Von der Trittleiter zur modernen Felskletterei
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Von der Trittleiter zur modernen Felskletterei Klettern am Schlossberg

Zuhinterst im Engelbergertal erhebt sich die bis 800 Meter hohe Schloss-berg-Westwand. Sie wurde bereits vor 50 Jahren durchstiegen und geriet danach etwas in Vergessenheit. Die klassischen, frisch sanierten wie auch die neuen Routen der Gegend harren der Entdeckung.

Die Bohrmaschine knattert über meinem Kopf, der rechte Arm ist gestreckt und schmerzt. Die Linke schraubt auf Gegendruck gnadenlos einen Griff zu. Der Unterarm droht zu platzen. Auf keinen Fall will ich mitsamt der Bohrmaschine aus der steilen und glatten Verschneidung am Anfang des zweiten Aufschwunges am Südwestpfeiler des Schlossbergs fallen. Endlich, der Bohrer ist genug tief in den Fels eingedrungen. Ausblasen, Gewindeanker rein und Plättchen aufschrauben, Express und Seil einklinken. Arme ausschütteln. Danach geht es noch 20 Meter weiter bis zum Standplatz, wo zwei alte Holzkeile stecken. Ich kann sie gleich von Hand herausziehen. Auch sonst treffen wir von Zeit zu Zeit auf Spuren der Erstbegeher von 1958, doch viel Brauchbares steckt nicht mehr im Fels.

Mehr als 100 Jahre ein Ziel für Alpinisten

Der Hauptgipfel des Schlossberges war schon vor 1958 Ziel von Alpinisten. So durchstiegen 1904 Hans Rütter und Josef Zgraggen junior die Südwand von der Schlossberglücke aus. 1936 folgten Dani Gianora und Sepp Wechsler, die in nur neun Stunden durch die Südwestwand bis zum Gipfel und zurück zur Spannorthütte gelangten. 1956 zog der Schlossberg dann die Aufmerksamkeit der bekannten Alpinisten Kurt Grüter, Dölf Hüsler und Wisi Fleischmann auf sich. Ihnen gelang schliesslich 1958 die Begehung des Südwestpfeilers, der durch den zentralen Wandteil zum Gipfel führt. Kurt Grüter kam daraufhin 1971 mit Gery Egloff und Kollegen zurück zur Wand und eröffnete links vom Pfeiler über kompakte und überhängende Wandzonen die Direkte Westwand in dem heute « Big Wall » genannten Sektor. Gleich zehn Routen richteten 20 Jahre später die Gebrüder Rémy in derselben Wand ein.

Die Erstbegehung nachvollziehen

Während ich mich für mein Sanierungsprojekt weiter den Westpfeiler hoch-kämpfe, bewundere ich Kurt, Dölf und Wisi immer mehr. Es brauchte Kühnheit, in diese Riesenwand einzusteigen und sich mit Bergschuhen, Holzkeilen, Normalhaken sowie Trittleitern Stück für Stück hochzuarbeiten, ohne zu wissen, was einen erwartet. Ich bin froh, zwei sichere Bohrhaken für den Standplatz setzen zu können. Wie sich später herausstellte, war dies die technisch an- Unterwegs am sanierten Südwestpfeiler des Schlossbergs. Fotos: Tom Rohr er spruchsvollste und anstrengendste Seillänge des Südwestpfeilers. Für diesen Tag ist es aber genug. Mein Kletterpartner René ist müde und nicht mehr motiviert, die Verschneidung nachzuklettern. Es ist bereits der dritte Tag, den ich mit Kletterkollegen am Pfeiler verbracht habe. Dabei begann ich meine Sanierungsarbeiten von unten, ohne die Route vorher durchstiegen zu haben. Ich wollte etwas vom Erlebnis der Erstbegeher erfahren. Zudem war es mir ein Anliegen, die Standplätze sauber zu bohren und Zwischensicherungen auszuwechseln oder zu ergänzen. Zuerst holte ich dafür aber noch das Einverständnis des Erstbegehers Kurt Grüter ein. Ich schaue am Ende dieses dritten Tages noch kurz, wo sich der Weiterweg anbietet. Es sieht so aus, als wären die Erstbegeher nach links schräg über Der Schlossberg, ein Kletterparadies zum ( Wieder-)Entdecken.

Die Neuerschliessung des Schlossberg-Südwest- pfeilers erfolgte von unten.

Allgemeine Informationen Zustieg zu Auf dem Hüttenweg zur Spannorthütte.. " " .Von der Hütte in 30 Minuten über den Routen Wegspuren zu den Einstiegen an der Westwand. Die Einstiege der Sportklet- terrouten sind angeschrieben.

