Getrennte Wege auf die Gipfel
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Getrennte Wege auf die Gipfel Als der SAC die Frauen ausschloss

Allgemein bekannt ist, dass Frauen viele Jahre vom SAC ausgeschlossen waren. Wenige wissen aber, dass die Frauen in den Jahren gleich nach der Gründung des SAC noch willkommen waren und aktiv mittun durften. Ein Rückblick auf die wechselvolle Beziehung zwischen Männern, Frauen und den Bergen.

« In der Stunde der Gefahr soll das Vaterland uns als ganze Männer zählen können, ruhig, ausdauernd im Ertragen von Strapazen, von festem Entschlusse, nie zurück, aber ungestüm vorwärts dringend. Was uns an der Zahl abgeht, wollen wir durch wahrhaft soldatische Eigenschaften ersetzen. Sich diese Erfordernisse anzueignen, dazu dient vor allem auch das Bergsteigen. » Dies schrieb 1891 der Präsident der SAC-Sektion Tödi. Die Ansicht, Bergsteigen sei im Grunde eine paramilitärische Erziehungsanstalt, war typisch für jene nationalistisch aufgeheizte Zeit: Um 1900 huldigten viele einem harten, soldatischen Männer-ideal. Gleichzeitig sorgte man sich, ob der Alltag, der sich durch Industrialisierung und Verstädterung stark verändert hatte, auch wirklich solche Männer her-vorbringe oder ob das Dasein im Büro und in der Fabrik nicht « verweichli-chend » wirke. Unter diesen Vorzeichen sahen viele im Hochgebirge einen Ort, wo man sich in einer Bergtour bestätigen konnte, trotz alldem ein wahrer Mann zu sein.

Die Vorstellung, Bergsteigen sei Männersache, ist teilweise bis heute gängig. Sie stammt allerdings nicht von den Pionieren des Alpinismus, jenen Gletscherforschern und Geologen, die um 1800 begannen, die Alpen zu erkunden. In ihrem Gefolge begannen abenteuerlustige Touristen die Gipfel zu ersteigen, und Mitte des 19. Jahrhunderts war Bergsteigen im europäischen Bürgertum der letzte Schrei. Nicht nur bei Männern. Auch Frauen reisten in die Berge, und in praktisch allen Alpenclubs, die damals gegründet wurden, gab es weibliche Mitglieder, so auch im SAC. Dessen Gründer kamen gar nicht auf die Idee, die Geschlechterfrage sei ein Problem, und fassten die Statuten neutral ab.

In der Walliser Sektion Monte Rosa etwa gab es 1898 vier Frauen unter den 62 Mitgliedern. Eine davon war die englische Bergsteigerin Lucy Walker, die 1871 als erste Frau auf dem Matterhorn gestanden hatte, eine andere Marie Cathrein aus Brig, die 1862 zusammen mit dem Hotelier Alexander Seiler die Dufourspitze bestiegen haben soll. Zudem begleiteten zahlreiche Frauen ihre Ehemänner und Brüder, ohne selber Mitglied zu werden.

Dieses geschlechtergemischte Bergsteigen wurde um 1880 allerdings plötzlich zum Problem. Die Berner Malerin Hanni Bay erfuhr dies am eigenen Leibe: Sie kochte 1904 den ganzen Sommer für ihre SAC-Kameraden, als diese oberhalb von Grindelwald die Berglihütte errichteten. Als der Bau fertig war, wollten die Männer die tüchtige Helferin ins Tal zurück-komplimentieren, um die Einweihung durch eine reine Männergesellschaft vorzunehmen. Doch Bay liess sich nicht beirren, sondern blieb einfach da. Die Geschichte ist symptomatisch für die damaligen Ereignisse. Denn die Diskussion um die « Frauenfrage » war bereits im vollen Gange. 1879 war sie erstmals an einer Versammlung des Gesamtclubs thematisiert worden: Die Sektion Winterthur schlug vor, die Statuten so zu ändern, dass die Frauen nicht nur « mitgemeint », sondern auch tatsächlich genannt würden. Dies hätte bedeutet, dass nicht mehr die Sektionen eigenmächtig über die Frauenfrage entscheiden konnten, und das führte zu Unstimmigkeiten. Bezeichnenderweise wurde die als heikel empfundene Angelegenheit nicht an einer AV diskutiert, sondern verschoben, ein ganzes Jahr lang. Bis schliesslich der Sektion Rhätia der Kragen platzte. Die Bündner hatten für ihr Mitglied Hermine Tauscher-Geduly einen Clubausweis beantragt, als Voraussetzung dafür, dass sie Vergünstigungen in Bahnen und Berghütten erhielt. Die Vereinsleitung weigerte sich aber, Ausweise für Frauen auszustellen, solange die Frage der Mitgliedschaft nicht grundsätzlich geklärt war.

