Viel Rummel an Everest und Gasherbrum II
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Viel Rummel an Everest und Gasherbrum II Expeditionen 2006 im Himalaya

Das Jahr 2006 brachte nur wenige bemerkenswerte Neutouren an den Bergen von Nepal, Pakistan und Tibet. In Pakistan stand die Saison im Zeichen des 50-Jahr-Jubiläums der Erstbesteigung des Gasherbrums II. In Nepal machten Everestüberschreitungen von sich reden. Erneut starben viele Alpinisten, so vor allem an den beiden prominenten Himalayagipfeln Everest und Ama Dablam.

Eine neue « Mode » zeichnete sich im Frühling 2006 am Everest ab: der Versuch, den Berg zu überschreiten. Diese Überschreitung gelang dem italienischen Spitzenalpinisten Simone Moro – allerdings ohne Permit für die chinesisch- tibetische Nordseite – und, ganz regulär, dem Zermatter Mario Julen mit seinem Sherpa Da Nima. Dann, in umgekehrter Richtung von Norden nach Süden, überschritten der Koreaner Young-Seok Park mit Serap Jangbu Sherpa sowie der Alleingänger Dawa Sherpa den Grat. Letzterer absolvierte die Tour in einer Rekordzeit von 20 Stunden und 15 Minuten und benutzte dabei Sauerstoff von 8300 Metern an im Aufstieg und bis 8500 Meter im Abstieg.

Ebenso bemerkenswert war aber auch der beinahe erfolgreiche Vorstoss im Herbst im Alpinstil durch die Spanier Alberto Iñurrategi, Ferran Latorre und Juan Vallejo über die steilen und langen Japaner- und Hornbein-Couloirs der Everestnordflanke. Sie waren allein unterwegs, ohne Sherpas, Sauerstoffflaschen oder Fixseile; Latorre kehrte auf 8200 m um, Vallejo fühlte sich auf 8500 m nicht gut, worauf auch Iñurrategi beschloss, umzukehren und seinen Kollegen zurückzubegleiten.

Eine Erstbesteigung gab es im Frühling am Janak Chuli nordnordwestlich vom Kangchenjunga an der tibetischen Grenze durch das starke Duo Andrej Stremfelj und Rok Zalokar. Zudem wurden zwei Sechstausender im Herbst erstbestiegen: Der Merra (6344 m) in Nordostnepal gelegen und nicht zu verwechseln mit dem Mera Peak – erhielt von zwei Dänen Besuch. Und den Panbari (6905 m, im Manaslu-Gebiet) erklomm ein junges japanisches Fünferteam. Eine grosse Zahl von Chörten (eine Art Gedenkstein) rund einen Tagesmarsch vor dem Everest-Basislager im Khumbu-Gebiet: Sie erinnern an die vielen Sherpas, die bei ihrer Arbeit am Everest tragisch verunglückt sind.

Bergsteigerisch gesehen war aber die herausragendste Leistung im Frühling die Begehung des gesamten Annapurna-I-Ostgrates durch den Slowaken Peter Hamor. Er war Teilnehmer des Teams des polnischen Himalayaveterans Piotr Pustelnik. Hamor erreichte als Einziger des Teams den Gipfel und musste beim Rückweg in einer Schneehöhle auf rund 8000 Metern biwakieren. Die Tour war erst ein Mal erfolgreich unternommen worden, und zwar im Frühling 2002 durch den Franzosen Jean-Christophe Lafaille und den bereits erwähnten Spanier Alberto Iñurrategi. Lange davor, im Herbst 1984, hatten die Schweizer Erhard Loretan und Norbert Joos den Grat in seiner gesamten Länge mit einem Abstieg über die Nordflanke begangen.

Neben den vielen Gipfelerfolgen gibt es gerade vom Everest einmal mehr auch Trauriges zu vermelden: In der Frühlingssaison starben an seiner Südseite drei Sherpas im Khumbu-Eisfall, und auf der Nordseite kamen acht Alpinisten ums Leben. Seit der Tragödie vom Frühling 1996, als zwölf Bergsteiger starben, sind am Everest nie mehr so viele Bergsteiger innerhalb einer Saison verunglückt. Die Ereignisse gaben innerhalb der Szene und im Internet viel zu diskutieren, speziell der Fall von David Sharp, der auf 8500 Metern einen einsamen Tod starb. Viele Bergsteiger, die am Sterbenden vorbeigingen, ohne Hilfe zu leisten, wurden massiv kritisiert. Es gab aber auch Beispiele selbstloser Hilfe: Zwei Kunden und ein Sherpa des bekannten Leiters Dan Mazur verzichteten auf ihren eigenen Gipfelerfolg, um einem anderen Bergsteiger, Lincoln Hall, beizustehen. Sie brachten ihn in einer spektakulären Aktion vom Berg hinunter. Während der Herbstsaison verunglückten in ganz Nepal weitere Alpinisten tödlich – insgesamt 16 –, und zwar alle durch Schnee- oder Eislawinen. So starben an der Ama Dablam sechs Bergsteiger, darunter drei Sherpas; weitere vier Sherpas starben am Pumori in einer Lawine und einer am Annapurna I. Vier Franzosen verschwanden am Ganesh VII in einer Eislawine, und ein Alpinist starb zudem beim Zustieg zum Tashikang. Ein weiterer tragischer Unglücksfall hatte sich bereits im Winter am Makalu ereignet, wo Jean-Christophe Lafaille seit dem Versuch der ersten Solowinterbegehung verschollen ist.

