Wasser zwischen Ökonomie und Ökologie. Zum internationalen Jahr des Wassers
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Wasser zwischen Ökonomie und Ökologie. Zum internationalen Jahr des Wassers

Wasser zwischen Ökonomie und Ökologie

Bergsteigen – und damit der SAC – hat mehr mit Wasser zu tun, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Tatsache ist, dass Wasser und Abwasser in den SAC-Hütten ein zentrales Thema sind. Zudem hat der SAC ein Partnerschaftsabkommen mit der Rätia Energie, einem Unternehmen, das umweltfreundlich aus Wasser Strom produziert. Logisch deshalb, dass für den SAC auch das Internationale Jahr des Wassers von Bedeutung ist.

Auf dem « Freiluftklo » des Arbenbiwaks sitzend, geniesse ich den Blick über den wilden Zmuttgletscher – eigentlich der gefrorene Wasserspeicher für die Kraftwerke der Grande Dixence – zu Matterhorn und Dent d' Hérens. Das Sommergewitter, das uns im Aufstieg durchnässt hat, verzieht sich grollend. Das Trommeln der letzten fallenden Regentropfen vermischt sich mit dem vielstimmigen Rauschen der Gletscherbäche. Die Sonne, die durch die Nebelschwaden blinzelt, heizt schon wieder ein, dampfend trocknet der noch warme Fels. Wasser in allen Formen rundum. Allerdings nicht fürs Klo. Im Arbenbiwak wird nicht gespült, denn dafür ist das Wasser zu wertvoll. Gerade vorbildlich ist nach heutigen Standards das Klo natürlich nicht, aber ein bisschen Romantik ist dem Plumpsklo nicht abzusprechen. Und das bisschen Düngung daraus ist wohl vernachlässigbar, verglichen mit dem, was die Bauern via Boden auch heute noch in unsere Gewässer leiten. Lange ist diese Klo-romantik aber nicht mehr zu geniessen, denn der SAC will vorwärts machen und alle seine Hüttentoiletten sanieren. 1 Homepages mit Informationen: www.wasser2003.ch; www.wateryear2003.org 2 Durchschnittlicher Verbrauch von Trinkwasser pro Tag eines Einwohners der Schweiz

Schweiss, Regen, Gletschereis, Schmelzwasser, Schnee, Hagel, Nebel, Dampf, Wolken, Dunst und auch der Strom der Eisen- und Seilbahnen ( aus Wasserkraft ), die uns hinauftransportiert haben – beim Bergsteigen ist Wasser unser ständiger Begleiter, mal direkt, mal indirekt, mal zu viel, mal zu wenig, mal gefroren, mal nass. Ist somit Bergsteigen nicht auch ein bisschen « Wassersport »? Deshalb geht das Wasser und das Internationale Jahr des Wassers 2003 1 den

SAC auch etwas an.

Trinkwasser, die wichtigste Ressource des 21. Jahrhunderts Erst im winterlichen Biwak, wenn das Trinkwasser zum Eisblock erstarrt ist, oder in einer hoch gelegenen Hütte im Spätsommer, wo aus dem ausgetrockneten Fels kein Tropfen mehr rinnt, oder auf einer langen Klettertour in einer heissen und trockenen Südwand, wenn der Durst übermächtig wird, realisieren wir den Wert von sauberem, verfügbarem Trinkwasser. Zuhause ist das kein Thema, gedankenlos verbrauchen wir unsere 230 Liter pro Tag 2, die munter aus dem Hahn sprudeln und für die wir ganze 0,3 Rappen pro Liter bezahlen. Weltweit gesehen sind wir damit enorm privilegiert – wir verfügen problemlos über den elementaren Rohstoff des Lebens, der im neuen Jahrhundert wichtiger werden wird als Öl. Heute hat fast ein Drittel der Menschheit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Wasser ist selbstverständlich auch ein Geschäft. Die grossen Mineralwasser-konzerne kaufen zurzeit jede Quelle auf, die sie haben können. Die Karten im Verteilkampf der Zukunft werden neu gemischt. Das Weltwasserforum vom vergangenen März in Kyoto hat trotz der übermächtigen medialen Präsenz des Irak-Kriegs das Bewusstsein für die Dramatik des Themas Trinkwasser weltweit geschärft.

