«Plaisir» im Melchtal. Sportkletter-Eldorado in der Innerschweiz
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«Plaisir» im Melchtal. Sportkletter-Eldorado in der Innerschweiz

Sportkletter-Eldorado in der Innerschweiz

« PLAISIR » IM MELCHTAL

die schöne Reibungskletterei an der Ofenkante im Osten oder die Nordkante des Brünighaupts in den westlichen Melchtaler Alpen.

Die Kletterarena

Kaum haben Sportkletterer kurz nach Kerns den Klettergarten Burgfl uh und danach den engen Eingang ins Melchtal passiert, sind sie von Bohrhaken direkt umzin-geltin unmittelbarer Nähe des Talbodens oder gut tausend Meter höher, wo die Steinadler ihre Runden drehen.

Als Walter Britschgi 1978 zusammen mit Oski Ackermann die Südwand des Ofen anging, war Plaisirklettern im Melchtal – und auch anderswo – ein Fremdwort. Die Routen waren an einer Hand zu zählen, und zur Sicherung dienten ein paar rostige Haken, die höchstens noch den Teufel gehalten hätten. Seither geht ein grosser Teil der Bohrhaken, die im Melchtaler Malmkalk stecken, auf Britschgis Initiative zurück, jeweils im Team eingebohrt. Viele haben hier ihre Spuren hinterlassen, besonders am Ofen, wo die Erschliessung in zwei Wellen erfolgte: In den Achtzigerjahren warens neben Britschgi vor allem Franz Thalmann, Stefan Felder und Thomas Schnider, ein Jahrzehnt später Kurt Winkler und Peter Schoch. Dank aufwändiger Sanierungen und umsichtiger Routenplanung zählt die Wand heute zu den bedeutendsten Sportklettergebieten der Innerschweiz.

Früh genug erkannten die Obwaldner Kletterer die grosse Zahl an Wänden, in denen sich am kompakten Hochgebirgskalk allemal Routen lohnen. In den Neunzigerjahren entstanden die leicht erreichbaren Gebiete am Westhang des Tales, die Cheselenfl ue durch Walter Britschgi, Stefan Degelo und Regula Furrer, ergänzt durch einige Routen von Sebastian Huber, dann die Goldgrube

Leichter als man denkt: In der Route « Steinbock », 6a+, im Klettergebiet Ofen, kann man den ausladenden Dächern ausweichen. Umso mehr geniesst man den Ausblick auf den Rotsandnollen im Hintergrund. Bergführer Gusti Imfeld im oberen plattigen Wandbereich der Route « Steinbock », 6a+, im Klettergebiet Ofen Fotos: Lorenz A. Fischer

Sportkletter-Eldorado in der Innerschweiz

« PLAISIR » IM MELCHTAL

Blick auf das Klettergebiet Ofen mit der Nünplatten ( l. ), dem Sektor Dach ( Mitte l. ) und dem zentralen Wandteil ( M. ) In der zweiten Seillänge der Route « Flueblüemli », 6b+, Klettergebiet Ofen, findet sich eine Platte mit grossen Griffen. Abendstimmung im Klettergebiet Ofen. Erschliesser Walter Britschgi im Quergang einer seiner neuesten Routen « Abendrot », 5 c Foto: Lor enz A. Fischer Foto: Walter Britschgi Foto: Lor enz A. Fischer Der Sektor Dach im Klettergebiet Ofen mit den gut abgesicherten Routen wie « Der Vogel und das Kind » oder « Steinbock ». Durch die Umgehung der Dachseillänge über die Routen « Highlight » und « Abendrot » erspart man sich die 20-m-Tra-verse in künstlicher Kletterei.

Querrillen und Löcher prägen die vielen plattigen Seillängen im Klettergebiet Ofen. In der Route « Der Vogel und das Kind », 6a+ Foto: Walter Britschgi Foto: Lor enz A. Fischer

und die Routen ober- und unterhalb der Flüelibalm durch Markus von Flüe, Markus Burch und Walter Britschgi. Ende der Neunzigerjahre erhielt die Kletterarena Zuwachs im unteren und obersten Schwierigkeitsbereich, und zwar durch die Bergführer Niklaus Kretz und Hans Ettlin an den teils kinderfreundlichen Bändern des Bonistocks sowie durch Peter Keller und Andreas Audétat am bis zu 15 m überhängenden Profil des Krähennests. Damit wurde sowohl die Palette der Schwierigkeitsgrade als auch jene der Eigenschaften der Routen – von Reibungs- über Henkel- bis feinste Leistenklettereiabgedeckt. Das Krähennest erhielt seinen Namen übrigens von jenen schwarzgefiederten Vögeln, die oberhalb der Route « An-trax » auf einem Felsband sassen, zudem sonst niemand hinzukommen schien, schon gar keine Plaisir-Kletterer. 2

