«Tibet - Mythos und Wirklichkeit»
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«Tibet - Mythos und Wirklichkeit»

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Bilder vom Kailash bis nach Amdo

Der gebürtige Österreicher Bruno Baumann kennt Tibet wie wenige andere. Neben Büchern und Filmen macht er über seine Himalaya-Reisen immer wieder Vorträge, bei denen er Lichtbilder mit sechs Projektoren auf zwölf Metern Bildbreite vorstellt. Kürzlich weilte er auf Einladung der Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft in der Schweiz und hielt den Vortrag « Tibet - Mythos und Wirklichkeit ». Mit packender Rhetorik und ausgefeilten Sprachbildern kommentierte Baumann die Aufnahmen vom Dach der Welt.

Sein Ausflug in die kargen Hochflächen Tibets begann mit der Pilgerreise zum heiligen Berg Kailash und weiter zu den sagenhaften Stätten von Guge und Tsaparang ( Westtibet ). Weitere Stationen zeigten farbenprächtige Aufnahmen des Neujahrsfe-stes Losar in den Klöstern von Amdo und Kham ( Osttibet ). Schliesslich Schloss der in München wohnhafte Baumann den Kreis mit Bildern aus Zentraltibet. Es gelang ihm, in Wort e « I a hversl

« Tibet - Mythos und Wirklichkeit »

Diavortrag von Bruno Baumann weckt persönliche Erinnerungen Im November 1996 trat der Buchautor und Fotojournalist Bruno Baumann mit einer Diaschau in verschiedenen Städten der Schweiz auf. Die Vortragsreihe wurde organisiert von der Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft ( GSTF).1 Die Bilder riefen die Landschaften und die Situation Tibets auf eindrückliche Art in Erinnerung - nicht zuletzt weckten sie Gedanken an persönliche Erlebnisse an der Grenze zu Tibet.

1 Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft ( GSTF ), Postfach 1523, 8640 Rapperswil, Tel.01/251 46 23 Der riesige Torchörten von Samdo; das Dorf wurde von tibetischen Flüchtlingen gegründet.

und Bild verschiedene Facetten des faszinierenden Hochlandes wiederzugeben: das einsame Schneeland mit den Quellgebieten grosser Flüsse, die farbigen Feste in den Klöstern und das Leben der Nomaden - aber auch das Leben in Tibet unter der chinesischen Herrschaft. Verschiedene Bild-sequenzen erinnerten den Zuschauer an die in Tibet allgegenwärtige Kontrolle und Repression. Besonders eindrücklich waren für die Verfasserin dieser Zeilen Bilder, die tibetische Flüchtlinge auf ihrer Suche nach einer neuen Heimat zeigten: Sie weckten die Erinnerung an eine kürzlich in Westnepal an der tibetischen Grenze erlebte Flüchtlingsszene. Dazu ein paar Worte.

Erinnerungen an eigene Erlebnisse Samdo in Westnepal nahe beim Achttausender Manaslu; das Dorf liegt auf 3900 Metern am Fuss der Pässe Larkya La, Gya La, Lajing und Lajyun La - letztere drei sind Verbindungen von Nepal nach Tibet und werden oft als Fluchtwege von Tibet ins südliche Nachbarland benützt. Wir sind eine Trekkinggruppe auf dem Weg zum Larkya La und haben unser Lager hinter Samdo eingerichtet. Es ist ein wunderschöner November-nachmittag, die hochalpine Landschaft ist frisch verschneit, die hohen Berge glitzern in der Sonne. Yaks und Pferde weiden an den bereits wieder aperen Steilhängen. Nichts stört die Idylle des Spätherbsttages, der langsam zerrinnt.

Plötzlich Aufruhr, Rufe, jemand stolpert über das Zelt, in dem ich mich aufhalte. Dann wird der Reissverschluss aufgerissen, ein junger Tibeter fällt vor meinen Fussen auf die Knie und bettelt. Er wird zurückgezogen von einem Nepali, der uns begleitet. Eilends stehe ich auf und trete aus dem Zelt, um den Grund des Zwischenfalls zu erfahren. Draussen erwartet mich ein Bild des Schreckens: Der junge Tibeter bildet mit zwei weiteren Tibetern die Vorhut eines langen Flüchtlingszugs, der sich vom Tal des Gya La hinunterschleppt. Die ersten drei Ankömmlinge sind vor Hunger und Not kaum mehr zurechnungsfähig, sie erbetteln sich in unserer Zelt-Küche etwas Nahrung, kriegen sie, werden dann jedoch aufdringlich, bis sie von den Nepali sanft, aber bestimmt zurückgedrängt werden. Unser Sirdar, der als Sherpa auch Tibetisch spricht, redet mit den allmählich eintröpfelnden Flüchtlingen - alles Knaben und junge Männer. Ein Führer, der offensichtlich als bezahlter Schlepper fungiert, gibt ihm Auskunft: 109 Flüchtlinge seien sie, die sich in Tibet, er verrät nicht wo, zusammengefunden hätten und nun auf der Flucht durch Nepal nach Indien seien, wo die grösste tibetische Exilkolonie lebt. Vom Schnee überrascht und zurückgehalten, brauchten sie statt sechs Tage deren fünfzehn für die Wanderung über den Fünftau- senderpass Gya La. Sie sind in einem entsprechend schlechten Zustand: Einige der Flüchtlinge schleppen sich mit letzter Kraft die paar Meter von unseren Zelten nach Samdo hinauf, sie müssen sich hinsetzen, hängen an ihren Stöcken, brauchen zwanzig Minuten für die fünfzig Meter Aufstieg. Andere hinken und humpeln mühselig, ihre Füsse in den chinesischen Billig-Turnschuhen weisen Erfrierungen und Verletzungen auf. Einige sind schneeblind.

