Die nationalen Kletterwettkämpfe im Herbst 1996
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Die nationalen Kletterwettkämpfe im Herbst 1996

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Escaladl librempélition

Wenn es darum geht, die Ergebnisse des vergangenen Jahres zu analysieren, und sich die Frage nach den Prognosen für die nächste Wettkampfsaison stellt, gibt es zwei Möglichkeiten, eine Bilanz zu ziehen: entweder mit verklärtem Blick oder aber im Bemühen, die aktuelle Situation und die zu erwartende Weiterentwicklung realistisch und offen einzuschätzen.

Anspruch und Wirklichkeit Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass die Anforderungen an nationale Wettkämpfe immer umfassender geworden sind: « Das Rahmenprogramm soll werbewirksam und animierend, die Medien möglichst vollzählig präsent und die Teilnehmerzahl optimal sein. Für möglichst viele Teilnehmergruppen sollte es zudem eigene Kategorien geben, damit sich möglichst viele Teilnehmer/innen sicher für den Final qualifizieren können und gute Siegeschancen haben. Schliesslich dürfen auch anspruchsvolle Preise nicht fehlen. » In der Realität sieht dies ganz anders aus! Bedingt durch die allgemeine Wirtschaftslage ist es alles andere als einfach geworden, finanzielle Mittel für einen nationalen Wettkampf zu erhalten. Das erschwert die Organisation. Ebenso lässt sich feststellen, dass Sportklettern und seine leistungssportliche Ausprägung ( im Wettkampfbereich ) weiterhin « boomen », im Kreis potentieller Sponsoren es aber noch nicht gelungen ist, sich die volle Anerkennung als etablierte Sportart zu erringen.

Im weiteren zeigt sich auf Grund einer Analyse der Teilnehmerzahlen, dass die Jugend- und Junioren-Kate-gorien eine steigende Tendenz aufweisen, während die Herrenkonkurrenz momentan stagniert. Dies aus Michel Piola ( Kategorie Herren II ) in der Finalroute in Bern-Niederwangen. Damit sicherte sich Michel einem einsichtigen Grund: Die Wettkämpfer « der ersten Stunde » beenden ihre Wettkampf karriere oder möchten lieber in speziellen Alterskategorien starten, während die jedes Jahr nachrückenden Junioren zahlenmässig noch zu wenig in Erscheinung treten. Ein praktisch identisches Bild ergibt sich bei den Damen.

In einer abschliessenden Betrachtung bleibt die Tatsache bestehen, dass wir die wirtschaftliche Situation kaum werden ändern können und eine nationale Wettkampfserie nach wie vor nur mit viel Idealismus und « man-power » durchgeführt werden kann. Und hier gilt es primär, ein Gleichgewicht zwischen der Erwartungshaltung und dem Anspruchsni-veau an einen Wettkampf einerseits und der Realität des Wettkampfes andererseits zu finden. Die beiden letzten Swiss Cups des Jahres 1996 zeigen zwei sehr unterschiedliche Wege auf, um zu einem qualitativ sehr guten Wettkampf zu gelangen. Als Beispiele können die beiden nachstehend beschriebenen Wettkämpfe dienen.

Jugend- und Junioren-Swiss-Cup Fribourg Der im November anlässlich der 125-Jahr-Feier der Sektion Moléson organisierte Jugend- und Junioren-Swiss-Cup wurde dank breit abge-stütztem Engagement und einer speziell geschaffenen Infrastruktur für alle startenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aber auch für die zahlrei- Piola den ersten Swiss-Cup-Gesamtsieg in dieser Kategorie überhaupt.

chen Helferinnen und Helfer der Sektion zu einem grossen Erfolg. Weibliche und männliche Jugend, Juniorinnen und Junioren waren für einmal unter sich und alleiniger Mittelpunkt des gesamten Wettkampfgeschehens. Für die meisten Jugendlichen war dies eine positive und wichtige Erfahrung, und ihre Begeisterung übertrug sich auf das zahlreich erschienene Publikum. Viele Zuschauer waren erstmals überhaupt an einem Kletterwettkampf anwesend, und so mancher relativierte seine vorgefasste, kritische Einstellung dazu.

Die jungen Kletterinnen und Kletterer zeigten enormen Klettereinsatz und Messen die Griffe wirklich erst dann los, wenn die Chance auf ein Weiterklettern praktisch auf den Nullpunkt gesunken war.

Auffallend an diesem Wettkampf war die Präsenz ganzer Jugendgruppen aus einzelnen Regionen wie beispielsweise dem Jura oder dem Bündnerland. Damit wurde nicht zuletzt ersichtlich, wie sich aktive Jugendarbeit auch leistungsmässig positiv auswirkt. Der Fribourger Wettkampf hat gezeigt, dass zunehmend mehr Jugendliche im Bereich des Sportkletterns die Herausforderung der Leistung und des Wettkampfes annehmen und einige Sektionen oder JOs bereits darangegangen sind, dies zu fördern und ihre Jugendlichen darin zu bestärken.

