Über den Berg hinaus. Jenseits der rationalen Welt
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Über den Berg hinaus. Jenseits der rationalen Welt

Jenseits der rationalen Welt

Peter Donatsch1, Maienfeld ( GR ) Zitate aus Ikarus über Graubünden2

menschliche Interessenpolitik. Alles ist machbar. Und was machbar ist, wird auch gemacht.

Der Berg ist sinnlos. Deshalb haben wir ihn zum Mythos gemacht. Was ist das für ein Mythos? Welche Mythen hat eine Zeit, eine Gesellschaft, die sich mehr oder weniger vorbehaltlos dem Rationalen überantwortet hat und die gleichzeitig auf der Suche ist nach mehr Natur und Natürlichkeit, nach Sinnlichkeit, Erlebnis, Gefühlen, Inhalten? Viele haben das erkannt, einige richten sich danach. Man bietet Erlebnis an. Können Werte aber konsumiert werden? Sind Gefühle käuflich? Wie kann ich Freude von aussen erwarten, wenn ich sie nicht in mir selbst trage?

Wir wollten einen Bau für die Menschen erstellen, für Gäste und Einheimische ßleichermassen, einen Bau, der auf den ersten Blick Sympathie erzeugt und sich natürlich an die reichen kulturellen Eigenheiten des Engadins anpasst.

Aus dem Interview mit dem Architekten ( 1994 ) Der Mensch will viel, er stellt hohe Ansprüche.. " " .Vor allem an den Berg. Kann der Berg heilen, was der Mensch sich selber eingebrockt hat? Gibt es eine Wechselbeziehung oder gleicht das Verhältnis Mensch-Berg einer Einbahnstrasse? Ist der Mensch zum Geben fähig oder nimmt er nur?

Ich komme von Klosters hinauf nach Davos.

Dort drüben der Zauberberg? Vielleicht. Endlos lange Reihen. Liegestuhl an Liegestuhl. Zahllose offene Fenster. Wie viel Hoffnung liegt über diesen unglücklichen, kranken Menschen. Mir ist, als höre ich ihre stumme Klage und sähe ihre Augen nach oben gerichtet, dem ewigen Blau zu, das sie dem Leben wiedergeben soll.

Andreas Walser ( 1928 )

Einsamkeit - Wegspur zum Ich

Bergsteigen bietet sich an. War denn Bergsteigen nicht immer schon eine lustbetonte Tätigkeit? Ist die Annäherung zu Fuss nicht die beste aller Möglichkeiten, Bekanntschaft mit dem Berg zu schliessen? Ein Wandeln in der Natur, ohne fixe Regeln, ohne Vorschriften, ohne Schiedsrichter und ohne Strafbank? Ohne Sponsoren, ohne Zuschauer.

Aber auch wir Bergsteiger sind zu oft vom Weg abgekommen, als dass wir uns zum Richter aufschwingen dürften. Unser Ausweg aus dem Irrweg war oft nur ein vermeintlicher - ein weiterer « Verhauer ». Wo stehen wir heute? Wir wissen es nicht!

« Wir wollten einen Bau für die Menschen erstellen... », Interview mit dem Architekten ( Neues Bad Scuol ) lanchmal stehen die danken vor mir wie Berg-tten, unvermeidlich und iwer. » Rot Plouda i Rätikon: Schweizertor t Zimba ) Wir brauchen eine neue Gesprächsbasis, die nicht auf Leistung oder Gegenleistung beruht. Nicht auf materiell Messbarem. Wir müssen wieder lernen zu staunen.

Menschen kommen und bemerken mich nicht. Sie besteigen mich, um ihre Leistungen zu messen. Der Erste, der Schnellste, der Tüchtigste ist ihr Ziel. Sie nennen es Herausforderung und betrügen sich selber. Sie benutzen meine Wände, ihre Ehrsucht zu nähren, aber mich nehmen sie nicht wahr. Sie krabbeln heran, berühren mich, aber begreifen mich niemals. Wenige kommen, sind zu Gast und gehen als Freunde.

Erika Hössli ( 1993 ) Ist es Liebe, oder bloss Sentimentalität? Oder sind es wohl unerfüllte Kinderträume, die hervorbrechen, wenn wir auf Gipfel steigen? Was bringt die « Eroberung des Unnützen »? Ich meine, es ist eine zukunftweisende Beschäftigung, denn sie richtet sich gegen den Strom. Eine Machbarkeitsstudie ist nicht nötig, kein Kind verlangt eine solche, wenn es am Strand eine Sandburg baut. Sandburgen benötigen keine Baubewilligung. Berge sind Sandburgen. In Jahrmillionen werden sie weggewaschen sein, von ewiger Ebbe und Flut.