Die Bilder einer traurigen Prozession Das einzige Mal auf unserer Reise fühle ich mich überfordert: Das Bild der Not und des Hungers gräbt sich in meine Augen ein. Der Anblick der gezeichneten Gesichter der Tibeter, von unfassbarer Leere und abgrundtiefer Müdigkeit, schmerzt bis ins Innerste. Das Lächeln und die demü-tige Dankbarkeit jener, denen wir etwas in die leeren Hände drücken, beschämt zutiefst. Mit einem Schlag wird mir die vergleichsweise grenzenlose Sorglosigkeit bewusst, mit der wir durch unser Leben gehen können. Uns gegenüber stehen Menschen, die alles zurückgelassen haben und lediglich mit einem Bündel auf dem Rücken aufgebrochen sind in der Hoffnung auf Ausbildung und Arbeit in einem anderen Land. Ihre Eltern L -~s£S£^Zìr^&t*~?iSamdo ( 3900 m ); das Dorf liegt am Fuss mehrerer Pässe.

haben ihr Geld zusammengekratzt, um wenigstens ihren Nachkommen ein vielleicht etwas besseres Dasein zu ermöglichen. Ob diese die nepalesische Bürokratie, die ungewohnte Hitze des subtropischen Landes, Krankheiten und Zwischenfälle überwinden können, um schliesslich an ihr Ziel in Indien zu gelangen, weiss niemand. Jedenfalls scheint sich eines zu bewahrheiten: Tibet blutet aus. Die Jungen, die Hoffnungsträger, verlassen das Land und werden nicht mehr zurückkehren.

Die Bilder der traurigen Prozession sind unvergessen.2 Geblieben ist zudem die Erkenntnis, das Leben dankbar, zielstrebig und von Tag zu Tag neu zu leben - auch wenn dies nicht immer gelingen will.

Christine Kopp, Flüelenc o.

2 Wie aus einer Mitteilung im Informationsorgan Nr.49/12/96 der Gesellschaft Schweize-risch-Tibetische Freundschaft hervorgeht, handelte es sich bei den Flüchtlingen in der Mehrzahl um Mönche zwischen 25 und 35 Jahren. Sie bilden einen Teil von mehreren hundert Mönchen, die im Laufe der politischen « Umerziehungskampagne » in den Klöstern in den vorangehenden 3 Monaten ausgewiesen worden sind. Die bei ihrer Flucht erlittenen Erfrierungen erwiesen sich in der Folge als so schwer, dass mit langfristiger medizinischer Hilfe und Spitalbehandlungen mit Amputationen und Prothesen zu rechnen ist.

Eindrücke einer traurigen Prozession: tibetische Flüchtlinge bei Samdo

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Editoriale

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Starke Sektionen - kompetenter Zentralvorstand Entgegen der bisweilen geäusserten Befürchtung, die neuen Statuten begünstigten eine Machtkonzentra-tion bei den exekutiven Organen des Verbandes, bin ich der Meinung, dass die neue SAC-Struktur den Sektionen bessere und in ihren Auswirkungen auch klarere Führungs- und Kontrollmittel an die Hand gibt.

Die Abgeordnetenversammlung ( AV ) Diese kann sich nun erstmals auf ihre Hauptaufgabe, die mittelfristige Planung mit der Setzung von Schwerpunkten konzentrieren. Viele Aktivitätsbereiche, so z.B. die gesamte Hüttenpolitik oder die weitere Entwicklung der alpinistischen Tätigkeiten, bedürfen dringend verlässlicher zukunftsgerichteter Perspektiven. Entsprechende Grundsatzbeschlüsse erfordern die durch die Gesamtheit unserer Mitglieder getragene Willensbildung an der AV.

Präsidentenkonferenz ( PK ) Über diese nehmen die Sektionen auf einer zweiten Ebene direkten Einfluss auf die Jahresplanung, indem die PK das Budget verabschiedet. Diese Doppelführung der Finanzpro-zesse erlaubt eine intensivere Diskussion und dadurch eine bessere Abstimmung der länger- und der kür-zerfristigen Zielsetzungen. Zudem werden nicht zuletzt durch die neue Budgetkompetenz der Präsidentenkonferenz die Sektionen als « Stände » des SAC aufgewertet. Dies schafft eine wertvolle Ergänzung und einen Ausgleich zur AV, bei der auf Grund

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