Swiss-Cup-Final 1996 Bern-Niederwangen Wie bereits 1993 wurde das Swiss-Cup-Finale im MAGNET in Bern-Nie-derwangen in einem Tag durchgeführt. Dies aus zeitlichen Gründen, aber auch auf Grund der Überlegung, den sportlichen Aspekt wieder vermehrt in den Vordergrund zu rücken.

Der Wettkampf sollte primär ein Anlass für die Wettkämpfer sein und ohne unnötigen Aufwand in möglichst kurzer Zeit vonstatten gehen. Mit einem kleinen Team wurden die gesamte Wettkampf logistik und der Routenbau im Verlaufe eines Tages ( bei durchgehendem Hallenbetrieb ) und einer Nacht vorbereitet. Der Wettkampf mit Viertelfinals, Halbfinals und Finals begann um 9.00 Uhr morgens und endete mit der Siegerehrung um 17.30 Uhr pünktlich. Trotzdem wurde ansprechender Klettersport geboten, was die begeisternden Finals in allen Kategorien zeigten, ebenso die durchwegs positiven Rückmeldungen der Sportlerinnen und Sportler, die realisierten, dass dieser Wettkampf in erster Linie für sie organisiert worden war.

Das Beispiel zeigt, dass auch andere Kletterhallen neben denen in Chur, St-Légier, Diemtigtal und Bern-Niederwangen regelmässig in der Lage sein sollten, mit vertretbarem finanziellem und organisatorischem Aufwand qualitativ hochstehende nationale Kletterwettkämpfe durchzuführen. Allerdings braucht es dazu den nötigen Idealismus und die Motivation, sich ganz für die Sportart einzusetzen.

Swiss Cup Bern und Gesamtwertung Swiss Cup 1996 In der Damen- und Herrenkonkurrenz siegten nicht ganz unerwartet Anna Tina Schultz und Simon Wandeler. Vor allem Simon Wandeler distanzierte Elie Chevieux, immerhin die aktuelle Nummer 5 der Weltrangliste, deutlich und bestätigte seine aufsteigende Form. In seinem letzten Wettkampf als Junior wollte sich Urs Schönenberger, der das ganze Jahr über die Juniorenkonkurrenz dominiert hatte, selbstverständlich den Sieg nicht nehmen lassen. Trotz eines Ein-hängefehlers, der viel Kraft kostete, gewann er vor Manuel Hassler und dem Aufsteiger des Jahres aus dem Jura, Raphael Lâchât. Viel Beifall erhielten die beiden übrigen Kategorien, die der Jugendlichen und der Herren II. In der Jugendkategorie gewann Roman Felix vor Cédric Lâchât und Tristan Cordonnier. Zusammen mit den anderen Jungen sind sie ein vielsprechendes Talentpo-tential für die Zukunft. Bei den Herren II ( ab 35 Jahre ) steht eine Talent-förderung nicht mehr zur Debatte, und den Sieg machten die zwei routinierten und bekannten Alpinisten und Erstbegeher Dani Anker und Michel Piola unter sich aus.

Die Gesamtwertung im Swiss Cup 1996 bot ein beinahe identisches Bild: Simon Wandeler vor Elie Chevieux bei S iwiss-Cup-Finale Bern-lerwangen, 1. Dez. 1996

Resultate Herren ( Jg. 1962-76 ) 1. Simon Wandeler, Nottwil 2. Elie Chevieux, Petit-Lancy 3. Robert Marti, Worb Herren II ( Jg. 1961 u. älter ) 1. Daniel Anker, Thun 2. Michel Piola, Croix-de-Rozon 3. Jean-Marie Boimond, Genève Pgend- und Junioren-Swiss-Cu Fribourg, 16./17. November 1996 Juniorinnen ( Jg. 1977 u. jünger ) 1. Anna Tina SchultzBern 2. Alexandra EyerZürich 3. Laure DonzéPorrentruy Jugend ( Jg. 1981 u. jünger ) 1. Cédric LâchâtPorrentruy Damen 1. Anna Tina Schultz, Bern 2. Iva Hartmann, Maienfeld 3. Anne Gray, Lausanne Junioren ( Jg. 1977-80 ) 1. Urs Schönenberger, Stein a. Rhein 2. Manuel Hassler, Biel 3. Raphael Lachat, Porrentruy Jugend ( Jg. 1981 u. jünger ) 1. Roman Felix, Rothenbrunnen 2. Cédric Lachat, Porrentruy 3. Tristan Cordonnier, Chavannes 2. Martin Jaggi 3. Roman Felix Gossau Rothenbrunnen Junioren ( Jg. 1977-80 ) 1. Urs Schönenberger 2. Roland Bigler 3. David Gisler Stein a. Rhein Heimberg Uhwiesen den Herren, Anna Tina Schultz und Iva Hartmann bei den Damen ex-aequo auf dem ersten Rang, Urs Schönenberger vor Manuel Hassler bei den Junioren und Roman Felix vor Cédric Lachat bei der Jugend. Lediglich bei den Herren II war es etwas anders. Hier sicherte sich Michel Piola den ersten Swiss-Cup-Gesamtsieg überhaupt in dieser Kategorie.

