiter fehlt es an Privatsphäre, wie Hildegard Senn bemerkt: « Da unser Zimmer auch als Vorratslager diente, fehlte es an Platz, um sich zurückziehen zu können. » Das Schwierigste ist aber die mangelnde Anerkennung von Seiten gewisser Sektionen. « Wir akzeptieren, dass einige Besucher die Hüttenwartsarbeit mit Ferien vergleichen; dass aber verschiedene Sektions-verantwortliche gleich denken, enttäuscht uns zutiefst », betonen die Hüttenwarte. Dennoch streichen sie die positiven Aspekte des Berufs hervor: das unabhängige Arbeiten, den Kontakt mit den Gästen. Freundschaften entstehen, Besucher kommen regelmässig. « Und dann gibt es diese kurzen Momente, die das Glück und manchmal den Stolz des Hüttenwarts ausmachen, ein Kompliment, ein Lächeln, ein Dankeswort », fügt Hildegard Senn hinzu. « Und nicht zu vergessen all die intensiven Augenblicke, die man in der Natur erlebt. Kaum aufgestanden, als alle noch schliefen, stand ich jeweils auf der Schwelle der Hütte, atmete in vollen Zügen die kalte Nachtluft ein und blickte in den Sternenhimmel – nicht einmal fünf Minuten, die aber wie eine Ewigkeit des Glücks erschienen !» a Adrien Rihs ( ü ) Die meisten Hütten werden mittels Helikopterflügen versorgt. Jeder Hüttenwart muss einige Zeichen beherrschen, um den Piloten richtig einzuweisen. Im Kurs können die Teilnehmer einen Helikopter von nahe kennen lernen.

« Die Berge ziehen immer mehr Menschen an », erklärt Bruno Lüthi, Bereichsleiter Hütten auf der SAC-Geschäftsstelle. « Da gibt es viele mit romantischen Vorstellungen über den Hüttenwartsberuf. » Sobald diese Personen einen Hüttenwartskurs absolvieren, kehren sie schnell auf den harten Boden der Realität zurück!

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