Kühe – ein Risiko für den Bergwanderer? Halt, du Stier!
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Kühe – ein Risiko für den Bergwanderer? Halt, du Stier!

Wer als Bergwanderer unterwegs ist, quert auch bestossene Alpen. Dabei kommt es immer wieder und immer öfter zu heiklen Zwischenfällen. Schwere Unfälle hingegen sind nur wenige bekannt.

Szene 1: Im Aufstieg von Scharans zum Stätzerhorn passiere ich kurz unterhalb des Grates die Alp Raschil. Gesenkten Kopfes marschiere ich eilends an den lagernden Kühen vorbei, denn der Sonnenuntergang oben auf dem Gipfel wartet nicht extra auf mich. Plötzlich glaube ich vor einer braunen Mauer zu stehen. Langsam hebe ich meinen Kopf. Direkt vor meinen Augen zwei triefende Nasenlöcher, so gross wie Autobahntunnels, rechts und links davon zwei Stierenaugen – wie schön sagt es doch der Volksmund – so gross wie Spiegeleier. Dahinter ein Gewaltskasten von einem Muni, kapital genug, um beim Eidgenössischen Schwingfest als erster Preis alle Ehre einzulegen. Nun ja, vor Kühen habe ich keine Angst, wirklich nicht, aber der hier! Freundlich verlegen grüsse ich, mache einige Schritte zurück und danach klopfenden Herzens einen Riesenbogen um dieses Tier. Er glotzt mich an, bleibt aber stehen. Gott sei Dank.

Ruhe bewahren

« Stiere sind unberechenbar », sagt Thomas Kaspar von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft ( BUL ). So verletzte ein Stier vor einigen Jahren einen 83-jährigen Mann beim Durchqueren einer Weide in Herisau tödlich. Was tun, wenn man plötzlich einem solchen Tier gegenübersteht? « Das Wichtigste ist: Ruhe bewahren und nicht mit dem Stock herumfuchteln », sagt Thomas Kaspar. « Dann soll man langsam rückwärts aus dem Revier hinausgehen und dabei dem Tier ja nicht den Rücken zudrehen. » Bei Stieren empfiehlt Kaspar, einen Sicherheitsabstand von zwanzig bis fünfzig Metern einzuhalten. Und noch etwas: Unbekannte Gerüche, zum Beispiel Parfums, können Stiere besonders unruhig machen.

Kühe sind Distanztiere

Szene 2: Mike Hilzinger ist mit dem Mountainbike im Tösstal unterwegs. Die Stelle, wo ihm eine Kuhherde den Weg versperrt, ist eng. Vorsichtshalber steigt er ab und zwängt sich dann mit seinem Bike zwischen den trägen Leibern hindurch. Der Schlag eines der Rinder mit dem linken Hinterlauf ist trocken und unvermittelt. Er trifft glücklicherweise nur das Bike und knickt dabei eine Spei-che des Hinterrades. Kühe sind Distanztiere. Ihr Blickfeld umfasst den Winkel von ca. 270 Grad. Alles, was dahinter ist, bleibt im toten Winkel. « Nähert sich eine Person plötzlich aus dem toten Winkel, ist eine Ab-wehrreaktion des Tieres zu erwarten », schreibt das BUL in seiner Broschüre zu Vorsichtsmassnahmen in der Tierhaltung.

Scheue Mutterkühe

Szene 3: Ende Juni wird ein Ehepaar mit seinem Hund oberhalb von Schuders im Kanton Graubünden von Rindern angegriffen. Die beiden Wanderer erleiden Knochenbrüche, Prellungen und Quetschungen. Sie sind kein Einzelfall. So wurde 1995 ein Ehepaar mit zwei Hunden am Fuss des Chasseral von Mutter-kühen niedergetrampelt und verletzt. « Kühe können nicht zwischen Hund, Wolf oder Fuchs, ihren natürlichen Feinden, unterscheiden », erklärt Thomas Kaspar. Speziell Mutterkühe bangen um ihre Kälber und greifen Hunde möglicherweise an. Sie sind auch scheuer, weil sie nicht wie die Milchkuh zweimal täglich gemolken werden. Hundehalter können bei einem solchen Angriff zwischen die Fronten geraten und überrannt werden. Stiere sind unberechenbar. Ein Sicherheitsabstand von zwanzig bis fünfzig Metern sollte eingehalten werden.

Wer eine bestossene Alpweide quert, sollte daran denken, dass Kühe ein Blickfeld von ca. 270° haben. Was aus dem toten Winkel herauskommt, kann bei den Tieren eine mehr oder weniger heftige Reaktion hervorrufen.

Foto: David Coulin Foto: Ernst Zbären

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« Im Notfall ist es am besten, den Hund loszulassen », rät der Fachmann, « denn der Hund ist das eigentliche Ziel des Angriffs. » Ansonsten sollten Hunde auf Weiden immer an der Leine geführt werden.

Zeichen nicht missachten

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft befürchtet, dass solche Zwischenfälle zunehmen. Denn Rinder und Kühe müssen heute gemäss dem Tierschutzgesetz auf die Weide gebracht werden. Die neuen Haltungsfor-men gewähren den Tieren im Laufstall und auf der Wiese viel Freiheit. « Schnell ist es passiert, dass ein Wanderer gerade bei Mutterkuhhaltung zwischen Kuh und Kalb gerät und diese Beziehung stört », sagt Thomas Kaspar. « Selbst ein gutmütiges Steicheln des Kälbchens kann bei der Mutter das Gefühl hervorbringen, dass ihr Kalb in Gefahr ist. » Normalerweise zeigt sie das aber an mit Drohge-bärden wie Senken des Kopfes, Hin- und Herstampfen oder Brüllen – Zeichen, die man nicht ignorieren sollte. 1 a David Coulin, Horw 1 Die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft ( BUL ) hat ein Merkblatt mit Verhaltenstipps herausgegeben. Bezugsadresse: BUL, Postfach, Picardiestr. 3, 5040 Schöftland, Tel. 062 739 50 40, Fax. 062 739 50 30, E-Mail bul@bul.ch. Weitere Informationen unter www.bul.ch Richtiges Verhalten beim Queren von bestossenen Alpweiden heisst: sich ruhig bewegen und Kühen nie direkt in die Augen blicken.

Foto: Kur t S

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