Wenn wir von « schlechtem Wetter » reden, meinen wir Regenwetter. In Afrika gibt es ein bekanntes Lied, das beginnt mit « Rain, rain, rain, beautiful rain... come soon again ».

Wasser in den Alpen: wertvoll und unberechenbar Die Alpen, das Wasserschloss Europas: Rhone, Rhein, Inn und Po entspringen in den Alpen. Bei uns ist der industrielle Rohstoff Wasser als « weisse Kohle » schon seit langem ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor; die Wasserzinsen der Kraftwerks-betrei-ber stellen für manche Berggemeinden den Überlebensfaktor Nummer 1 dar. 60 Prozent unseres Stroms generiert die Schweiz aus der erneuerbaren Energiequelle Bergwasser. Alpine Wasser- und Thermalquellen werden in Zukunft noch an ökonomischem Wert gewinnen. Aber Wasser ist auch ein ökologischer Faktor: Es ist mitunter unberechenbar, bedrohlich, zerstörend. Mit der von uns verursachten Klimaerwärmung werden heftige Wasserereignisse in den Alpen mit grösster Wahrscheinlichkeit zunehmen. Die Hochwasserkatastrophen im Reusstal ( August 1987 ), in Brig ( September 1993 ), in Sarnen ( Mai 1999 ), der Murgang von Gondo ( Oktober 2000 ) sind Mahnmal genug. Es werden wohl

Bergsteiger im Kontakt mit dem Element Wasser. Ist Bergsteigen ab und zu nicht auch ein bisschen « Wassersport »?

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nicht die letzten sein. Und wenn die Gletscher weiter so rasant zurück-schmelzen, geht ein wichtiger Ausgleichs-puffer für unsere Wasservorräte in den Alpen verloren. Was wiederum Auswirkungen auf den Tourismus haben wird, denn als Steinwüste sind die Alpen wesentlich weniger attraktiv als mit gleissenden Firnen.

Vom Gegner zum Partner Früher war die Wasserkraft aus den Bergen für den SAC vor allem dann ein Thema, wenn es darum ging, überrissene Ausbauprojekte zu bremsen oder zu verhindern und die rücksichtslose Verbauung der Hochgebirgslandschaft oder die Austrocknung der letzten Alpenbäche zu stoppen. Man war Gegner und nicht Partner der Elektrizitätswerke. Stellvertretend dafür kann das bekannte Projekt « Grimsel West » angeführt werden. Aber auch im Puschlav engagierte sich der SAC in den Achtziger- und Neunzigerjahren zusammen mit der lokalen Vereinigung « Pro Bernina – Palü » gegen einen massiven Kraftwerksausbau auf der Südseite des Berninapasses. Deshalb ist es als zukunftsweisend zu bewerten, dass der SAC seit Ende 2002 in einer Partnerschaft mit Rätia Energie, einer Energie-firma aus dem Berggebiet, verbunden ist. In Rätia Energie ist die damalige Gesellschaft, die den umstrittenen Bernina-Ausbau realisieren wollte, aufgegangen! Die Zeit ist jedoch nicht stehen geblieben, eine Partnerschaft ist möglich geworden. Rätia Energie ist dem damaligen Widerstand heute dankbar, denn nun kann sie als Pionierin mit zertifiziertem Ökostrom « naturemade star » vorangehen und sich in diesem zukunftsträchtigen Markt vorne positionieren.

