Routenbau auf höchstem Niveau. Lizenz zum Schrauben
Unterstütze den SAC Jetzt spenden

Routenbau auf höchstem Niveau. Lizenz zum Schrauben

Routenbau auf höchstem Niveau

Damit die Kletterelite an Wettkämpfen zeigen kann, was sie draufhat, braucht es entsprechend schwere Routen. Für Weltcups werden daher die besten Routenbauer aufgeboten. Ihr Ziel: Nur ein einziger Athlet darf die schwierigste Route schaffen.

2005 fand im Kletterzentrum Gaswerk in Schlieren ein Kletterweltcup statt, 2007 folgt der nächste. Bereits sind erste Vorbereitungen am Laufen. Ein wichtiger Bereich ist der Routenbau. Als Erstes wird vom International Council for Competition Climbing ( ICC ) der Chefroutenbauer bestimmt. Dieser muss aus einem anderen Land stammen und über die Lizenz für internationalen Routenbau verfügen. In Frankreich beispielsweise gibt es deren sechs.

Künstler ihres Fachs

Einer von ihnen – Laurent Baudier, Profi seit sieben Jahren – gab 2005 in Schlieren den Ton an. Die weiteren Mitglieder des Teams bestimmt der Veranstalter. Weil die Qualität der Routen für einen guten Wettkampf so entscheidend ist, will man nur die Besten: Kletterniveau 7 c+ on sight, Wettkampferfahrung, langjährige Routenbaupraxis, Flexibilität, Teamgeist, Einfühlungsvermögen sowie eine kreative und auch etwas « sadistische » Ader zeichnen einen internationalen Routenbauer aus. Auf niemanden passt dieses Anforderungsprofil besser als auf François Legrand. Der ehemalige Weltmeister und Weltcupsieger schraubt seit vielen Jahren. Und er fehlte 2005 auch in Schlieren nicht. Mit von der Partie waren weiter der einzig international Lizenzierte aus der Schweiz – und mehrfache Schweizer Meister – Simon Wandeler sowie Roland Seiz, nationaler Routenbauer. Dienstag, 21. Juni 2005. Noch drei Tage bis zum Wettkampf. In aller Frühe betreten die vier Spezialisten die Wettkampfhalle und betrachten die kahlen Wände, die in der Nacht zuvor von « Heinzelmännchen » leer geräumt worden sind. Sie wirken wie eine weisse Leinwand, auf welche die vier Künstler ihre bunten Linien malen werden. Auf dem Boden türmen sich Berge von fabrik-neuen Griffen und Schrauben. Daneben liegen Schraubenschlüssel und Bohrmaschinen, Stahl- und Zahnbürsten, Ex-presse, Karabiner und Seile. In der Mitte der Halle steht die « Spinne », ein hydraulischer Kran mit Personenkorb, der das Platzieren der Griffe und Tritte enorm erleichtert.

Auf die Frage, wie er sich jeweils auf einen Einsatz vorbereite, lächelt Laurent etwas verlegen: « Gar nicht! Vorbereitung ist unmöglich, weil die wichtigsten Informationen vorher nicht verfügbar sind. » Die Zusammensetzung des Teams, die Griffsorten, die Beschaffenheit der Wände und die Aufstellung der Wettkämpfer erfahre er jeweils erst vor Ort. Für eine Planung sei die Zeit dann viel zu knapp. Die Routen entstehen im Voraus weder auf Papier noch im Kopf. Bei der Entscheidung, in welche Wand welche Routen zu liegen kommen, ist Fingerspitzengefühl gefragt, sind doch die Interessen von Medien, Sponsoren, Zuschauern und Wettkämpfern unter einen Hut zu bringen – und dabei die Sicherheitsvorgaben einzuhalten. Im Team wird die Zuteilung der Schwierigkeitsgrade besprochen.

Im Team improvisieren

Sieben Routen sind zu bauen: eine Qualifikation Damen ( 7 c ), zwei Qualifikationen Herren ( 8a+ ), die Halbfinals ( Damen 8a und Herren 8b ) sowie die Finals ( Damen 8a+ und Herren 8b+ ). Das weitere Vorgehen geschieht nun aber nicht nach einem System. Das wäre auch nicht sinnvoll, denn das Entstehen solcher Hightechrouten ist keine Frage des Konzepts, sondern ein dauerndes Improvisieren.

Die Arena ist geschmückt, die letzten Schrauben werden angezogen. Routen-baustar François Legrand freut sich auf die besten Kletterer der Welt – sie werden in seiner Route nichts zu lachen haben.

