Kleine Geschichte des Wettkampfkletterns
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Kleine Geschichte des Wettkampfkletterns Weltmeisterliche Spannung an Plastikgriffen

Gleich zweimal trifft sich die Weltelite dieses Jahr in der Schweiz – am Lead-klettern in Schlieren bei Zürich und am Boulderwettkampf in Grindelwald. Während vor rund 20 Jahren die ersten internationalen Wettkämpfe noch für Aufruhr und Proteste unter Athleten und Publikum sorgten, herrscht heute eine routinierte, aber nicht minder spannende Atmosphäre.

Am 15. und 16. Juni werden 150 Athleten aus 24 Ländern im Kletterzentrum Gaswerk bei Zürich gegeneinander antreten. Wenn sich die Kletterer an kleinsten Griffen hochkämpfen, werden an die 1200 Zuschauer mitfiebern – für eine so junge Sportart eine beeindruckende Menge.

Denn es ist rund 20 Jahre her, als 1985 im italienischen Bardonecchia der erste europäische Kletterwettkampf stattfand, damals noch an natürlichen Felsen. Mit angeleimten Griffen und geschlagenen Tritten wurde die Felswand auf die gewünschte Schwierigkeit hin künstlich präpariert. Es zählte nicht alleine Schwierigkeit und Kletterzeit, eine Jury verteilte zusätzlich Stilnoten. Rasch erkannte man aber, dass diese Art von Wettkämpfen den Teilnehmenden zu ungleiche Bedingungen boten, da diese stark von äusseren Einflüssen ab-hingen und durch den Massenandrang auch Umweltprobleme auftraten. So war man sich bald einig, Kletterwettkämpfe an künstliche Wände zu verlegen, was 1987 im französischen Lyon zum ersten Mal in die Tat umgesetzt wurde. Ein erster Höhepunkt war dann die im selben Jahr stattfindende Weltmeisterschaft in Grenoble. Weit weg von einer friedlichen Atmosphäre, gaben die noch wenig gefestigten Wettkampfregeln immer wieder Anlass zu heftigen Protesten, sowohl von Seiten der Athleten aber auch des Publikums. Eine Ahnung davon gibt ein Monatsbulletin des SAC von 1988: « Andererseits wurde ebenfalls deutlich, dass ohne klare und für alle ( inkl. den Zuschauern !) einsichtige Regeln, die Durchführung eines solchen Wettkampfes notgedrungen zu Unstimmigkeiten, Protesten und recht fragwürdigen Entscheidungen führen muss. » 1

In der Schweiz nahm der steile Aufstieg der Kletterei an künstlichen Wänden ihren Anfang in einer Berner Turnhalle. Der Akademische Alpenclub Bern ( AACB ) führte ab 1986 als Erster alljährlich Sportkletterwettkämpfe in grösserem Stil durch. Schon 1992 und 1993 fanden dann im Zürcher Hallenstadion die ersten WeltcupVeranstaltungen statt. Seither hat sich die Zahl der internationalen Wettkämpfe vervierfacht. Waren es 1992 noch elf, so sind heute weltweit knapp 40 internationale Anlässe im Kalender zu finden.

Neben der steigenden Popularität des Sportkletterns ist die zunehmende Spezialisierung Grund für die Zunahme der Wettkämpfe. So kamen neben den älteren Disziplinen Lead und Speed ( Geschwindigkeitsklettern ) 1998 die internationalen Boulderwettkämpfe ( ohne Seil, über Absprungmatten ) dazu. Zudem messen sich die Jugendlichen seit 1996 in separaten internationalen Jugendwettkämpfen ( European Youth Cup ).

Auch gibt es neben den offiziellen WeltcupVeranstaltungen, deren Teilnehmer von den nationalen Verbänden bestimmt werden, sogenannte Masters ( z.. " " .B. in Arco ). An die Masters laden die Veranstalter jeweils die Athleten ein.