Partnerschaft SAC–Rätia Energie Der SAC setzt sich in vielfältiger Weise für die alpine Umwelt und den Schutz der Gebirgswelt ein. Dafür steht heute auch Rätia Energie ein. Eine möglichst schonende Stromproduktion in der empfindlichen Alpenwelt ist das Credo des bündnerischen Energieunterneh-mens; das Ökostromprodukt « PurePowerGraubünden » verkörpert diesen Gedanken. Der SAC möchte durch die Partnerschaft mit Rätia Energie seine 100 000 Mitglieder dafür begeistern, Umweltbewusstsein auch im Energiebereich zu leben, Strom aus qualitativ hoch stehenden erneuerbaren Energiequellen zu fördern und damit Sorge zu tragen zu den alpinen Ressourcen – und dies unabhängig vom Wohnort. 3 Rätia Energie produziert schon einen beträchtlichen Teil seines Stromes mit dem Label « naturemade star » 4, welches strenge Anforderungen stellt und etwa mit dem Biolabel « Knospe » in der Landwirtschaft verglichen werden kann. Ein Grossteil des Aufpreises fliesst zurück in Aufwertun-gen von Natur und Landschaft sowie in die Förderung alternativer, erneuerbarer Energien.

Hüttenabwässer – wichtiges ökologisches Thema des SAC Ende März haben die beiden SAC-Res-sorts Hütten und Umwelt aus Anlass des Internationalen Jahres des Wassers gemeinsam ein Projekt bei Stiftungen eingegeben mit dem Titel « Vom Plumpsklo zur umweltverträglichen Abwasserentsorgung ». Die Hüttenkommission unternimmt schon heute grosse Anstrengungen, die Revision veralteter und ökologisch unbefriedigender Toilettenanlagen in den SAC-Hütten nach dem neuesten Stand der Technik voranzutreiben. Angesichts beschränkter Finanzen wird es allerdings noch etliche Jahre dauern, bis das mehr oder weniger gemütliche Frei-luftklo endgültig der Vergangenheit angehört. Mit dem eingegebenen Projekt sollen einerseits die Grundlagen und

3 SAC-Mitglieder können Ökostrom « naturemade star » von Rätia Energie über den SAC beziehen. Damit unterstützen sie einerseits einen Betrieb des Berggebiets und andererseits eine nachhaltige Stromproduktion unter langfristiger Schonung von Natur und Landschaft. Weitere Infos unter www.REpower.ch oder auf der Geschäftsstelle SAC, 031 370 18 18, oder info@sac-cas.ch. 4 Für weitere Informationen zum Stromlabel « naturemade star » siehe www.naturemade.ch Auf der Südseite des Berninapasses: Von hier stammt der Ökostrom von Rätia Energie. Für den SAC sind Wasser und Abwasser ein wichtiges ökologisches Thema.

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Von Hütten und Biwaks

Rifugi e bivacchi

Cabanes et bivouacs

Voraussetzungen für die bevorstehenden Umbauten verbessert, andererseits die SAC-Mitglieder und eine breitere Öffentlichkeit für das Thema Wasser in den Bergen sensibilisiert werden. Längerfristig soll das Projekt auch Möglichkeiten aufzeigen, drängende Revisionen und Verbesserungen schneller zu realisieren – was jedoch nur mit SAC-externer Finanzierung möglich sein wird.

Zurück zum Arbenbiwak Am nächsten Tag, nach herrlicher Kletterei über den Arbengrat, sitze ich nachdenklich auf dem Gipfel des Obergabelhorns und stelle mir vor, wie mehr als 2000 m unter mir die ganzen Walliser Hochalpen von einem Netzwerk von Wasserleitungen für das gigantische Wasserkraftwerk der Grande Dixence durchlöchert sind; oder dass irgendwann der Schnee, auf dem ich sitze, zuerst durch eine Turbine rast, dann im Trink-glas eines Genfers landet, schliesslich als Abwasser in die ARA zurück in die Rhone fliesst, im Mittelmeer verdampft und später einem anderen Bergsteiger hier als Schneegestöber mit Südwind ins Gesicht blasen wird.

« Wasser kennt keine Grenzen » ist ein Motto der Schweiz zum Jahr des Wassers. Denken und handeln wir also auch als SACler international solidarisch und denken an den Wert des Wassers, auch wenn wir in fremden Gebirgen auf Expedition unterwegs sind. a

Jürg Meyer, Umweltbeauftragter Nicht überall sind Berge reich an Wasser wie die Alpen. Hier in Ladakh im Himalaya Fo to :A rc hi v J. M ey er

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