Fotos: Rainer Eder Routenbaukurse Der SAC bietet jedes Jahr dreitägige Routenbaukurse an. Teilnehmer werden hier unter der Leitung von Simon Wandeler zu regionalen oder nationalen Routensetzern ausgebildet. Die Kurse werden mit einer schriftlichen Prüfung sowie der Durchführung eines Wettkampfes abgeschlossen. Anforderungen: mind. 18 Jahre alt, SAC-Mitglied, aktiver Sportkletterer mit Wettkampferfahrung, On-Sight-Niveau mind. 7a. Die nächsten Kurse finden in der Woche 11 im März 2007 statt. Weitere Infos gibt es auf der SAC-Ge-schäftsstelle Bern bei der Kursadministration oder auf www.sac-cas.ch.

Während Laurent und François gemeinsam Griffe für die Finalrouten aussuchen, beginnen Simon und Roland je mit einer Qualifikationsroute. Stunden später arbeitet Laurent an Rolands Route weiter. Während Simon und François den Herrenfinal diskutieren, testet Roland Simons Route. Es gibt kein Mein und Dein. Jeder arbeitet mal da, mal dort. Probleme werden gemeinsam diskutiert, sodass jeder stets am Ganzen mitgestal-tet. Logisch, dass dabei auch mal die Fetzen fliegen.

Millimeterarbeit

Eine Route besteht aus Griffen und Tritten, von welchen jeder einzelne milli-metergenau gesetzt wird. Schon die Ausrichtung eines einzelnen Griffs kann für Wettkämpfer in dieser Klasse matchent-scheidend sein. Jede Kletterstelle muss daher so herausgearbeitet werden, dass sie keinem Athleten bessere Chancen bietet. Gleichzeitig muss sie aber so interessant sein, dass sie den Kletterern alles abverlangt: Orientierung, Kreativität, Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer. Ausserdem muss die Schwierigkeit Meter für Meter zunehmen, denn in der Qualifikationsroute soll bereits die Hälfte der Teilnehmer ausscheiden. In der Halbfinalroute dürfen dann höchstens acht erfolgreich sein, und die Finalroute ist erst dann perfekt gebaut, wenn nur ein Einziger es bis oben schafft. Dazu will das Publikum spektakuläre Szenen sehen: dynamische Sprünge, Kopfüber-Quergänge, tollkühne Manöver an herabhängenden Zähnen.

Freitagmorgen. Vor Beginn informiert der Chefroutenbauer die Schiedsrichter über eventuelle Besonderheiten der Routen, die den Wettkämpfern mitgeteilt werden. Dann können sich die vier Routenbauer endlich zurücklehnen und das Resultat ihrer Arbeit ansehen. Die Bewegungen der Kletterer, das Einhängen der Expresse, die Stürze, alles wird analysiert und laufend besprochen, denn aus Fehlern will gelernt sein. Laurent ist mit der Teamleistung zufrieden – bis auf den Frauenfinal. Viele Kletterinnen stürzen auf denselben zwei Metern, nur die Österreicherin Angela Eiter steigt darüber hinweg und gewinnt. Das hat zwar die Spreu vom Weizen getrennt, aber nicht auf optimale Weise.

Dann plötzlich muss Laurent in die Wand. Ein Sicherer hat vor dem Abziehen des Seils den Knoten zu lösen vergessen, was die Route blockiert. Für Zwischenfälle dieser Art, auch wenn ein Griff dreht oder zerbricht, sind die Routenbauer auf Abruf bereit. Doch auf diesem Niveau der Routenbauerkunst sind solche Zwischenfälle selten.

Zwischen fünf und zehn Tagen dauern die Einsätze, im Schnitt gegen zehn Mal pro Jahr. Versteht sich von selbst, dass man davon nicht leben kann. Laurent und Roland sind nebenher Trainer, François verdient als Profikletterer dazu, und Simon koordiniert für den SAC die nationalen Wettkämpfe, verkauft selbst gebaute Klettergriffe und macht als Eiskletterer Karriere. Doch im Routenbau zählt für sie alle weniger der Lohn als vielmehr das Zusammenspiel von Kreativität, Klettern, Wettkampfspannung und die bubenhafte Freude an Bauklöt-zen. Laurent bringt es auf den Punkt: « Ce n' est pas une profession, c' est une passion !» a Charles Mori, Eber tswil Laurent Baudier schraubt bequem vom Personenkorb des Hebekrans aus.

Da kommt Wettkampfstimmung auf! Chefroutenbauer Laurent Baudier bestückt die Finalwand mit winzigen Griffen und Tritten.

Harte Arbeitsbedingungen für Simon Wandeler und seine Kollegen: Geschraubt wird nicht nur tagsüber, sondern aus Zeitnot auch während der Nacht. Und das bei sommerlichen 30 Grad in der Halle

Sicherheit, Medizin, Rettungswesen

Sicurezza, medicina, soccorso in montagna

Feedback