Auch das Niveau ist stark gestiegen. Erreichten einzelne Wettkämpferinnen vor zehn Jahren mit dem Schwierigkeitsgrad 7a+ noch das Podest an einem nationalen Wettbewerb, klettern heute in der Schweiz die U14-Mädchen ( « Minime » ) auf diesem Niveau. Der Aufschwung des Sportkletterns in der Schweiz wäre aber ohne einen massiven Ausbau der Infrastrukturen nicht möglich gewesen. Hatten die ersten Organisatoren noch mit improvisierten Wänden oder fixen Betonstrukturen auskommen müssen, können sie heute auf zahlreiche kommerzielle Betreiber von Kletterhallen zurückgreifen.

Die Schweiz verfügt heute dank dem SAC über ein gutes Nachwuchs- und Förderungsprogramm. Möglich wurde dies, weil der SAC 1994 nach einem längeren und engagiert geführten Meinungs-bildungsprozess das leistungsorientierte Klettern in seinen Statuten verankerte. Die jahrelange Aufbauarbeit macht sich bezahlt.

Der Dachverband des Leistungssports, Swiss Olympic, teilt die Sportkletterer in die Kategorie 2 ein und ermöglicht damit eine spürbare finanzielle Förderung des Leistungssports. Mit Cedric Lachat, Daniel Winkler, Alexandra Eyer und Matthias Müller verfügt die Schweiz auch über vier internationale Top-Ten-Kletterer. Sie treten in die Fussstapfen der Pionierinnen wie Susi Good, die 1991 als bislang einzige Schweizerin den Weltmeistertitel gewann. Die diesjährige Vergabe von gleich zwei Spitzenanlässen in die Schweiz ist ein weiterer Beweis für die zunehmende Bedeutung des Sportkletterns hierzulande und ein Leistungsausweis für den SAC. Besonders die internationalen Wettkämpfe bieten eine einmalige Plattform, kann doch der SAC einer breiten Öffentlichkeit zeigen, welche Werte ihm wichtig sind. Denn Wettkampf heisst Fairness, Freude an der Leistung und Teamgeist. Dabei sind nicht nur die Kletterer gefordert, sondern auch die Organisatoren und deren Helfer. a Rachel Kernen, Technische Kommission Sportklettern SAC Einmalige Spitze: Die bislang erste und einzige Schweizer Weltmeisterin ist Susi Good. Der Exploit war der damals 25-Jährigen 1991 in Frankfurt gelungen.

Weltcup Bouldern 2007 in Grindelwald Qualifikationsrunden Herren am Freitag, 2. Juni, 9–15 Uhr, Damen 16–20 Uhr; Finalrunden am Samstag, 3. Juni, 9–11.30 sowie 19–2O.30 Uhr. Die Wettkämpfe finden draussen auf dem Bärenplatz statt. Weitere Infos unter www.eigerlive. ch/cms/front_content.php?idcat=83 Wettkampfdaten Weltcup Lead 2007 im Gaswerk ( ZH ) Freitag, 15. Juni: 9–13 Uhr Qualifikation Damen, 14.30–17.30 Uhr Qualifikation Herren, 19–22 Uhr Halbfinal Damen; Samstag 16. Juni: 11–14 Uhr Halbfinal Herren, 18.45–20 Uhr Final Damen, 20-22 Uhr Final Herren. Tickets sind im Kletterzentrum Gaswerk erhältlich. Mehr Infos unter www.kletterzentrum.com

Startschuss: Die erste « in-offizielle Sportkletter-Weltmeisterschaft » in einer Halle fand 1987 in Grenoble ( F ) statt. Die Schiedsrichter hingen am Rand der Wand, um die maximal erreichte Höhe mit Messlatten überprüfen zu können. Hier klettert der Österreicher Gerhard Hörhager. 

Infrastruktur: In Konstanz ( D ) weihte die Hochschule 1989 eine der bis dahin grössten Be-tonkletterwände ein. Konzipiert wurde sie von Urs Gebauer, Hanspeter Sigrist und Lorenz Radlinger.

Foto: Etienne Gr oss Foto: Etienne Gr oss

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