Schliesslich stellte sich die Vereinsleitung gegen weibliche Mitglieder und meinte, man habe 1863 « einen Verein von Männern zu gründen gedacht ». Wirklich an einer AV geklärt wurde die Frage aber nicht, und so entschieden weiterhin die Sektionen, wie sie es halten wollten. Allerdings wurde die Sache im Verlauf der Debatte immer mehr zur Grundsatzdiskussion über das Wohl und Wehe des SAC. 1907, genau vor hundert Jahren, wurde der SAC dann mit grosser Mehrheit zum reinen Männerclub erklärt. Er ist bis heute der einzige Alpenclub geblieben, der die Frauen aktiv ausgeschlossen hat. Der englische Alpine Club hatte Frauen gar nie zugelassen, die Alpenvereine Frankreichs, Deutschlands und Österreichs kannten keine ge-schlechtsspezifische Einschränkung der Mitgliedschaft, und der italienische Alpenclub hatte geschlechtergetrennte Sektionen.

Jene Frauen, die bereits SAC-Mitglied waren, durften bleiben; mit ihnen wollte offenbar niemand streiten, bloss das Clubabzeichen hätten sie nicht mehr tragen sollen. Manche Männer hätten wohl am liebsten gesehen, wenn die Frauen einfach von selber verschwunden wären. Hanny Bay etwa wurde fortan in den Briefen vom SAC als « Herr Kunstmaler H. Bay » angeschrieben. Was nicht sein sollte, wurde zur Not einfach ignoriert.

Die Bergsteigerinnen liessen den Ausschluss nicht auf sich sitzen, sondern gründeten 1918 kurzerhand einen eigenen Verein, den Schweizer Frauen-Alpen-club SFAC. Die Initiative kam von der Hotelière Aline Margot-Colas aus Montreux. Sie und ihre Mitstreiterinnen organisierten ein anspruchsvolles Tourenprogramm und fanden in der ganzen Schweiz schnell zahlreiche Mitglieder. Schon nach fünf Jahren zählte der SFAC 19 Sektionen und erreichte mit rund 1200 Mitgliedern etwa einen Zehntel der Grösse des damaligen SAC; 1959 stand der Club mit fünfzig Sektionen auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Der SFAC bot seinen Mitgliedern einen geschützten Rahmen, um einer Tätigkeit zu frönen, die inzwischen für Frauen als ungehörig galt, und in der Clubzeitschrift fanden sie eine Möglichkeit, über ihre Touren selbstbewusst zu berichten. Dort klang es dann bisweilen ganz ähnlich wie bei dem eingangs zitierten SACler. « In dieser Schule der Kaltblütigkeit und der Energie, der Ausdauer und des Mutes ist eine neue weibliche Generation entstanden, welche die Beherrschung ihrer selbst erringen will durch die Eroberung der Berge », schrieb 1944 eine der Frauen über das Bergsteigen. Gegen aussen gaben sich die Bergsteigerinnen allerdings bescheiden. In der SAC-Zeitschrift kündigten sie ihren neuen Verein folgendermassen an: « So ist denn in aller Stille und Bescheidenheit dem SAC eine kleine Schwester erstanden, die zwar naturgemäss niemals auch nur von ferne an Ausdehnung und Leistungsfähigkeit ihrem grossen Bruder nahe kommen wird, aber gleichwohl in der Entwicklung des Alpinismus ein le-benskräftiges und existenzberechtigtes Glied bilden wird. »

Trotz diesen schmeichelhaften Worten ignorierte der SAC den neuen Club weitgehend, zumindest in den offiziellen Publikationen. Im direkten Kontakt waren die Männer vom SAC meist wohlwollend, wenn auch ziemlich herablassend. Waren sie allein, spotteten sie jedoch zum Teil sehr bösartig über die Alpinistinnen: An zahlreichen offiziellen Fest-anlässen des SAC wurden die Frauen als Verrückte dargestellt, denen es angeblich nicht ums Bergsteigen ging, sondern darum, die traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter zurückzuweisen. Oder es wurde geargwöhnt, die Frauen suchten in den Bergen bloss einen Mann. Dass die Bergsteigerinnen die Grenzen der damals gängigen Geschlechterrollen überschritten, führte offenbar zur Befürchtung, derart selbstbestimmte Frauen brächten die ganze Gesellschaftsordnung durcheinander. Die vereinsmässige Separation der Geschlechter dauerte noch bis 1979. Dann fusionierten die beiden Clubs, was die meisten Bergsteigerinnen als Fortschritt empfanden. Allerdings gab es auch eine Schattenseite: Im Grunde wurde der SFAC damit nämlich vom SAC geschluckt, die Frauen mussten sich in den Männerclub eingliedern, und der Freiraum für die Frauen verschwand. Manche waren deshalb auch gegen die Fusion und blieben noch eine Zeit lang als reine Frauensektionen bestehen.

Literatur

Wirz, Tanja: Gipfelstürmerinnen. Eine Geschlechtergeschichte des Alpinismus in der Schweiz 1840–1940, Hier+Jetzt Verlag, Baden 2007, ISBN 978-3-03919-033-1. Fr. 68.–, für SAC-Mit-glieder Fr. 59.– ( nur beim SAC-Verlag, Bern )

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