Leben auf dem Dom
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Leben auf dem Dom

Am Dom ( 4545 m ) in der Mischabelgruppe wurde vor Kurzem der höchste Standort einer Blütenpflanze in ganz Europa entdeckt.

40 Meter unter dem Gipfel fanden sich in 4505 Metern Höhe üppig blühende Kissen des Gegenblättrigen Steinbrechs ( Saxifraga oppositifolia ). In seinem Abfall tummelten sich zahlrei- che Springschwänze ( Thalassaphorura zschokkei ), ein Urinsekt, dessen Verwandte auch als Gletscherflöhe bekannt sind. Da höhere Gipfel wie der Mont Blanc fast vollständig unter Eis und Schnee liegen, ist dort dauerhaftes Leben kaum möglich. Auch der bisherige Höhenrekord stammt vom Dom. 1978 berichteten die Bergführer Pierre und Grégoire Nicollier ( Sion ) von einem Fund des Zweiblütigen Steinbrechs ( Saxifraga biflora ) 55 Höhenmeter tiefer, bei späteren Wiederbegehungen der Südroute waren diese Pflanzen nicht mehr zu finden. Dank einer Temperatursonde sind die Lebensbedingungen der Rekordhalter bekannt. Während der etwa zweimonatigen, zeitweise schneefreien Periode liegt die Durchschnittstemperatur zwischen den Felsblöcken bei drei Grad Celsius. In jeder Nacht frieren Pflanzen und Tiere ein. Bei Sonnenschein kann sich die Nische aber für kurze Zeit bis auf 18 Grad aufwärmen, obwohl die Lufttemperatur unter null Grad bleibt. Den Lebewesen genügen etwa 600 Stunden pro Jahr, in denen ihre Körpertemperatur drei Grad übersteigt. Die ältesten Pflanzenreste unter Mooskissen am Gipfel wurden mit der 14 C-Methode datiert. Dabei ergab sich ein Alter von etwa 13 Jahren. So lange braucht es in dieser Höhe, bis tote Blättchen abgebaut werden. Die Steinbrechkissen sind so gross, dass sie wohl schon einige Jahrzehnte dort oben leben. Dass sie keimfähige Samen ausbilden, ist nahezu ausgeschlossen. Es darf daher angenommen werden, dass der Wind die Samen hochgeblasen hat. Es grenzt an ein Wunder, dass sich Pflanzen in dieser Kältewüste etablieren konnten und dass neben unsichtbaren Pilzen und Bakterien gleich noch deren « Konsumenten » in Gestalt der Springschwänze zur Stelle sind.

 

 

Weiterlesen:

www.nzzfolio.ch > suche > Floh mit Frostschutz ( « Die Alpen » 1/2010 )

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