Klettern gegen die Uhr: Die Russen sind nicht zu schlagen
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Klettern gegen die Uhr: Die Russen sind nicht zu schlagen

Die Russen sind nicht zu schlagen

Seit es internationale Wettkämpfe im Speed Climbing gibt, räumt der Osten ab. Nun ziehen die anderen Kletternationen nach.

Speed Climbing ist, wenn zwei Athleten praktisch blindlings eine Wand mit -rie-sigen Griffen hochrennen und am Schluss ein Russe gewinnt. Manchmal ist es auch ein Ukrainer, ein Pole oder ein Kasache. Böse Zungen sagen: Im Geschwindigkeitsklettern lebt die Sowjetunion weiter. Zusammen holten die ehemals kommunistischen Staaten 72% aller WM-Medaillen und belegten 69 von 72 Podestplätzen in der Gesamtwertung des Speedweltcups. Warum klettert der Osten so viel schneller – besonders gegenüber den -Alpenländern, Spanien, Japan und weiteren, welche die anderen Sportkletter-disziplinen dominieren? Die eine Hälfte der Antwort ist das oben angeführte -Klischee: Speed Climbing hat mit der Königsdisziplin Schwierigkeitsklettern nichts zu tun, denken viele, das ist etwas für gedrillte Kraftpakete, die die immer gleichen Bewegungsabläufe abspulen. Wegen dieses Vorurteils trainiert in den Ländern, die im Lead und Bouldern stark sind, kaum jemand ernsthaft Speed Climbing.

Tradition und systematisches Training Ganz im Gegensatz zum Osten. Alexander Piratinskiy, seit über 40 Jahren Trainer in Russland, erklärt: « Klettern auf Zeit hat Tradition bei uns. Schon 1947 gab es einen Wettkampf an einer natürlichen Wand auf Zeit. » Mit dem heutigen Speed Climbing hatten die sowjetischen Wettbewerbe allerdings wenig zu tun. Es ging manchmal über mehrere Seillängen. Die Sieger konnten bis zu einer Stunde unterwegs sein. « Aber es lief immer eine Stoppuhr, und das bedeutete, dass man so schnell kletterte, wie es ging. » Systematisches Training sei das andere Element, erklärt der 66-Jährige, der an der Universität Jekaterinburg einen Lehrauftrag in Wettkampfklettern hat. « Vielen anderen Nationen war das Geschwindigkeitsklettern einfach nicht wichtig », bestätigt er. Hingegen wehrt er sich gegen die Ansicht, der Osten habe nur gute Speed Climber hervorgebracht. « Athleten aus dem Osten haben in sämtlichen Disziplinen Medaillen geholt. » Sieben Sekunden für 15 Meter den letzten Jahren ist die Bedeutung des Speed Climbing gestiegen, auch dank Piratinskiy, der nicht nur Cheftrainer und Präsident des russischen Verbands ist, sondern auch Vizepräsident des Internationalen Sportkletterverbands. Seit 2005 gibt es auf der ganzen Welt standardisierte Wände und Griff-abfolgen, an denen um den Weltrekord über 10 und 15 Meter geklettert wird. Weltrekordhalter ist jedoch kein Russe, sondern Qixin Zhong aus China, der für die längere Strecke 64 Sekunden benötigt. Piratinskiy hat auch mit chinesischen Athleten gearbeitet. « Die Chinesen wollen gewinnen und haben im Speed Climbing die Disziplin erkannt, in der ihnen das am schnellsten möglich ist », interpretiert er. Natürlich lässt sich das Bild der menschlichen Maschine, die zum Wohl des Vaterlands tagaus, tagein den gleichen Bewegungsablauf übt, auch auf den neuen Star der Disziplin anwenden, doch die Sportart bietet mehr. Auch Hanspeter Sigrist, Chef Sportklettern des SAC, hat seine Meinung über den Kletterspurt geändert: « Es ist eine andere Faszination, und die Zeiten, die inzwischen erreicht werden, sind gewaltig. » An der WM 2009 in China waren die Speedwettkämpfe am besten besucht. An vier parallelen Linien jagten die Athleten im K.o.System die Wände hoch. Auf dem Weg zu Olympia Inzwischen wird Speed Climbing auch in der Schweiz ernster genommen. Severin Hefti wurde 2009 Schweizer Meister. Zur Überraschung vieler schlug der -Regionalkaderathlet aus Luzern die fast komplett anwesende Nationalmannschaft. Selber war er nicht ganz so überrascht: « Mein Vorteil ist, dass ich recht gross bin und viel Kraft in den Beinen habe. Und natürlich habe ich mich gezielt vorbereitet. » Der immer gleiche Bewegungsablauf stört ihn nicht. « Jede Hundertstelsekunde, die man schneller sein will, ist eine Herausforderung. » Ob er die Wand mit verbundenen Augen schaffen würde? « In der Vorbereitung auf die Schweizer Meisterschaften hätte ich das sicher geschafft. » Alexander Piratinskiy hat ein Ziel: « Ich will, dass unser Sport olympisch wird. Mit Speed haben wir wohl die besten Chancen. » Hanspeter Sigrist wird deutlicher: « Wenn eine Kletterdisziplin olympisch wird, dann ist es zuerst Speed Climbing. » Die Vorteile liegen auf der Hand: Jeder versteht, worum es geht, und das Resultat ist auf die Hundertstelsekunde präzis. Nicht wie im Schwierigkeitsklettern, wo der direkte Vergleich fehlt, weil die Athleten nacheinander klettern, und oft die Jury entscheiden muss, wer gewonnen hat. Nun beginnen die traditionellen Kletternationen nachzurüsten. An der Junioren-WM wurde ein Italiener Speedweltmeister der A-Jugend – neben zwei Russen, zwei Russinnen und einer Polin, die in den weiteren Altersklassen gewannen.

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