Führer Toni Fullin/Andy Banholzer: Clubführer Urner Alpen 3, SAC-Verlag 1999. Enthält Topos der Westwand. Alle Topos sind auch auf der Spannorthütte vorhanden, einige davon unter www.spannorthuette.ch.

Abstiege Es wird über die Routen abgeseilt. Bei einer anschliessenden Besteigung des Schlossberg-Gipfels am besten über die Südwand abseilen und via den markierten Wanderweg zur Hütte absteigen.

MaterialFür die Westwandrouten 2350 m Doppelseil, 12 Express, 1 Satz Rocks und Seillängen Friends je nach Route von 10–50 mm. Für die Südwand und den Klettergarten reicht ein 50-m-Einfachseil. Die Abseilstellen sind dementsprechend eingerichtet.

Unterkunft Spannorthütte, 1956 m ( bewartet von Ende Juni bis Mitte Oktober ), Tel. 041 637 34 80, spannorthuette(at)bluewin.ch Platten hoch in die Verschneidung geklettert – das erscheint irgendwie logisch. Ich werde es sehen – beim nächsten Anlauf.

Für jeden Klettergeschmack etwas

Der Schlossberg ist heute ein vielfältiges, wenn auch noch wenig begangenes Klettergebiet. Claude und Yves Rémy rüsteten ihre modernen Sportkletterrouten von Anfang an mit Bohrhaken aus. Zu ihnen zählen die zwei kürzeren « Akkli matisa-tionsrouten » « Espio » und « Jingo » am Gendarm. Letztere ist inzwischen saniert und kann als « Plaisirroute » im 6. Grad betrachtet werden. Ansonsten sind die Rémy-Routen eher anspruchsvoll, da der 7. Grad zwischen den Haken gefordert ist und die Risse selber mit Klemmkeilen abgesichert werden müssen. Die Linien sind grösstenteils schön und bieten abwechslungsreiche Kletterstellen auf Platten, in Fingerrissen, Verschneidungen, Wasserrillen und Überhängen. In der « Right Wall » sowie im Sektor « Big Wall » sind je vier weitere Touren von bis zu 14 Seillängen eingerichtet.

Wer es etwas gemütlicher angehen möchte, kann von der Schlossberglücke über die Südwand die etwa 120 Meter hohe Felsbarriere in neun 25-Meter-Seillängen erklimmen und den Gipfel des Schlossberges besteigen. Die Kletterei bewegt sich maximal im unteren fünften Schwierigkeitsgrad und ist gut abgesichert. Da aber in den weniger steilen Passagen und auf den Bändern über den Winter immer wieder Schutt abgelagert wird, ist bei mehreren Seilschaften Vorsicht geboten. Das Tragen des Helmes ist auch im Hinblick auf den Abstieg durch Abseilen sehr empfehlenswert. Doch damit ist das Gebiet noch nicht ausgereizt. Sollte einmal zweifelhaftes Wetter herrschen, finden sich in der Gegend mehrere Ein- bis Zweiseillängen-Routen. Diese befinden sich am Schlossberg selbst oder an dem der Westwand vorgelagerten Felsblock « Greiss ». Dazu kommen die Felsblöcke rund um die Hütte mit Routen, deren Schwierigkeit bis 8+ reicht, sowie ein Klettergarten für jegliches Können.

Bereit für moderne Felskletterer

Die Sanierungsarbeiten am Westpfeiler habe ich inzwischen bis zum Pfeilerkopf abgeschlossen. Eine schöne, klassische Kletterei im 6. Grad kann wieder sicher begangen werden. Auch wenn ich hie und da die Felsqualität etwas genauer prüfen musste, ist der Westpfeiler für mich eine grossartige alpine Tour, die abwechslungsreiche und steile Kletterei bietet. Dazu kommt das Ambiente in der Wand mit dem Grossen und Kleinen Spannort im Süden und der Titlis-Ost-wand sowie der Melchtaler Kette im Westen. Die Mühe hat sich gelohnt. Bilder von einem unvergesslichen Sonnenuntergang im Biwak in der Westwand tauchen auf und lassen den Puls noch heute höher schlagen. a Tom Rohrer, Engelberg 6 20 m 50 m 6– 50 m 5 35 m 6 35 m 6– 6 20 m 25 m 6,A1/7+ 45 m 6 35 m 6– 15 m 6– 15 m 6 20 m 6 30 m 4 20 m 2 80 m 4+,A 0/7– Die Route im Überblick: Sie verläuft etwa entlang der Sonnen-Schatten-Grenze, an der Grenze zwischen Süd- und Westwand. Saniert: der Südwestpfeiler des Schlossbergs.

Foto: Tom Rohr er Skizz e: Tom Rohr er

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