Viel zu diskutieren gab eine makabre Regelung der nepalesischen Regierung, die an den Bergen zurückgebliebene Leichen als « Abfall » betrachtet. Im Klartext bedeutet dies, dass die Behörden zweien Expeditionen ihre im Vorfeld geleisteten Abfallgebühren von je 2000 Dollars nicht zurückerstatteten, weil einer ihrer Kollegen am Berg zurückgeblieben war. Dies betraf unter anderem den bekannten Bergsteiger Hans Kammerlander, dessen Begleiter Alois Brugger verschollen ist.

Ähnlich viel Aufregung verursachte auch eine Ankündigung der chinesischen Behörden. Sie beabsichtigen neue Regeln für die Besteigung des Everest von der Nordseite einzuführen. Diese dienen dem chinesischen Vorhaben, die olympische Fackel 2007 auf den Everest zu tragen. Von da soll sie dann – mit Live-Fernsehübertragung – weiter nach Beijing gelangen, wo 2008 die Olympiade stattfinden wird. Die Besteigung des Everest von der Nordseite wird folglich zwischen März und Juni 2007 teurer, und Expeditionsteilnehmer müssen 8000er-Erfahrung mitbringen. Die Zahl der Teams soll zudem massiv eingeschränkt werden. Noch schwieriger wird es für Expeditionen im Frühling 2008: Es ist nicht klar, ob dann nur einer offiziellen, fünfzig Teilnehmer umfassenden chinesischen Expedition die Bewilligung erteilt wird.

Insgesamt 21 Expeditionen gingen an den Gasherbrum II. An diesem Berg, wo das 50-Jahr-Jubiläum der Erstbesteigung «gefeiert» wurde, waren nicht weniger als 18 Teams erfolgreich. Abseits dieses Rummels gelang am selben Berg eine weitaus grössere Leistung: Die Schweizer Cédric Hählen und Ueli Steck sowie Hans Mitterer aus Deutschland durchstiegen als Erste die chinesische Nordflanke des Gasherbrum II. Die Route, die auf den 7772 Meter hohen Ostgipfel führt, war zuvor durch das ganze, von Kari Kobler geleitete Team vorbereitet worden. Weitere 14 Gruppen waren am Broad Peak, sieben am K2, sechs am Nanga Parbat und sieben am Gasherbrum I unterwegs.

Grundsätzlich fällt auf, wie wenig Expeditionen die riesigen Berggebiete von Pakistan aufsuchen: 2006 waren es deren 88 (1). Unter ihnen war auch der junge Schweizer Gabriel Grünenwald, dem mit Andreas Jenni und Oliver Wettstein die Wiederholung der legendären Güllich-Albert-Route Eternal Flame am Nameless Tower (Trango) gelang. Zum Vergleich: Am Everest waren allein im Frühling 2006 mehr Expeditionen unterwegs, nämlich 94; im Herbst 2006 waren am Cho Oyu in Tibet 79 Expeditionen und an der nepalesischen Ama Dablam deren 56 unterwegs. Nicht nur tummeln sich weniger Bergsteiger in Pakistan – die wenigen konzentrieren sich vornehmlich auf die fünf Achttausender des Landes. Zu bestaunen gibt es aber auch ein Meer von Fünf-, Sechs- und Siebentausendern, von denen viele ohne Besteigung und gar ohne Namen sind und Möglichkeiten für Erstbesteigungen und -begehungen à discrétion bieten. Pakistan verfügt über gute Agenturen, die die Bergsteiger unterstützen. Allerdings ist schon die Anreise zu den Bergen ein Abenteuer für sich und manchmal gefährlicher als das Bergsteigen selbst.

Eternal Flame wiederholt

Gabriel Grünenwald gelang 2006 zusammen mit Andreas Jenni und Oliver Wettstein die Wiederholung der Route Eternal Flame am «Nameless Tower» in Pakistan. Sie befindet sich auf 6000 m. Die Schlüsselseillänge  ist mit 7c+, 7a/A2  happig bewertet.

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