2 Im Melchtal wurden in den letzten dreissig Jahren mehrere hundert Routen eingerichtet. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht das Werk der wenigen Kletterer allein ist, die im Text genannt wurden, sondern dass hier viele weitere « angefressene Bergarbeiter » unzählige Stunden in den Seilen hingen, um entweder selber zu bohren oder die Bohrenden zu sichern. Aus Platzgründen und der Übersichtlichkeit wegen konnten nicht alle aufgezählt werden. Ihre Namen finden sich teilweise in den entsprechenden Topos, vgl. Allgemeine Informationen Literatur.

Plaisir pur

Das Melchtal hat sich vorwiegend zu einem Plaisir-Eldo-rado entwickelt, weil hier viele Erschliesser und Sanierer die gleiche Vorstellung darüber teilen, wie ein Klettergebiet für ein breiteres Publikum beschaffen sein muss: kurze Zustiege, perfekte Absicherung und zahlreiche leichte Touren. Diese Faktoren haben das Gebiet von Melchsee-Frutt für viele Amateure und Familien zur Nummer 1 gemacht, die im Melchtal – wie natürlich auch alle anderen Kletterer – gern gesehene Gäste sind. « Plaisir » bedeutet Genuss, und den findet man im Melchtal spielend. Routen wie « Blauer Käfer » in der Cheselenflue, 6 SL, 6a+, und « Hexentanz » im Ofen, 8 SL, 5 c+ A0, halten das Versprechen problemlos.

Allgemeine Informationen

Zugang: Mit der Bahn bis Sarnen, von dort Postautobe-trieb ins Melchtal bis zur Stöckalp, der Talstation der Gondelbahn Stöckalp-Melchsee-Frutt. Dort grosser Gratis-Parkplatz. Im Sommer ist die Strasse offen nach Melchsee-Frutt, kostenpflichtiger Parkplatz, mit Ein-bahnbetrieb: bergwärts alle geraden Stunden, talwärts alle ungeraden Stunden. Fahrpläne und weitere Infos unter www.melchsee-frutt.com. Unbedingt Fahrverbote einhalten. Die örtliche Polizei verteilt Bussen.

Material: Die vorgestellten Sektoren sind nahezu alle vollständig mit Bohrhaken, Standplätzen und Umlenkungen ausgerüstet. Wenn in den Führern nicht anders vermerkt, reichen in den meisten Gebieten 50-m-Seile und 16 Express.

Karte/Literatur: LK 1:25 000, Blatt 1190 Melchtal und 1210 Innertkirchen; SAC-Kletterführer Zentralschweizerische Voralpen von Urs Lötscher ( Ofen, Goldgrube,

Stefan Degelo in « Blauer Käfer », 6a+, der wohl beliebtesten Route der Cheselenflue Fotos: Lor enz A. Fischer Die einladenden Wände des Klettergebiets Cheselenflue über dem herbstlichen Buchenwald mit der markanten Gipfelpyramide des Brünighaupts

Flüelibalm, Burgfluh ), SAC-Clubführer Zentralschweizerische Voralpen von Willy Auf der Maur ( Ofen, Brünighaupt u.a. ), Filidor-Führer Plaisir OST von Jürg von Känel ( Ofen, Cheselenflue, Melchsee-Frutt )

Unterkünfte: im Dorf Melchtal Hotel-Restaurant Nünalp, www.nuenalp.ch, oder günstig im Kloster, www. kloster-melchtal.ch; auf Melchsee-Frutt Berghotel Bonistock, www.bonistock.ch; für Touren am Brünighaupt Berghotel Älggi-Alp, Tel. 041 675 13 62. Alle Unterkünfte sind auch für Gruppen geeignet. Zeit: Die meisten Gebiete sind süd- bis ostexponiert, reichlich besonnt im Winter, weshalb schon früh im Jahr bis weit in den Herbst – evtl. Zustiege dann auch mit Ski oder Schneeschuhen – geklettert werden kann. Winter-tipp: mit der Gondelbahn nach Melchsee-Frutt, mit den Ski in 15 Min. zu den Einstiegen und nachmittags die Pisten befahren.

