Wo die Pflanzenmedizin blüht
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Wo die Pflanzenmedizin blüht Gezielter Anbau von Edelweiss und Co

Zu Beginn der 80er-Jahre hatte der Walliser Laurent Tornay die nicht alltägliche Idee, im Val d' Entremont Medizinal- und Kräuterpflanzen anzubauen. Das Projekt hatte Erfolg, und ganze Felder von Edelweiss blühen in der Zwischenzeit im Unterwallis.

Das Abenteuer begann in Orsières, einer Berggemeinde auf halbem Weg zwischen Martigny und dem Grossen St. Bernhard. Hier suchte Laurent Tornay 1983 nach einer Idee, um den Bergbauern ein zusätzliches Einkommen zu ermöglichen und so auch die Landflucht aus dem Entremont zu bremsen. Das Konzept mit dem Anbau von Kräutern sah vielversprechend aus; ausserdem entsprach es einer nachhaltigen Entwicklung, bei der die Landschaft des Tals nicht allzu sehr umgekrempelt werden sollte. Im Jahr 1984 beginnt die Genossenschaft «Valplantes», die Tornay zehn Jahre präsidierte, bescheiden mit lediglich 2,5 Hektaren, auf denen sie Bergpflanzen anbaut. Aber heute, nach Jahren harter Arbeit und der Unterstützung durch den Kanton und die Schweizerische Berghilfe, sind es rund 70 Produzenten, die sich entschieden haben, beim Projekt mitzumachen. Gleichzeitig verpflichtete sich der Kräuterbonbonhersteller Ricola, alle im Entremont angebauten Pflanzen aufzukaufen, und zwar über mehrere Jahre. Heute machen die Gewinne aus dem Kräuteranbau bis zu 40% (in Einzelfällen sogar noch mehr) des Einkommens eines Landwirtschaftsbetriebs aus.

Die vielen Sonnenstunden und die tiefe Luftfeuchtigkeit in der Region von Orsiè res sind besonders geeignet für die Pflanzung von Medizinalpflanzen, Kü-chen- und Gewürzkräutern. Die Produzenten des Entremont bauen heute rund 40 Hektaren an, auf denen man verschiedene Arten antrifft: Ysop, Thymian, Salbei, Wegerich, Pimpinelle, Brennnes-sel, Holunder, Minze, Malve, Eisenkraut, Beifuss, Arnika und Eberwurz, wobei sich die Liste noch verlängern lässt. Da Ricola Wert legt auf eine biologische Produktion, wird kein Dünger verwendet. Herbizide und Pestizide sind ebenfalls vollständig verboten, und jedes Jahr wird, wenn nötig, der Standort einer Kultur gewechselt. Auch die Ernte muss klar definierten Kriterien genügen. Die Pflanzen dürfen zum Beispiel nur in dem Moment geerntet werden, in dem der Gehalt der aktiven Wirkstoffe am höchsten ist.

Zu den erfolgreich angebauten Pflanzen gehört auch das Edelweiss. Die Kosmetik-industrie hat nämlich ein immer grösseres Interesse an der emblematischen Pflanze. So produziert sie beispielsweise Antioxidantien, welche die durch UV-Strahlung entstehenden Radikale unschädlich machen. Der Anbau der Pflanze ist aber heikel, da sie in tieferen Lagen häufig von Schädlingen befallen wird. Die Ernte der Edelweisse geschieht von Hand, und ein Kilogramm Edelweiss wird für rund 50 Franken verkauft. Jährlich werden rund zehn Tonnen geerntet, wobei es für die Gewinnung von 300 Millilitern Extrakt vier Kilo Blüten braucht.

Seit 2006 pflanzt Laurent Tornay selber auch Edelweiss an. Als er mit dem Anbau begann, wählte er als Erstes die besten Pflanzen aus dem biologischen Anbau anderer Bauern aus, pflanzte sie dann an und beobachtete sie während eines ganzen Jahres. 2008 aber kam dann trotz einem sehr nassen Frühling der Durchbruch. Zwischen zwei Wiesen zeigt Tornay uns das Unvorstellbare: Auf einem grossen Feld nicht weit vom auf rund 800 Meter gelegenen Orsières wachsen Tausende von Edelweiss.

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