Höhenbergsteigen wirkt sich auf das Gehirn aus. Erstmals sichtbar gemacht
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Höhenbergsteigen wirkt sich auf das Gehirn aus. Erstmals sichtbar gemacht

Höhenbergsteigen

wirkt sich auf das

Gehirn aus

Aufenthalte in grosser Höhe, wie bei- spielsweise beim Höhenbergsteigen im Himalaya, verändern den Zucker- stoffwechsel im menschlichen Ge- hirn. Schweizer Höhenforschern ist es nach einer Expedition auf den Achttausender Shisha Pangma zum ersten Mal gelungen, die Verände- rungen im Gehirn sichtbar zu machen.

Dass Höhenbergsteiger neben techni- schen auch gesundheitliche Risiken auf sich nehmen, ist längst bekannt. Klassi- sche Bergsteigerkrankheiten wie die akute Höhenkrankheit oder das Höhen- lungenödem fordern am Berg regelmäs- sig Opfer. Jetzt sind weitere Auswirkun- gen der Höhe auf den menschlichen Organismus erwiesen: Die Auswertung der 2001 auf einer Schweizer Forschungs- expedition auf die Shisha Pangma, 8046 m, gesammelten Daten hat gezeigt, dass die Höhe den Zuckerstoffwechsel in verschiedenen Hirnregionen unter- schiedlich verändert.

Veränderungen erstmals sichtbar Den beiden Ärzten Tobias Merz, Zürich, und Urs Hefti, Aarau, ist es zusammen mit Spezialisten des Züricher Universi- tätsspitals, PD Dr. Marco Maggiorini und PD Dr. Urs Schwarz, gelungen, die Veränderungen im Stoffwechsel des Gehirns sichtbar zu machen. Merz und Hefti, die während der siebenwöchigen Expedition 2001 im Himalaya als Expe- ditionsleiter im Einsatz waren, können nun zwei Jahre nach der Expedition die Früchte ihrer anstrengenden Forschungsarbeit ernten. Bereits in Kanada und Österreich präsentiert, stos- sen die Neuigkeiten nun auch in der Schweiz und in Deutschland auf grosses Interesse. Zum ersten Mal ist sichtbar, was Forscher, Ärzte und Alpinisten auf der ganzen Welt bisher vermutet haben:

Der Gehirnstoffwechsel reagiert auf grosse Höhen. Tobias Merz, Präsident der Medizinischen Kommission des Erstmals konnte sichtbar ge- macht werden, dass die Höhe den Zuckerstoffwechsel in ver- schiedenen Hirnregionen unterschiedlich verändert.

Ausdauertest auf knapp 7000 m im Rahmen der Expedition auf den Achttausender Shisha Pangma Fotos: Urs Hefti Foto: zvg Hochlager III, ca. 7400 m, der Schweizer Forschungsexpedition auf die Shisha Pangma, 8046 m, im Jahr 2001 D I E A L P E N 9 / 2 0 0 3

Von Hütten und Biwaks

Rifugi e bivacchi Cabanes et bivouacs SAC, ist von den Forschungsresultaten nur teilweise überrascht: « Wir haben Veränderungen im Gehirn erwartet, aber wir hatten keine Ahnung, wie und wo sich der Sauerstoffmangel bemerkbar macht. » Ein Mosaikstein sichtbar Für diese an einem Kollektiv durchge- führten Untersuchung hatten sich alle 12 Expeditionsteilnehmer vor dem Ex- peditionsstart und direkt nach der Rück- kehr aus dem Himalaya einer aufwändi- gen Gehirnuntersuchung zu unterzie- hen. Der Vergleich der von PD Dr. Alfred Buck erstellten Röntgenaufnahmen machte schliesslich die Veränderungen sichtbar. Interessant dabei:

Die Veränderungen sind nicht in allen Gehirnteilen identisch. Während der Zuckerstoffwechsel in bestimmten Ge- hirnregionen während der Expedition zugenommen hatte, reduzierte sich in der gleichen Zeit die Stoffwechselaktivi- tät in anderen Regionen sichtbar. Merz schätzt diese Entdeckung als wichtig ein, denn « diese Unterschiede wurden bisher noch nie beobachtet ». Eine Interpreta- tion der Resultate sei entsprechend schwierig. Welches Ziel der Organismus mit dieser Funktionsveränderung in grosser Höhe verfolgt, wollen die beiden Höhenbergsteiger und Forscher bei ei- ner weiteren Forschungsexpedition zu klären versuchen. Zentrale Frage wird dann sein, ob es sich bei der Reaktion um einen Reparaturmechanismus oder um eine Schutzfunktion handelt.

Höhenbergsteigengesundheitliche Gratwanderung Für den Mediziner und Rettungsarzt Urs Hefti, Präsident der Schweiz. Gesell- schaft für Gebirgsmedizin, bleibt das Höhenbergsteigen eine gesundheitliche Gratwanderung. « Wir haben zwölf gut trainierte Alpinisten untersucht, wes- halb die Resultate nur bedingt auf Durchschnittsbergsteiger zu übertragen sind. Obwohl wir alle gesund zurückge- kommen sind, bleibt Höhenbergsteigen eine Hochrisikosportart », meint Hefti.

Der Entscheid, in lebensfeindliche Zo- nen aufzusteigen, mache immer auch eine « persönliche Risikoauseinanderset- zung » nötig. Daran ändere auch die Einsicht nichts, dass der lang anhaltende « Sauerstoffstress » im Gehirn bei guter Akklimatisation offensichtlich keine bleibenden Schäden verursacht. a To m m y D ä t w y l e r, K ö l l i k e n Shisha Pangma Swiss Expedition 2001 Die « Shisha Pangma Swiss Expedition 2001 » war eine der grössten Schweizer Forschungsexpeditionen der letzten Jahre. Sie stand unter der Schirmherr- schaft der Schweizerischen Gesell- schaft für Gebirgsmedizin ( SGGM ) und wurde unter anderem vom SAC und der Schweizerischen Stiftung für Alpine Forschung unterstützt. Während der siebenwöchigen Expedition haben die zwölf Alpinisten auch noch an einem zweiten Forschungsprojekt gearbeitet.

Sie wollten herausfinden, ob ein spe- zielles Training der Atemmuskulatur den Gesundheitszustand und die Leis- tungsfähigkeit von Alpinisten in grosser Höhe signifikant steigern kann. Für Urs Hefti hat sich das dreimonatige Training mit einem speziell entwickelten « Atem- trainer » auf der Expedition als « hilf- reich » erwiesen. Die Ventilationsfähig- keit der Atemmuskulatur sei jedoch am Berg nur ein « leistungsbegrenzender Faktor unter vielen » gewesen, fasst Hefti die Resultate dieser Studie zu- sammen. Beim Höhenbergsteigen sei die Grundkondition, die Fähigkeit, sich richtig zu ernähren, und das « Lesen der eigenen Körpersprache » – Aufstiegsge- schwindigkeit – ebenso wichtig wie ein vorgängiges Training der Atemmus- kulatur.

Aufstieg ins Hochlager III, ca. 7400 m. Der Aufenthalt in diesen Höhen verändert den Zuckerstoffwechsel im menschlichen Gehirn, wie die Auswer- tung der Expeditionsresultate zeigt.

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