Herbststimmung im Melchtal mit den ehemaligen Militär-unterkünften im Vordergrund und dahinter den Felswänden mit den Klettergärten Flüelibalm Dossen, Flüelibalm und Goldgrube ( l. ) Fast ebenso anspruchsvoll wie das Hinauf ist das Hinunter: Nach dem letzten Stand des « Blauen Käfers », 6a+, sind noch über 100 m Abseilfahrt in zwei Etappen zu bewältigen. Bergführer Armin Steiner in der luftigen Schlüsselseillänge « Memmen vom Mem-mental », 7a, Klettergebiet Cheselenflue, mit dem weit ausladenden Dach. Im Hintergrund das eingeschneite Klettergebiet Ofen und darüber der Huetstock

Sektoren

Ofen, diverse Sektoren: 1,7 km hinter Melchtal links abbiegen und bis zum Fahrverbot, mit Bike oder zu Fuss zur Alp Unter Boden und auf Wanderweg bis unterhalb Wolfisalp, von hier nordwärts zum Wandfuss, 1870 m, 2 1 / 2 h von Melchtal; Wandhöhe 190 m; ca. 35 Routen, ( 6a bis 7 c )

Burgfluh: Parkieren in Kerns. 400 m der Hauptstrasse nach Melchtal folgen, dann links abbiegen in Richtung Halten, nach 400 m nordwärts zu den Felsen auf Privat-gelände620 m ü. M.; 15 Min. von Kerns; 14 Routen ( 5 c bis 7b )

Melchsee-Frutt, Bonistock: Von der Bergstation der Gondelbahn 500 m dem Seeufer entlang, dann nordöstlich zu den lang gezogenen Bändern des Bonistocks; 1930 m ü. M.; 15 Min.; Wandhöhe 10 bis 60 m; über 100 Routen ( 3b bis 7a ), davon ca. 80 im Schwierigkeitsgrad 6a und leichter

Brünighaupt, Nordseite: ab Sachseln auf der Bergstrasse zur Älggi-Alp ( Berghotel ), in Richtung E auf den Nordsattel und südwärts zum Einstieg; 2150 m ü. M.; 1 Std. ab Berghotel. Routen in der N-Wand 4–5 SL/6 c und die N-Kante 7 SL/5 c, Klemmkeile nützlich

Cheselenflue: von der Stöckalp der Strasse bzw. dem Wandweg nach Melchsee-Frutt folgen bis Pt.1475 auf LK, dann nordwärts zu den Sektoren Meteorit und Chaltbach; 1500 m; 1 Std. Wandhöhe 200 m, 14 Routen ( 5 c+ bis 7a ). Sektor Flaschengeist im südlicheren Wandteil, ca. 5 Routen ( 6 c+ bis 7b )

Goldgrube: nach den ersten Baracken vom Parkplatz westwärts über die Brücke, nach dem Hof südwestlich dem Bächlein folgen, dann steil in den Wald hoch und

Im Klettergarten Boni auf Melchsee-Frutt: Gusti Imfeld klettert die Route « Heilig-geischt », 6b. Regula Furrer in der Route « Heiliggeischt », 6b, an einem milden Wintertag auf 2000 m Höhe Fotos: W alter Britschgi

dem Bächlein entlang zur Wand; 1140 m ü. M.; 30 Min.; 8 Routen ( 6b bis 7b ); bis 23 Express

Flüelibalm: wie Goldgrube, aber nach dem Hof dem Wanderweg folgen bis zur Waldlichtung der Flüelibalm, dann links halten zu den Felsen; 1300 m ü. M.; 45 Min.; 9 kurze Routen ( 5 c bis 7 c ) Flüelibalm-Dossen: wie Goldgrube, aber nach dem Hof 300 m der Alpstrasse folgen bis zu zweitem Parkplatz, nach weiteren 100 m steil durch den Wald hoch zur Wand; 1080 m ü. M.; 15 Min.; 4 Routen ( 6a bis 7b+ ), 1 davon mit 44 Kunstgriffen, 6b, und 1 Route mit 5 SL/7b+ max.

Krähennest: nach dem Ort Melchtal hinunter zur Melchaa, über die Brücke zu Pt. 870 auf LK, dann links halten und steil durch den Wald zu den Einstiegen; 980 m ü. M.; 20 Min.; ca. 15 Routen ( 6b bis 8 c ) a

In der Route « Boniwäg », 6b, im Klettergarten Boni auf Melch-see-Frutt. Im Hintergrund Titlis und die Wendenstöcke aus eher ungewohnter Perspektive

Alpine Geschichte, Kultur, Erzählungen

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