Wenn die « Grossen » mehr auf die « Kleinen », die « Hochentwickelten » mehr auf die « Primitiven » hören würden, kämen wir wohl an verschiedenen Wahrheiten nicht mehr vorbei. Zum Beispiel an der unabänderlichen Dynamik der Natur, die ihrem jahrtausendealten Rhythmus folgt. Folgen muss. Nur der Mensch glaubt, hier eingreifen zu können.

c 01 a « Ich komme von Klosters hinauf nach Davos. Dort drüben der Zauberberg? Vielleicht. » Andreas Walser ( Jakobshorn bei Davos ) Alpine Geschichte, Kultur, Erzählungen Menschen kommen und bemerken mich nicht. Sie besteigen mich, um ihre Leistungen zu messen. » Erika Hössli ( Rätikon: Südwand des Grossen Drusenturms ) « Schauen, schauen, schauen. Und nie das Erstaunen ) vergessen. Wir sind da zu erzählen. Wir sind nicht da, Rätsel zu erklären, wir müssen Rätsel erfinden. Die Lösung ist immer irrelevant. » Friedrich Glauser ( Felsbänder am Ringelspitz ) « Wenn man die Berge halb oben absägen würde, könnte man die obere Hälfte mit der Spitze nach unten in die Täler legen, [...]; und dann wäre alles eben !» Cla Biert ( Silvretta: Chessispitz ) Der letzte Schritt der Annäherung zum Thema « Berg » ist gleichbedeutend mit dem wichtigsten Thema des Mensch-Seins überhaupt: Es ist der Schritt von der Beziehung zur Liebe. « Kleine Hütte, winterlich behütet, ringsum windge-wobene Einsamkeit. Ort, an dem ich zweifle, dass Himmel und Erde Gegensätze sind. » Erika Hössli ( Piasseggen bei St.. " " .Antö-nien ) Und dann fiel mir etwas Eigenartiges ein, das ich einmal als Bub zu meinem Vater sagte, als wir vom Berg kamen: « Wenn man die Berge halb oben absägen würde, könnte man die obere Hälfte mit der Spitze nach unten in die Täler legen, und sie würden wie ausgemessen hineinpassen; und dann wäre alles eben !» Cla Biert ( 1962 )

Auf der Suche nach dem Dialog

Der neue Dialog zwischen Berg und Mensch wird von gegenseitiger Achtung geprägt sein. Es wird darin viel von Zuhören und wenig von Überreden die Rede sein. Die Einsicht wird gewinnen, dass wir nicht miteinander, sondern füreinander leben. Die Seele des Berges besteht zum grossen Teil aus dem, was wir ihm zu geben imstande sind. Dazu braucht es erstaunlich wenig. Und gewinnen lässt sich ausserordentlich viel.

Ich fühle es, dass ich deine paradiesische Ruhe brauche, alles das, was du mir geben kannst in Augenblicken des Glücks und der Trauer. Wenn ich fern von dir bin, zerstört mich die Wirklichkeit des Alltagslebens. Dann denke ich an dich, aber die Gedanken helfen mir nicht. Im Gegenteil, ich bin mir bewusst, dass ich nicht mit dir lebe. Du bist in meinem Herzen: Ich lebe für dich.

Lydia Spinelli ( 1995 ) Irgendwo versagen alle Worte, verschwimmt das Denken. Das sind die Momente, die in der Erinnerung haften bleiben. Gipfelstunden, Sonnenmeer, jene verschneite Nordwand, dieser leitergleiche Grat. Eine Gemse flieht in grossen Sprüngen. Erinnerst du dich auch an diese Momente, an denen die Freude ins Unermessliche wächst? Wo Antworten überflüssig sind.

Immer wieder haben wir versucht, das Unerklär-bare zu erklären. Begnadete Denker und gewandte Schreiber mit etwas mehr -, der gewöhnliche Mensch mit etwas weniger Erfolg. In Worte zu fassen, was da tief in uns drinnen, irgendwo zwischen Bauch und Herzen geschieht. Dort liegt ein guter Teil jener Antwort begraben, die wir in den Bergen suchen.

Alles war weiss in ihrem Traum. Sie fühlte sich verurteilt, in der Kolonne zu bleiben, abhängig von denen, die vor ihr gingen, und verantwortlich für diejenigen, die folgten. Ein Ausweichen gab es nicht. Rechts und links hörte das Weiss irgendwo auf, und sie wäre zweifellos auf das Unbekannte gestossen.

Rut Fionda ( 1995 ) Die Berge sind also Grund, nicht Hindernis, um weiter zu sehen und tiefer zu fühlen. Denn in den Bergen kann es geschehen, dass der Mensch sich plötzlich allein findet. Allein mit sich selber. Dann ereignen sich jene Dinge, die sich im Getriebe der Strassen nicht verwirklichen lassen.

t on Hütten und Biwaks ifugi e bivacchi abanes et bivouacs

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