Ausblick auf 1997 Wettkämpfe allgemein Primäres Ziel muss es sein, Wettkämpfe zu vermeiden, die nur unzufriedene und enttäuschte Wettkämp-fer/innen zurücklassen! Denn, sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Kletterwettkampfes positiv motiviert, weil ihnen der Wettkampf gefallen hat, sind sie auch eher bereit, die eigene Leistung zu objekti-vieren und relativieren. Mancher sportliche Misserfolg lässt sich dann auch leichter verkraften und endet nicht im klassischen « Bei-so-etwas-mache-ich-nie-wieder-mit! » Ob und inwiefern ein Wettkampf für alle Beteiligten zu einem Erlebnis wird, hängt in erster Linie von der Vorbereitung und vom Wettkampfprogramm ab. Diesen Bereichen wird deshalb im nächsten Jahr noch mehr c < Resultate Gesamt-Swiss-Cup 1. Simon Wandeler, Nottwil 2. Elie Chevieux, Petit-Lancy 3. Johnny Schelker, Beringen 300 Pkt. 260 Pkt.

1. Michel Piola, Croix-de-Rozon 2. Athos Balestra, Ascona 3. Daniel Anker, Thun Claudio Cameroni, Montagnola 180 Pkt. 160 Pkt. 100 Pkt. 100 Pkt.

1. Anna Tina Schultz, Bern Iva Hartmann, Maienfeld 3. Maria Rüdisühli, Buchs 280 Pkt. 280 Pkt. 200 Pkt.

1. Urs Schönenberger, Stein a. Rhein 2. Manuel Hassler, Biel 3. Raphael Lachat, Porrentruy 300 Pkt. 197 Pkt. 196 Pkt.

1. Roman Felix, Rothenbrunnen 2. Cédric Lachat, Porrentruy 3. Reto Hug, Walenstadt 300 Pkt. 223 Pkt. 190 Pkt.

Sport- und Wettkampfklettern Beachtung und Aufmerksamkeit geschenkt werden. Von Seiten der S Sportkletterkommission können in c Zusammenarbeit mit der Geschäfts-c stelle die Rahmenbedingungen J. geschaffen werden, für die Wett-* kämpfe selbst braucht es aber nach ö wie vor engagierte Organisatoren, m die auch bereit sind, die vorgegebe-jg nen Richtlinien wie Organisationsform, Wettkampfablauf oder Wettkampfmodus einzuhalten.

Zusätzlich soll ein potentieller Veranstalter 1997 die Möglichkeit haben, einen Swiss-Cup-Wettkampf entweder nur für die Jugend und Junioren weiblich und männlich oder nur für die Kategorien ab 20 Jahre ( Aktive ) durchzuführen. Dies verkleinert den Gesamtaufwand und ermöglicht hoffentlich generell wieder eine grössere Zahl von Wettkämpfen.

Kategorien Änderungen sind für 1997 vor allem im Bereich der Kategorien zu erwarten. In der Kategorie Damen wird die Unterteilung in « Damen II, Damen I, Juniorinnen und Jugend Mädchen » mit separater Swiss-Cup-Wertung und zum Teil auch mit einem separaten Swiss Ranking vorgenommen werden. Dies schafft zusätzlichen Aufwand, wird aber mit Sicherheit mehr junge und ältere Kletterinnen zu einer Teilnahme bewegen.

On-sight-Modus Als Konsequenz aus den Erfahrungen des internationalen Wettkampfkletterns auf der Jugend- und Junio-ren-Ebene ( Europacup und Weltmeisterschaft ) ergibt sich, dass 1997 international auf Flash-Wettkämpfe verzichtet wird und sie wie bisher im On-sight-Modus durchgeführt werden. Die Gründe dafür liegen im teilweise höheren Wettkampfstress beim « flashen », aber vorwiegend in der mangelnden Förderung von Bewe-gungsintelligenz, weiteren kognitiven Fähigkeiten sowie der Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Die zentrale Herausforderung des Kletterns, die auch das soziale Argument des « Sich-gegenseitig-Zuschauens » überwiegt, war es immer, aus eigener Kraft und mit seinen individuellen Möglichkeiten seinen individuellen Weg nach oben zu finden. Dies soll auch beim Wettkampfklettern so bleiben.

Gabriele Madiener, Techn.

Leiterin/Nationaltrainerin

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