Lawinen: rigide Gesetzgebung in Italien
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Lawinen: rigide Gesetzgebung in Italien

Laut italienischer Rechtsordnung begeht jeder, der eine Lawine auslöst, eine Straftat, die massiv geahndet werden kann. Der Wortlaut des entsprechenden Artikels im italienischen Strafgesetzbuch lautet: « Wer eine Überschwemmung oder einen Erdrutsch verursacht oder eine Lawine auslöst, wird mit einer Haftstrafe von fünf bis zwölf Jahren belangt »( Art. 426 ). Dies bedeutet, dass schon die Auslösung einer Lawine strafbar ist, das heisst auch dann, wenn weder Personen noch Sachen zu Schaden kommen. Die Auslösung einer Lawine stellt ein « abstraktes Gefährdungsdelikt » dar, wird somit als so gefährlich einstuft, dass eine Bestrafung vorgesehen ist – ganz unabhängig davon, ob etwas passiert oder nicht. In einem weiteren Artikel des Strafgesetzbuches wird zudem die Fahrlässigkeit extra erwähnt und bestraft.

Dass es sich bei diesen Artikeln nicht nur um graue Theorie handelt, hat der berühmt gewordene Fall der Verurteilung des Bergführers Kuno Kaserer aus Partschins ( Südtirol ) deutlich gemacht. Dieser hatte im November 2000 bei der Grawand ein Schneebrett ausgelöst, das eine noch nicht für die Skisaison präparierte Piste überschüttete. Er selber suchte unverzüglich nach Verschütteten. Glücklicherweise befand sich niemand im betroffenen Gebiet. Gleichwohl wurde Kaserer noch auf der Piste von den Carabinieri verhaftet und für zwei Tage ins Gefängnis gesteckt. In erster Instanz wurde er freigesprochen, weil der Niedergang der Lawine nach Ansicht von Experten nicht vorhersehbar war. Doch das Obergericht verurteilte Kaserer nach einem vom Staatsanwalt eingebrachten Rekurs schliesslich zu acht Monaten Gefängnis bedingt sowie der Übernahme der Prozesskosten in Höhe von rund 40 000 Euro. Das Kassationsgericht in Rom bestätigte das Urteil im November 2005. Laut Hubert Mayrl, Referent für Alpinwesen beim Alpenverein Südtirol, gibt es diverse Lawinenurteile mit bedingten Gefängnisstrafen. Bergsteiger-, Tourenski und Free- Rider-Kreisen, aber auch den Alpenvereinen gefällt diese Art der Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht. Denn jeder Tourenskifahrer wird so a prioi als eine Art Straftäter angesehen. Für die Bergführer stellt diese Situation eine Belastung dar. Chancen auf eine Änderung des Gesetzes bestehen laut Mayrl im Moment kaum. Aber man versuche, in viel Kleinarbeit Staatsanwälte und Juristen für das Thema zu sensibilisieren.

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